Levin Goes Lightly : ESTA, not B1 – or: A dream comes true.

Levin Stadler (Photo: Levin Stadler)
A dream comes true.
Ich stehe in der Schlange vor der Border Control in den USA und erinnere mich noch an die Befragung zur Einreise vor über zehn Jahren. Auf dieser Reise habe ich – kitschig im Nationalpark – beschlossen, das mit dem Studium doch sein zu lassen und ernsthaft Musik zu machen. Der Start von Levin Goes Lightly. Damals war da der schwitzende Beamte, der mich ewig fragte, woher ich das Geld für die Einreise in die USA habe und wie mein Verhältnis zu meinem Vater sei. Komische Fragen.
Jetzt reisen wir eigentlich auch noch semilegal ein. SXSW und New Colossus in New York sind zwar Showcase-Events und dürfen anscheinend mit einem ESTA gespielt werden, aber alles andere ist nicht erlaubt. Die einen sagen: „Sag, du bist Tourist“, die anderen: „Ohne ein B1-Visum kommst du nicht rein!“ Verwirrung überall – und ich beginne zu schwitzen. Die Reihe vor mir dauert noch mindestens drei Stunden bis zum kleinen gläsernen Abteil mit dem Beamten. Ich habe nur ein ESTA … wie geht es eigentlich der deutschen Tätowiererin in Abschiebehaft?

Levin Goes Lightly – 1 (Photo: Levin Stadler)
1968
New York riecht nach verbrannten Abgasen. Es ist smogig. Dunst überall. Aus der Kanalisation steigt Rauch auf, aus den SUVs kommt Rauch. Aus den Dieselgeneratoren, die die kleinen Imbissbuden mit Strom versorgen, steigt Qualm. Die SUVs scheinen sich nach der Wahl von Donald Trump noch vergrößert und vermehrt zu haben. Wie die Dinos. Zwei oder drei Meter. Die Leute darin sind umso kleiner geworden. Als Nicht-Einheimischer denke ich eigentlich, dass hier gerade sehr wichtige Leute vorbeifahren. Aber es sind einfach nur ganz normale, kleine Menschen.
„You are all fake“, schreit mich ein verwirrter Mann an. Ich kann ihm das nicht ganz absprechen.
Die Stadt tut sich schwer mit mir an diesem Vormittag. Der Mittag endet mit verbrannter Fresse vom heißen und viel zu öligen Belag einer Pizza, die wie früher lieber nur einen Dollar kosten sollte. Kommandoton am Empire State Building. In den Aufzug und schnell durch die Ausstellung eilen, die eher an Disney World erinnert und absolut keinerlei Information liefert – nur Oberflächliches, leider.
Dafür ist der Ausblick unglaublich, und die Stadt, die von unten keinen Sinn ergibt, ergibt ihn jetzt. Ein Netz aus Straßen, und alles reicht und strebt in den Himmel. Ein Blick nach Osten, die Freiheitsstatue – es ergibt immer noch Sinn, hat immer noch Macht und ein schönes Versprechen. Als dann noch die Sonne herauskommt, glänzt alles und schüttelt kurz den Feinstaub und allgemeinen Staub ab.
Erst von der Gruppe getrennt, ist es dann der Central Park, der mich mit der Stadt versöhnt. Das Licht, die riesigen Wolkenkratzer und ihre Schönheit sind überwältigend. Ich stehe in der Kulisse von „Kevin – Allein zu Haus“, muss staunen und grinsen. Auf einem kleinen, künstlich angelegten Felsen zu stehen und vor mir die unendlich langen Gebäude, in denen Millionen Dinge gleichzeitig passieren.
Wir fahren danach zu zweit in einen anderen Teil von Brooklyn, nahe Bushwick. Ich hole dort eine Gitarre ab. Eine sehr schöne Sache ist auch die Nettigkeit und Hilfsbereitschaft der Menschen hier. Ich habe als komplett Fremder den Code für die Wohnungstür bekommen: Er lautet 1968.
Oysters 2 Dollar
Wenn ich die anderen Preise in New York so anschaue – oft 12 oder 14 Dollar für ein kleines Heineken, weil ja auch noch der Tip dazu kommt –, dann sind die Austern hier billiger als alles andere. In der Happy Hour kosten sie nur 2 Dollar. Wir essen 24 und trinken Weißwein dazu. Draußen regnet es in Strömen. Die Lichter der Stadt verschwimmen. Wir stellen uns in den Eingängen der Geschäfte unter und schauen überall hinein. Wo ist der durchsichtige Regenschirm aus „Lost in Translation“, wenn ich ihn brauche? War ja eh in Tokio.

