Interview

Levin goes Lightly: Im eigenen Film

Levin goes Lightly (Photo: Marina Monaco)

Eigentlich ist es eine Frechheit: seit gut zehn Jahren schwirrt und flirrt Levin Stadler alias Levin goes Lightly durch den Underground und nach wie vor sollt es immer noch Menschen geben, die trotz Platte Nummer fünf und einigen Überraschungserfolgen (mind you: Leute wie Iggy Pop und Anton Newcombe vom Brian Jonestown Massacre sind Fan) den in Stuttgart lebenden Bayern immer noch nicht zur Kenntnis genommen haben. Guten Morgen!

Levin und sein Projekt befindet sich im ständigen Taumel zwischen den Achsen, vermag aufgekratze Tanznummern, verträumten Showgaze, lupenreine Hits (“She’s dancing”!) und Typen von Goth bis Indiekids unter sich zu vereinen – darüber schwebend seine Figur, mal theatralisch, mal dezent geschminkt und gekleidet in glänzende Stoffe, gibt Stadler, der baumgroße Dandy, eine für hiesige Verhältnisse durchaus schillernde und einzigartige Figur ab. Dass der Mann noch kein veritabler Popstar geworden ist, grenzt an einen Skandal.

Diesen doch ziemlich unhaltbaren Zustand möchte man sich entschieden entgegenstellen und so freuen wir uns sehr, dass Levin sich die Zeit genommen hat, um für KAPUT – Magazin für Insolvenz & Pop ein weiteres Mal ein Gespräch mit mir zu führen und Einsichten in sein Album “Numb” sowie sein Seelenleben zu gewähren.

Levin goes Lightly (Photo: Marina Monaco)

Levin, danke, dass du dir – nun schon zum dritten Mal – die Zeit genommen hast, dich mit mir zu unterhalten – du bist ja ein sehr gern gesehener Gast hier. Daher gehe ich gleich mal zu unserem allerersten Gespräch zurück, welches wir damals zu ‘Nackt’ geführt haben. Da sagtest du zum Abschluss auf meine Frage, was man musikalisch in Zukunft von dir erwarten kann: „Techno“.

Da bist du zwar noch nicht ganz angekommen, aber ‘Numb’ setzt schon sehr auf kühle, tanzbare Tracks und Coldwave und der Schwerpunkt ist von Gitarre zu Sequenzern und Beats gewandert. Logische Weiterentwicklung nach Tracks wie “Flirren” und “Liebhaber” von deinem letzten Album ‘Rot’ oder hast du dich bewusst von deinem bekannten Sound weiter wegbewegt?

Levin Stadler: Ja, das war so gewollt. Die elektronischen Songs auf ‘Numb’ sind auch die die es schon länger gab. Eigentlich hatten ich eine richtig elektronische Platte machen wollen, eine EP, aber dann kam die Sache mit dem Manager dazwischen (Anm.: später dazu mehr) und ich konnte erstmal Garnichts mehr tun. Als ich dann später wieder anfangen konnte zu arbeiten, war die musikalische Zielrichtung schon wieder eine andere. Ab da wollte ich eher zu den Wurzeln zurück und meine Songs alleine schreiben. Was dann dabei rauskommt kann ich nicht wirklich steuern und will es auch nicht. Solche Sachen wie: “Ich mach jetzt ein reines Elektro-Album”, sowas kann ich nicht und so bin ich auch nicht. Meine Musik ist Tagesform abhängig: treibend, fröhlich oder traurig.”

Seit einiger Zeit erleben ja viele eher nischige Bands, die Ende der Achtziger populär waren, einen neuen Hype – Leute wie Slowdive, Galaxie 500 und Co. sind alle restlos ausverkauft wenn sie irgendwo spielen und man sieht viele junge Leute rumspringen die, wie ich dachte, die Plattensammlung Ihrer Eltern entdeckt hatten. Ich hab dann aber gelernt, dass das wohl was mit TikTok zu tun hatte. Deine ersten Platten gingen ja schon stark in diese Shoegaze-y Richtung, jetzt die Wendung hin zu Wave, mehr Dance. Du hättest doch richtig mit abräumen können sag ich mal, wenn du es gewollt hättest.

