Kein Gramm Fett: The Strokes „Is This It“

New York City, 2001
The Strokes
„Is This It“
(Rough Trade Records)
Die endlos zerdehnte Lakonie des Julian Casablancas, die seither trademark-artigen, tausendfach kopierten Strokes-Gitarren von Albert Hammond Jr. und Nick Valensi, das Maschinenschlagzeug von Fabrizio Moretti, schließlich der scheinbar sämtliche Bassistenklischees bestätigende Nikolai Fraiture, der auf Fotos, in Videos und bei Konzerten immer nur dabei statt mittendrin zu sein schien, in Wahrheit aber ein Fundament legte, auf dem die anderen ihre aberwitzig ineinander verkeilten Minimalismen aufs Herrlichste ausbreiten konnten: Wenn man heute, lange nach dem Hype, nach den vielen Strokes-Epigonen der sogenannten Indie-Rock-Jahre in den Nullern und nach den deutlichen Strokes-Referenzen bei aktuellen Bands wie Fontaines D.C. oder Idles die Wahnsinnsplatte noch einmal auflegt, die das Strokes-Debüt „Is This It“ ist und war, dann ist sofort alles wieder da. Diese Musik, die damals für viele bereits alt klang, die oft als Kopie von wahlweise Velvet Underground, Television oder Richard Hell and the Voidoids beschrieben wurde, in Wahrheit aber am Vorabend des 11. September so sehr den Zeitgeist spiegelte wie keine andere, hat sich als vollkommen zeitlos erwiesen.
Es war Julian Casablancas, der sich diese Songs bis in die letzten Harmonien, Beats und Strukturen ausgedacht hatte, und das auf dieser Basis entstandene Demotape seiner Band The Strokes anschließend zu dem Produzenten Gordon Raphael in dessen Kellerstudio im East Village brachte. Julian habe präzise Vorstellungen gehabt, hat dieser später oft erzählt, die Songs, aus denen „Is This It“ wurde, seien von vorne bis hinten fertig gewesen, auch die erwünschte Klangästhetik habe Casablancas vorgegeben. Er selbst, Raphael, habe nur noch die Aufnahmetaste drücken müssen.
Rock’n’Roll war damals gerade mal wieder tot, beerdigt mit Cobain. Das neue Jahrzehnt schien noch keinen Sound zu haben, Innovationen gab es vor allem in der elektronischen Musik. In Pop, HipHop und Rock dominierten Spätausläufer der Neunzigerjahre. In diese Melange sind die Strokes dann einfach so hineingekracht. In Songs wie „The Modern Age“, „Hard to Explain“ oder „Someday“ dröhnte der Kater nach dem Hedonismus der Neunziger, die Orientierungslosigkeit der damals stets als unpolitisch beschriebenen Ende der Siebzigerjahre Geborenen, die für Generation X zu jung und für Y zu alt waren, also immer irgendwie zwischen den Stühlen saßen. Insofern war „Is This It“ nicht zuletzt ein elegant-krachiges „Wir sind jetzt hier“.

Der Autor & Julian Casablanca
Sie wurden dann natürlich trotzdem „die Rockband der Millennials“. „Last Nite“ und „New York City Cops“ wurden zu Hymnen dieser Generation und zur Blaupause für zahllose, ähnlich klingende, sogenannte Indie-Rock-Bands. Weil die Strokes in jeglicher Hinsicht die perfekte Rockband waren – optisch, musikalisch, ästhetisch –, die man hätte erfinden müssen, hätte sie sich nicht ganz klassisch selbst aus einer Gruppe von Freunden gegründet, die sich zum Teil seit frühester Kindheit kannten. Aus heutiger Sicht ist „Is This It“ so viel mehr als nur ein Reenactment der New Yorker Garagen-Coolness der Siebzigerjahre, sondern vielmehr das wichtigste Rockalbum der vergangenen 25 Jahre. 35 atemlose Minuten, das perfekte Album, kein Gramm Fett.
Es war ein anderes New York, eine andere Welt. „Is This It“ hat den Stürmen der Zeit gestrotzt und strahlt immer noch wie ein räudiger Monolith.