(Photo: Levin Stadler)
Tag 3
Der heutige Tag fällt aus. Nach einer durchzechten, langen Nacht mit der Band Gewalt und Flawless Issues. Wir haben den Gitarristen von A Place to Bury Strangers getroffen, und wegen des Mezcal Sour beginnt der Tag erst gar nicht.
Das Festival ist klein, aber sehr nett. Es besteht zumeist aus Musiker*innen, die für andere Musikerinnen und Musiker spielen. Aber ich lerne unglaublich viele Menschen kennen und sehe mir viele Konzerte an – eine schöne Beschäftigung. Wenn die Bands spielen, muss ich wenigstens keinen Smalltalk führen. Den kann ich auf Englisch noch schlechter als auf Deutsch.
Tag 4
Ich bin aufgeregter als sonst. Mit schweren Taschen laden wir unser Gepäck in ein Uber. Die Subway wäre jetzt doch zu anstrengend gewesen. Ein Mann mit einer dicken Backe fährt uns. Er ist still und bringt uns über die Brücke nach Manhattan.
Die Venue „Drom“ ist groß und irgendwie – wie so vieles hier – schon cool und schön, aber immer wieder auch ein wenig geschmacklos. Da ein Bildschirm, der eigentlich Werbung zeigt oder so etwas, als würde man einem Alien erklären, was Menschsein bedeutet: nette Menschen, die lachen, sich anschauen, irgendeiner Art Business nachgehen. Werbung von Menschen für Menschen über das Menschsein. Vielleicht kann man sie in Zukunft auch zur besseren Verständigung mit Außerirdischen senden.
Die Antworten und Fragen der Tontechniker sind immer kurz und sehr direkt, als hätten sie keine Lust. Getränke bekommt man in den USA generell nicht gestellt, zu essen gibt es auch nichts – für uns immerhin eine Marke für ein Getränk und Wasser. Ein weiteres Bier muss ich mir selbst kaufen – für fast 15 Dollar. „Mach dies, mach jenes.“ Der Soundcheck dauert zehn Minuten. Ich bin nur eine Figur von unzähligen heute Abend. Aber was soll ich auch erwarten bei 200 Bands?
Das Publikum ist sehr herzlich, höflich, nett und enthusiastisch. „Wer seid ihr? Wo kommt ihr her? Das war unglaublich!“ Wir spielen gut, der Sound auf der Bühne ist komisch, aber es war auch keine Zeit, ihn länger abzustimmen. Eine halbe Stunde Set ist leider zu kurz. Ich bin gezwungen, sofort zu unterhalten, es kann sich nichts aufbauen. Auf dem SXSW spielen wir 40 Minuten – vielleicht ist es dann besser.

Photo: Levin Stadler
Tag 5
Am nächsten Tag spielen wir um 13:15 Uhr nachmittags in einem Laden namens „Berlin“. Sofort beginnen die Diskussionen mit der Bar darüber, welches Getränk ich für die Marke noch bekomme – außer Bier Wodka Soda oder Whiskey Soda.
Es sind ein paar Leute da. Die, die da sind, tanzen, filmen oder wippen zu dieser sehr frühen Stunde. Nach dem Konzert kommt eine junge Frau auf mich zu. Sie sei von einem Radiosender aus San Francisco und schon lange Fan unserer Musik. Ob wir vielleicht ein Interview mit ihr vor dem Club machen können? Natürlich gerne.
Ich stammele mich durch das Interview, aber ich merke schon an den Fragen, dass Musik hier einen ganz anderen Stellenwert hat – oder die Popmusik. Hier haben die Menschen eine ganz andere Art von Hingabe dazu. Ich bin schnell geschmeichelt von all dem Lob, das ich hier bekomme. Es tut gut.