Ach Trends und Entwicklungen ändern so schnell. Da will ich nicht unbedingt mitmachen. Ich denke, ich habe als Levin Goes Lightly schon einen eigenen Sound und meine eigenen Themen. Außerdem ist mein Werk mittlerweile gross und sogar kostenlos immer verfügbar, das heißt es kann ja jederzeit abgerufen werden und daher kann das, was ich 2015 gemacht habe für neue Hörer*Innen auch jetzt relevant sein. Ich finde aber durchaus, dass ‘Numb’ so einige Tendenzen aus meinem Frühwerk hat, auch der Songwriting-Prozess war ein ähnlicher wie früher. Gitarrenstücke gibt es ja immer noch, so wie „Endorphin“ oder „Wasser“.

Magst du was zu deinen Texten sagen? Du singst hier ja Deutsch und Englisch, quasi best of both worlds – deine ersten Platten waren alle auf englisch eingesungen, “Rot” und “Nackt” auf Deutsch, warum jetzt wieder die Rückkehr zum Englischen? Gibt es Sachen, über die du besser auf englisch singen kannst – man hat in einer fremden Sprache ja meinst eine gewisse Distanz, sprich – ist eher ‘in Character’ als ‚Privatperson‘.

Ich wollte wieder zu meinen Wurzeln und mir ist eine Zeitlang auf Deutsch auch nichts mehr eingefallen. Dann ist ein Wechsel in eine andere Sprache auch wieder sehr inspirierend. Außerdem hat mich hauptsächlich englische, eher noch amerikanische Musik geprägt, damit bin ich aufgewachsen. Deutschsprachige Musik lief bei uns zuhause zwar auch, aber es gab da viel weniger Relevantes als in der Unmenge an guter, englischsprachiger Musik. Ich entscheide daher eher, was besser zu der Musik passt und zum jeweiligen Song. Es gibt Songs auf dem Album, die erst auf Englisch, dann wieder auf Deutsch, dann wieder auf Englisch waren, je nachdem, was halt besser gepasst hat. Der Song „Circles“ ist so einer der mehrere Versionen durchlaufen hatte. Auf Deutsch wurde der mir irgendwie zu kitschig, da muss man schon sehr vorsichtig sein. Ich mag Pop, aber ich mag keinen Kitsch. Für mich muss ein guter Song noch immer etwas mystisches, tieferes haben.

“Gaps”, “Rot”, “Nackt”, “Numb” – deine letzten Alben haben schlagwortartige Titel. Ist das ganze ein gewollter Überbau unter dem der Rest passiert? Also ein Thema, unter dem du entsprechende Geschichten erzählst oder bündelst?

Ja der Titel passt meistens zu der jeweiligen Zeit und meinen Gefühlen, die in der Zeit relevant waren. Aber ich würde nicht so weit gehen, um von einem Konzeptalbum zu sprechen – das ist mir zu anstrengend. Ich mag Schlagworte, die lassen Interpretationsspielräume zu und können unterschiedliche Referenzen auslösen. Bei ‘Nackt’ war der Wechsel auf die deutsche Sprache ein sich-entblössen. „Numb“ war dann die Reaktion die Taubheit und Gefühllosigkeit nach dem Vertrauensbruch mit dem Manager.

Falls du dazu was sagen magst: Es gab ja einen sehr unschönen Vorfall mit eurem langjährigen Manager, der, wie du bereits angedeutet hast , Euch wegen Kohle hintergangen hat, um das Ganze hier zu verkürzen. Konntet ihr die Angelegenheit angehen und gibt es dort vielleicht sogar positive Nachrichten oder Ergebnisse?

Es hat erstmal dazu geführt, dass ich in ein Loch gefallen bin und eigentlich gar keine Lust mehr hatte, mit Musik überhaupt weiterzumachen. Ich war sehr enttäuscht von vielen Dingen und fühlte mich dumm und hintergangen. Ein beschissenes Gefühl. Es hat lange gedauert, bis die Balance wieder da war und Musikmachen sich wieder richtig angefühlt hat. Es gibt mittlerweile, nach langen Amtsbesuchen und Briefen, einen gemeinsamen Weg, den wir jetzt mit ihm versuchen, was auch zu klappen scheint. Es gab eine erste Überweisung. Es müssen noch viele folgen. Ich hoffe wir schaffen das jetzt letztendlich zu klären und ich frage mich: Warum nicht gleich so?

Ich drücke die Daumen! Aber lass mal wieder von was schönem sprechen. Du hattest schon auf Modenschauen gespielt, bei Theaterstücken oder – deine Musik ist für einen Kunstrahmen universell offenbar gut zu nutzen. Könntest du dir vorstellen, auch mal in einen Bereich wie Filmmusik reinzugehen? Ich finde deine Musik ist super cineastisch. Und weil wir grade dabei sind: gibt es Filme, die dich oder deine Kunst beeinflusst haben? Über Bands haben wir ja schon ausführlich gesprochen. Deine Videos haben ja auch einen sehr künstlerischen Aspekt.

