Dalib "Kokakolor" – Trackpremiere

“hab mir die freiheit anders vorgestellt”

Bildschirmfoto 2018-10-02 um 19.01.26Manchmal dauert alles eben ein bisschen länger. Aber warum auch nicht, es müssen ja nicht immer alle sofort tight abliefern. Kennengelernt haben sich Antye Greie (ehemals Mitglied der Band Laub, derzeit als AGF aktiv) und Dalibor Marković aka Dalib (ehemals Mitglied der Formation Mundpropaganda) jedenfalls noch zur Blütephase des Berliner Labels Kitty Yo. Irgendwann um die Jahrtausendwende herum war das. Schon damals wollte man etwas zusammen machen, aber dann dekonstruierte sich das Label und die Pläne der beiden liefen auch so nicht synchron.

Nun, 18  Jahre später, hat es aber doch noch mit der Kooperation geklappt. Die Beats und Sounds, die AGF zu den Wortreichen und nachdenklichen Texten der vier Tracks umfassenden Ep von Dalib beisteuert (die auf ihrem eigenen Label AGF Producktion erscheint), kratzen und beißen an einem, sie boxen die Texte weniger hinaus als dass sie vielmehr die Hörer heranzerren.

Antye, Dalib, hat “syntax mirror” denn noch etwas mit den ursprünglichen Plänen von anno dazumal zu tun? Basieren die vier Tracks auf damaligen Skizzen?
Dalibor Marković: Das ist nun fast zwanzig Jahre her, so um die Jahrtausendwende, als unzählige Häuser in Berlin-Mitte von Baunetzen verdeckt waren und nach der Renovierung im neuen Glanz des Mietspiegels erglänzten.
Wir waren uns einig in vielen Dingen, was Musik angeht und was Worte betrifft. Das hielt uns in losem Kontakt über die Jahre – bis Antye mir dann irgendwann Beats zugeschickt hat. Zu der Zeit war ichin  Los Angeles und bin oft durch Downtown gelaufen mit den Beats auf den Ohren, zwischen den spiegelnden Hochhäusern der Gewinnbringer und den Wohnzelten der Verlorenen davor. Daher der Titel der EP: „syntax mirror“.

Dalib, der Text zu “kodakolor”, den wir bei der Premiere ganz abdrucken, hat uns als “Magazin für Insolvenz & Pop” sofort gefallen. Wie kommt es zu so einem abgehangen nachdenklichen Flow? Was hat dich mental so ruiniert?
Und wann, wo und wie hast du dir dir Freiheit mal anders vorgestellt?
Dalibor Marković: Die Stimmung in der gesamten Welt lässt einen aufmerksam werden. Wenn diese Beobachtungen eine Nachdenklichkeit zur Folge hätten, wäre das eine recht coole Konsequenz, die man sich für die Menschheit ingesamt wünschen würde.
Zum ersten Mal in meinem Leben habe ich das Gefühl, dass die Freiheit, mit der ich aufgewachsen bin in Frage gestellt wird. Und zwar aus Gründen, um sie zu nachhaltig zu verändern, sie rückwärtig schrumpfen zu lassen. Das kann ich nicht hinnehmen.

Antye, das “smile” am Ende von “kodakolor” kommt von dir, oder? Ein so kurzes Wort – aber so ein brutale Wirkung im Track. Was zu der Art passt, wie du die Texte von Dalib musikalisch begleitest. Wieviel gemeinsamer Prozess steckt denn dahinter? Habt ihr viel die Musik diskutiert?
Dalibor Marković: Es war ein intimer und teammäßiger Austausch, musikalisch und textlich. Antye hat Beats geschickt, ich hab Skizzen in mein Phone gesprochen und zurückgesendet. Der Sound gefiel uns, also blieb es bei den Handyaufnahmen. Antye wollte von Anfang an „doppeln“ – aber irgendwie anders… Bei “kodakolor” mit dem „smile“ die verzerrten Gesichtszüge eines kaputten Lächelns so in ein Wort zu packen ist „wicked“, im doppelten Sinn der Wortbedeutung.

Kaput freut sich den Track “kodakolor” premieren zu dürfen. 

syntax mirror Lumi“menschen wollen lieber dicke autokraten
ich werfe münzen in den ticketautomaten
vielleicht krieg ich drei zitronen und den jackpot
hier ist nicht las vegas eher irgendein drecksloch
und statistisch betrachtet alles apokalyptisch
da liegt kohle auf dem boden also bück dich
what? zehn cents?
also mit zinseszins sind das eine million in einer milliarde jahre wenn die welt dann noch existiert aber relax in dir
menschen die vor einem untergang warnen
fahren meistens nicht mit untergrundbahnen
haben also keine ahnung
sondern rauschen vorbei in soliden limousinen
oder limonenfarbenen boliden
haben konten in bolivien
mit dem geld konnten sie immobilien
erwerben und veräußern
wer dagegen ist hebt seine fäuste:
und hält sich fest wenn die bahn losfährt
mit einem blick als ob es wahllos wär
hab mir die freiheit anders vorgestellt
hab mir die freiheit anders vorgestellt
mit mehr fairness und viel mehr ferraris apfelsaftschorle mit apollinaris
und alkohol und marlboro
normal und menthol danach paracetamol damit aus sorgen keine kopfschmerzen werden erst chronische dann irgendwie komische
weil man zu lange überlegt zum arzt zu gehen
und der dann nach vielen tests irgendwann feststellt: krebs wer bewegt sich schon mit tanzschritten
auf der arbeit in den nachtschichten
wer hört schon sein leben lang: smile!
für das foto das man niemals aufnehmen wird weil
es nicht perfekt ist wie das licht gesetzt ist
im gesicht sind immer viel zu viele schatten und ständig fehlt im hintergrund mein haus und mein auto
leider noch nicht aber i am about to
rise and shine
und die sonne wird auf allen meinen reisen scheinen werde gleich umsteigen ich zähle die stationen
unter der erde stehe ich statt oben
hab mir die freiheit anders vorgestellt
hab mir die freiheit anders vorgestellt
mit mehr gemeinschaft und viel mehr geschenken
ich drücke auf öffnen die klapptüren schwenken”

“syntax mirror” von Dalib erscheint am 19. Oktober auf AGF Producktion. 

Bonus-Video zu “Sepuku”: 

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