SXSW (Photo: Levin Stadler)
Austin
Ein typischer Vorort. Aber die amerikanische Vorstadt ist schön, ruhig, grün und entspannend. Wenn ich mit Einheimischen rede, höre ich, dass es hier acht Monate im Jahr unerträglich heiß ist. Nur die Monate rund um das SXSW sind erträglich und schön. Deshalb ziehen auch so viele hierher – weil sie auf dem SXSW eine tolle Zeit hatten. Doch dann sind sie erschrocken darüber, wie heiß und immer heißer es hier wird.
Bevor wir in die City kommen, fahren wir an typischen Wildwest-Häusern mit bunten Aufschriften vorbei. Und dann trifft uns unverhofft die andere Seite Amerikas: Menschen, die in bitterer Armut leben – direkt vor den Wolkenkratzern der Innenstadt. Sie liegen bewusstlos auf der Straße, lachen oder kauern verwirrt an den Gehwegen.
Im Convention Center müssen wir unsere Pässe abholen. Wir werden ähnlich wie am Flughafen in eine riesige Halle geführt, in der wir den Pass, einen Jutebeutel und eine Freigetränkekarte bekommen. Wie immer sehr großzügig – ein Getränk pro Tag. Fun Fact: Die Schlange hier ist so lang, dass es sich eigentlich nicht lohnt, sich anzustellen.
Die vielen Konzert-Locations sind meistens kleinere Kneipen und Bars – etwas mehr Outdoor, etwas mehr Eigenbauweise als bei uns. Aber den Glanz, den das Wort 13th Floor Bar versprüht – die Bar, die der Sänger von The Black Angels vor zwei Jahren eröffnet hat –, kann ich nicht ganz nachvollziehen. Ein schwarzer Holzschuppen mit einem sehr schönen Logo, das war’s.
Wenn man das System durchschaut, merkt man schnell, dass es hier unzählige Veranstaltungen gibt – die wenigsten haben mit Musik zu tun. Was wirklich voll und begehrt ist, sind die Filmvorführungen und die Tech-Sachen. Es gibt kleine Parcours für Testfahrten mit elektrischen SUVs. Es gibt Vorträge von der Bluesky-Gründerin und von Michelle Obama. Kritik an Trump gibt es nur in Nebensätzen – ich denke, die Angst geht schon um.
Wir stehen auf einem Hochhaus, weil wir den Tipp bekommen haben, dass es hier Freigetränke geben soll. Ein Arztkongress findet hier statt. Als wir nach unserem Fachbereich gefragt werden, sagen wir irgendwas – zum Glück dürfen wir auch ohne Doktortitel bleiben und weitertrinken.

(Photo: Levin Stadler)
Es gibt blaue, gelbe, rote und grüne Bändchen beim SXSW. Der Platinum-Pass kostet 1.500 Euro, mit ihm kann man die teilweise dreistündigen Warteschlangen vor den Veranstaltungen umgehen. Man kann hier alles kaufen – auch Zeit.
Die Konzerte sind gut. Nicht zu voll und alle im typischen Black Angels-Stil. Eben Texas. Es wird viel genetworkt. Hier ein Drink, dort ein Handschlag. An Musik sind eher weniger Leute interessiert. „Ah, nett! Und was kostet ihr so, wenn ihr bei meiner Corporate-Veranstaltung spielt?“, fragt mich ein deutscher Business-Typ.
Hier geht es vielleicht zu 15 Prozent um Musik. Der Bühnensound ist oft schlecht, weil es keinen richtigen Soundcheck gibt und die Bands in Eile auf- und abbauen müssen. Aber es ist bunt, und die Amerikaner sind einfach eloquenter und aufgeschlossener als wir. Man wird schnell angesprochen oder angemacht.
Im Cheer Up Charlies fühle ich mich am wohlsten. Ein sehr queerer Laden. Auf der Bühne stehen texanische Frauen und singen über ihre Unterdrückung, während das Publikum den traditionellen Two Step tanzt. Der Abend endet mit der Aussage: „I hope you’ll all get fingered tonight.“

Levin Goes Lightly (Photo: Alexander Schliephake)
You’re so amazing
Unser erster richtiger SXSW-Auftritt beginnt bei über 32 Grad. Ein Uber bringt uns in den Süden Austins – alles andere wäre einfach zu teuer. Unser Fahrer singt laut zu lateinamerikanischer Musik aus seinem iPad mit. Ich küsse dich mit Zunge heißt der Song.
Wir fahren durch nette Wohngebiete zu einem schwarz gestrichenen Haus an der Straße mit der Aufschrift Package – ein Sexshop für die Gay-Community. Klingt erstmal nicht nach einem klassischen Konzertort, aber ich fühle mich hier direkt wohl. Wir dürfen uns Klamotten oder Ähnliches bis zu einem Wert von 75 Dollar aussuchen – Bedingung: Wir müssen sie auf der Bühne tragen. Ich entscheide mich für ein bauchfreies Netzhemd und eine Cap mit der Aufschrift PIG. Besser als die New-York-Caps.
Hinter dem Laden ist eine kleine Bühne aufgebaut. Vor ihr stehen massige Männer und eine zierliche Frau. Zwei junge Männer in knappen Badeshorts begrüßen uns – sie sind die Tänzer für heute. Und so skurril hier alles in der prallen Sonne wirkt, genauso herzerwärmend ist es auch. Wir machen das Beste daraus und schätzen uns als Musiker*innen gegenseitig. Es ist nett. Man hört sich zu.
Ein paar Fans sind extra für uns gekommen. Woher sie uns kennen, weiß ich nicht. Die Band vor uns singt über einen Freund, der sich das Leben genommen hat – eine Mischung aus Rap und Metal mit viel Emotion. Muss man mögen. Aber es ist ehrlich gemeint. Währenddessen tanzen halbnackte Männer auf kleinen Podesten.

