Alice Phoebe Lou beim New Fall Festival in Düsseldorf

Einsamkeit, Liebeskummer und fiese Dämonen mit Alice Phoebe Lou

Alice Phoebe Lou beim New Fall Festival in Düsseldorf

Die Musik von Alice Phoebe Lou sorgt für entspannten Vibe, steht aber auch für bittersüße Melancholie. Auf dem New Fall Festival in Düsseldorf hat die südafrikanische Singersongwriterin und Wahlberlinerin Musik aus ihrem aktuellen Album „Glow“ und ein paar noch unveröffentlichte Songs gespielt. Ein Rückblick.

Hin und wieder erheben sich Menschen von ihren bequemen Stühlen, um kalte Getränke zu holen während des Auftritts von Alice Phoebe Lou und ihrer Band im Ehrenhof des NRW-Forums – Alice Phoebe Lou kommt damit klar. Sie kennt Sitzkonzerte, Clubkonzerte und auch das Musizieren in Fußgängerzonen. Phoebe Lou zog nämlich als Straßenmusikerin lange Zeit durch Europa bevor sie sich in Berlin nieder ließ; vor allem im Mauerpark spielte sie ihre intimen Songs. Die haben mittlerweile viele Fans: Sir Paul McCartney wollte, dass Phoebe Lou einen bisher unveröffentlichten Song von ihm covert; James Blunt wollte sie als Support-Act auf seiner Tour. Letzteres sagte die junge Musikerin ab, denn sie hat keine Lust auf Konzerte in großen Stadien. Mittlerweile hat sie drei Studioalben veröffentlicht und ein Live-Album, das im Berliner Funkhaus aufgezeichnet wurde.

Heute in Düsseldorf ist das Setting anders: hinter uns befindet sich eine große Grünfläche mit hohen Bäumen. Vögel zwitschern, einige Besucher:Innen quatschen leise, weiter entfernt kann man den Feierabendverkehr hören. All das scheint Phoebe Lou nicht zu stören. Die reduzierten Arrangements ihrer Songs sind fast prädestiniert dafür, Sounds aus der Umgebung einzusaugen. So luftig, einladend und unprätentiös klingt ihre Lofi-Musik, die was von Dream-Pop und Jazz hat.

Alice Phoebe Lou beginnt ihr Konzert mit „Only When I“, dem Opener ihres aktuellen Albums. Auf dem liegt heute der Fokus. „Glow“ erschien im Frühjahr diesen Jahres. Ihre Songs hat die 28jährige Musikerin in einem Studio in der Nähe von Dresden aufgenommen, wo sie von Vintage-Equipement und analoger Aufnahmetechnik profitierte. Die Instrumentierung ist schlicht: Bass, Gitarre, Schlagzeug, Keyboard. Mehr brauchen diese Songs auch live nicht. Fast beiläufig und unbeschwert klingt diese Musik. Dabei sind die Texte von „Glow“ melancholisch. Es geht um Einsamkeit, Liebeskummer und fiese Dämonen, die in der Dämmerung aufziehen. Von denen erzählt das tröstende Stück „Dusk“. Die warme Klangästhetik macht deren Anwesenheit aber verträglicher. Synthesizer-Sounds werden hier mit dumpfen Bassläufen verknüpft. Verträumt und sommerlich klingt später auch der Start von „Dirty Mouth“, das im Mittelteil schriller klingt und mehr Tempo annimmt. Phoebe Lou thematisiert hier allerdings sexuelle Gewalt – das erfahre ich jedoch erst später in einem Porträt der Künstlerin beim Radiosender Cosmo, als ich diesen Text hier schreibe.

Und dann wäre da noch das Stück „Mother´s Eyes“, das heute ebenfalls auf der handgeschriebenen Setlist steht. Hier klingt der Vintage-Sound besonders chillig, dabei singt Phoebe Lou über Herzschmerz. „I’m fine getting stoned alone, with all of this time“, singt sie zum Beispiel. Später folgt noch das Bekenntnis: „I’ve got nowhere to go and no one to meet“. Fröhliche Sounds, tieftrauriger Text. Es ist eine bewährte Formel, die sich Phoebe Lou zu eigen macht. Dann folgen bis dato noch unveröffentlichte Songs, die sie alleine performt. „Let Me“ gehört dazu, aber auch das (scheinbar) entspannte „Shake“.

Bei der nächsten Ansage verspricht sich Phoebe Lou: Der Song heißt nicht „End of the world“, sondern „End of the road“. Schmunzeln. Ganz so apokalyptisch ist es dann doch nicht. In der Musik von Phoebe Lou geht es einfach oft darum, die eigene Verwundbarkeit offenzulegen. Mittlerweile ist ihre Band wieder mit auf der Bühne. „It is a heartbreaker“, kündigt Phoebe Lou den Song „How to get out of love“ an. Dessen Motto: Brutal ehrlich sein, auch wenn das Herz bricht. Irgendjemand kauft sich noch eine Apfelschorle.

Auf ihrer Homepage findet man einen Text zum aktuellen Album, das Phoebe Lou in Independent-Manier selbst veröffentlicht hat: „I’ve never spent this much time alone, in one place, or even in the city I live in. It’s confronting living alone in 2020. Friendships changed or evaporated. I dealt with falling in love, heartache and heartbreak.“ Es bleibt ein Verdienst der Musikerin, diese Themen mit musikalischer Leichtigkeit gekoppelt zu haben. Am Ende gibt es noch einen Hoffnungsschimmer: Die tanzbare Upbeat-Nummer „Witches“, di1 2020 auf einem 1-Zoll-Band aufgenommen wurde. Ein schöner Abschluss für ein Konzert, das gerne noch etwas länger hätte dauern können. Aber dafür nimmt man einiges mit: Etwa, dass man lieber ganz genau hinhört, wenn man demnächst wieder Straßenmusiker:Innen begegnet.

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