Danke! Ich warte schon immer auf eine Anfrage und wundere mich, warum sich noch niemand gemeldet hat. Das wäre ein Traum, den mir jemand erfüllen könnte!
Filme haben mich enorm beeinflusst, nehmen wir „Paris, Texas“ oder „Mommy“. Die Ästhetik und der emotionale Überbau solcher Filme finden sich auch in meinen Texten wieder. Aber das müssen jetzt nicht nur Arthaus Filme sein. „Thelma & Louise“ z.Bsp. hat mich auch schon vor sehr langer Zeit beeinflusst. Und mein Name „Levin Goes Lightly“ leitet sich natürlich vom Film „Breakfast At Tiffanys“ und von der bezaubernden Holly Golightly ab. Ich habe ganze Textzeilen, die Filmszenen und cineastischen Idolen gewidmet sind.

Levin goes Lightly (Photo: Marina Monaco)

Ich hatte letztens ein Live-Auftritt von dir gekuckt und hab mich sehr gefreut zu sehen, dass du deine Live-Band um zwei weitere Personen, Julia Kalb (Bass) und Alisa Scetinina (Synths) aufgestockt hast – eurem Sound wird das sicher sehr gut – die flächigeren, mehrschichtigen Songs als Trio hinzubekommen ist ja kaum möglich, es sei denn man lässt im Hintergrund das DAT durchtuckern. Seid ihr jetzt ‚fest‘ eine 5-er Live-Besetzung?

Wir sind leider nur bei größeren Shows zu fünft unterwegs, ansonsten meistens zu dritt oder ich auch alleine. Dies hängt meistens mit dem Budget zusammen, was man als Künstler*In für die einzelnen Shows bekommt. Mit Übernachtung, Fahrten und Gagen ist es leider zu fünft im Endeffekt einfach zu wenig was rumkommt. Ich finde das sehr schade. Und die Leute, die dann augenrollend sagen: “Immer diese Typen, die alles vom Band laufen lassen”… Ja, sorry, aber bei der Bezahlung, die hängen bleibt, ist es meistens auch gar nicht möglich anders aufzutreten. Klar, gibt es Förderungen, aber die bekommt man auch nicht immer. Aber genug gemeckert. Ich liebe die Besetzung zu fünft, weil allein schon die Stimmung bei uns dann auch untereinander besser ist. Das heißt, diese Konstellation ist eben besonderen Auftritten und Venues vorbehalten. Somit ist es auch immer anders. Auch ein positiver Aspekt.

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Deine Tour ist ja gerade angelaufen, wenn dieses Gespräch draußen ist. Worauf dürfen wir uns freuen? Wie lange bist du unterwegs und weißt du schon ob man dich im kommenden Sommer irgendwo draussen sehen kann?

Also, wir sind in vielen, wenn nicht sogar allen deutschen Städten unterwegs. Ihr könnt euch auf das komplette neue Album freuen und auf ein paar große Klassiker aus dem LGL Repertoire. Ich werde alles geben, mehr schwitzen als jemals zuvor und mehr tanzen als bei allen Shows vorher. Ich möchte die Tour so feiern, als wäre es die letzte die ich gebe. Ich weiß nicht, was noch kommen wird. Für den Sommer gibt es aktuell noch keine Pläne, ich hoffe aber sehr, dass wir auf ein paar schönen Festivals spielen können. Wenn das hier jemand liest, der ein schönes Festival organisiert: gern sofort anfragen – es lohnt sich uns zu buchen!

Das kann ich aus vollstem Herzen bestätigen! Vielen Dank für das Gespräch Levin – wir sehen uns auf der Strasse!

“Numb” ist am 18.10.2024 auf Tapete Records erschienen.

LEVIN GOES LIGHTLY AUF TOUR:

01.11.2024 Offenbach – Hafen 2
02.11.2024 Ulm – Gold
04.11.2024 Leipzig – Moritzbastei
05.11.2024 Hildesheim – KufA haus
06.11.2024 Hamburg – Nachasyl
07.11.2024 Bremen – Lagerhaus
09.11.2024 Berlin – Monarch
16.11.2024 Freiburg – Slow Club
18.12.2024 Köln – Sonic Ballroom
19.12.2024 Nürnberg – Z-Bau
20.12.2024 Dresden – Blechschloss
22.12.2024 München – Mill

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