Levin Goes Lightly
Mir läuft der Schweiß in Strömen über die Stirn. Er vermischt sich mit der Sonnencreme, die wir noch panisch vor dem Konzert aufgetragen haben, und brennt in meinen Augen. It was amazing. Nach dem Namen unserer Band wird immer wieder gefragt. „Wer seid ihr? Wie heißt ihr?“ Offenbar haben Amerikaner Probleme damit, Levin auszusprechen oder zu verstehen.
Ein Pärchen ist ganz euphorisch und fragt, wann wir wieder spielen. „Heute Abend.“ Oh – sie haben eigentlich schon eine Verabredung. Aber sie werden sie absagen – sie wollen uns unbedingt noch einmal sehen. Das ist Passion. Würde dir in Berlin niemals passieren. Never.
Wir packen unsere Sachen und steigen wieder in ein Uber zurück zum Airbnb. Erstmal ausruhen – heute Abend steht das richtige Showcase an. Bierdose, kurzes Nickerchen.
Als ich wieder aufwache, muss ich mich direkt wieder schminken. Dann holen wir die Gitarre und den Bass von Laura Lee and the Jets ab. Wir haben selbst keine Instrumente dabei. Und heute Abend werde ich sogar Gitarre spielen.
Ich bin nervös. Die Gigs hier sind nicht größer als in Deutschland, aber es ist eben doch das SXSW. Amerika.
Wir haben 20 Minuten zwischen den Auftritten, um uns aufzubauen. Ein kurzer Line-Check. Ich höre meine Stimme überhaupt nicht. Die checken es einfach nicht am Pult. Egal. Ich versuche, so viel Energie wie möglich in die Musik zu legen. Ich schreie die deutschen Zeilen lauter. Mehr Härte. Es funktioniert.
Die Menge jubelt. Immer wieder höre ich: Who is this? They are awesome. „Felt like a Tears for Fears concert in the 80s.“ Eine junge Frau packt mich an den Armen und strahlt mich an. „Du hast mir überall Gänsehaut gemacht.“ … „Kann ich dir ein Getränk ausgeben?“ Mir wird ein starkes Gin-Gemisch gereicht – so etwas kostet hier immerhin über 20 Dollar.

Fans (Photo: Levin Stadler)
Ein Typ mit Hulk-Hogan-Statur – ein Deutscher, über zwei Meter groß und ebenso breit – grinst mich an und haut mir auf die Schultern. „Ich war der, der dir auf der Bühne in den Finger gebissen hat“, sagt er lachend. Ich erinnere mich: Irgendjemand hatte meinen Finger abgeleckt, als ich ihn in die Menge gestreckt habe.
„Ich liebe Bassistinnen. Frauen fühlen einfach mehr.“ Komisch – ein Ami hätte sowas wahrscheinlich nicht gesagt.
„I saw your poster, it’s all over town. You’re so amazing!“
Ein schöner Tag. Skurril bleibt er weiterhin.
Wir sitzen mit einer Dose Reisbier auf unserer Terrasse und stoßen an. Zwei Auftritte an einem Tag – und das in den USA.

(Photo: Levin Stadler)
Schlangen auf Hoverboards
Wir stehen bei 30 Grad in der Schlange für ein Reeperbahn-Festival-Event. Es ist mittlerweile ein Running Gag, dass ich – obwohl ich seit zehn Jahren im Musikbusiness bin und auf einem Hamburger Label veröffentlicht werde – noch nie auf dem Reeperbahn-Festival gespielt habe. Es gibt das Gerücht, dass mich beim Booking jemand persönlich nicht leiden kann. Das habe ich aber nur mal von jemandem gehört, der es von jemandem gehört hat. Eine lustige Geschichte. Eigentlich haben hier alle schon gespielt – außer mir.
Auf jeden Fall stehe ich jetzt bei Hamburgers for Hamburgers oder so ähnlich in der Schlange und versuche wenigstens, Free Drinks und Reeperbahn-Burger abzugreifen. Immerhin. Ein paar Leute erkennen mich noch von unserem gestrigen Auftritt. Man lernt Leute aus Kanada kennen, es scheint ein wichtiges Event zu sein. Ich lerne M. Dommer kennen, der wieder das Booking für das Reeperbahn-Festival übernimmt. Er erklärt mir freundlich, warum ich bisher noch nicht dort gespielt habe. Aber vielleicht klappt es ja dieses Jahr. Wäre schön. Komisch, erst auf dem SXSW zu spielen, aber beim kleineren Festival im eigenen Heimatland nicht. Naja. Ich warte.
Heute ergibt sich das Festival für mich erst so richtig. Mit etlichen Margaritas im Kopf und freiem Lone Star Beer (wegen True Detective) geht es zu einer japanischen Jazz-Future-Soul-Show. Alle total crazy. Manga-Stars, bunte Haare. Auf dem Weg kommen uns Menschen auf Hoverboards entgegen – echte Schlangen um ihre Hälse geschlungen. Sie stehen auf ihren Boards wie in einer Endzeit-Inszenierung von Anne Imhof. Daneben parkt der Klotz eines Teslas, gegenüber ein weißer Maybach, wie aus den Hip-Hop-Videos der 2000er.
Es geht weiter zu einem Wrestling-Event mit vielen HipHop-Stars, denen wahrscheinlich die Karren vor dem Laden gehören. Blut auf der Kampffläche, ein paar Stolperer durch die Menge – da müsste noch ein gutes Konzert um die Ecke sein.
Ein Brian Eno-Bild an der Wand zieht mich an. Und plötzlich stehe ich inmitten eines irrsinnig guten Konzerts. Hier wird einem bewusst, wie brav die deutsche Musikszene ist und was es für wilde, krasse Bands da draußen gibt. Ein junger Johnny Rotten/Iggy Pop, dazu eine Band mit spiegelnder Flying-V-Gitarre, Bass und einem Schlagzeuger, der aussieht wie von Black Sabbath. Der Sänger ist selbst ein Kunstwerk mit seinen tätowierten Linien. Alles verzerrt, absolut Underground. Alix Fernz. Oder die PA ist einfach so beschissen, dass es dadurch gut klingt. Kann hier auch schnell passieren.

Levin Goes Lightly (Photo: Alexander Schliephake)
Kein weiteres Konzert
Wir erfahren, dass eine Band krankheitsbedingt ausfällt. Also machen wir uns auf den Weg zur Venue in Austin und kämpfen uns durch die Menge. Wir versuchen, die Booking-Managerin des Ladens zu erreichen. Eine Nummer wird uns gegeben – aber sie geht nicht ran. Auf unsere Nachrichten antwortet sie erst später: „Sorry, we have a waiting line for bands.“
Es scheint, als ob wirklich alle spielen wollen und alles restlos voll ist. Schade.
Am Abend werde ich trotzdem wieder angesprochen: „Hey, you’re Levon, you were amazing!“ Komischerweise können Amis meinen Namen einfach nicht richtig aussprechen. Wie schon erwähnt. Aber so viel Zuspruch noch zwei Tage später tut gut. Alle sind hier einfach wahnsinnig euphorisch.
Ich muss noch lernen, Lob anzunehmen. Nicht mal das kann man als Deutscher.

RKING here: Levin Goes Lightly
Letztes Konzert
Unser letztes Konzert ist am Freitagnachmittag. Weiter draußen, nicht mehr in der Downtown.
Das SXSW besteht nicht nur aus dem offiziellen Teil – überall in der Stadt gibt es kleinere Festivals oder Einzelkonzerte in Bars, Läden und Hinterhöfen. Wir spielen in einem Store, der sehr coole Shirts produziert: Feels So Good Prints. Vor dem Laden findet das Festival statt. Einige Zuschauer sind da – viele haben bereits unsere anderen Konzerte gesehen und diesmal Freunde mitgebracht.
Nach der Show kommt der Tontechniker zu uns und sagt: „You were the best band of the whole festival.“
Hier bekommen wir endlich, was wir wollen – zumindest was Getränke angeht. Essen gibt es keins. Aber jemand drückt uns 150 Dollar in die Hand, und wir sind glücklich.
Morgen geht es mit einem Mietwagen raus aus der Stadt. Richtung Natur. Ziel: Der 15 Stunden entfernte Grand Canyon. Vorbei an den endlos laufenden Ölpumpen in Texas.
Levin Goes Lightly:
Alisa Scetinina (Synthsizer)
Julia Kalb (Bass)
Paul Schwarz (Drums und Loops)
Thomas Zehnle (Gitarre)
Levin Stadler (Gitarre, Synthesizer und Gesang)

Goodbye America