Sven Kacirek & Daniel Muhuni & Agnieszka Krzeminska - "We have been offended by the world leadership"

Schuldig im Namen der Wirtschaftserpressung

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Daniel Muhuni & Sven Kacirek

Seit einigen Jahren reist der Hamburger Musiker Sven Kacirek regelmäßig nach Kenya für Aufnahmen mit einheimischen Musiker_innen wie Olith Ratego, Ogoya Nengo oder Daniel Muhuni. Auf diesen Reisen wurde sein Interesse für die wirtschaftspolitischen Zusammenhänge zwischen der EU und Afrika sowie den ehemaligen Kolonien in der Karibik und im Pazifikraum geweckt. Sein neustes Projekt beschäftigt sich explizit mit den umstrittenen Verhandlungen zwischen der EU und den AKP-Staaten über ein neues Freihandelsabkommen. 

Sven, das Video zu „We have been offended by the world leadership“ ist quasi das erste Lebenszeichen des neuen Albums, an dem du gerade sitzt, und das auf „The Kenya Sessions“ aufbaut. Kannst du den Ansatz des Albums, an dem du mit Daniel Muhuni arbeitest, kurz skizzieren?
Ich habe vor zwei Jahren in Nairobi zum ersten Mal von dem geplanten Freihandelsabkommen zwischen der EU und den Ostafrikanischen Staaten gehört. Um den Hintergrund kurz in drei Sätzen wiederzugeben: Uhuru Kenyatta, der Präsident Kenias, wollte dieses Abkommen nicht unterzeichnen, da er der Meinung war, das Abkommen werde in erster Linie negative Auswirkungen für sein Land haben. Daraufhin erhöhte die EU schlagartig die Importzölle auf unter anderem Kenianische Schnittblumen und Bohnen, woraufhin viele Betriebe in Kenia pleite gingen. Letztendlich knickte Kenyatta auf Grund dieser Situation ein und unterzeichnete das Abkommen dann doch. Es geht hier also um knallharte Wirtschaftserpressung.
Daniel und ich waren im November gemeinsam mit Agnieszka Krzeminska, die vor Ort die Videoarbeit gemacht hat, in Nairobi. Wir haben uns dort mit Ökonomen, Journalisten, Politikern und Kleinbauern getroffen und diverse Interviews zu diesem Thema geführt. Anschließend haben wir angefangen, die Interviews zu gliedern und zu vertonen. Wir hoffen, dass über die Musik sowohl in Europa als auch in Ostafrika ein paar mehr Leute von diesem Thema erfahren. Das Album erscheint im November als limitierte Vinylauflage und als freier Download bei Pingipung.

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Daniel Muhuni & Sven Kacirek

Wie hat man sich die Situation vor Ort in Kenya vorzustellen, wissen die Leute gut Bescheid über den Verhandlungsstand zwischen der EU und den AKP Staaten über das Freihandelsabkommen?
Nein. Weder in Europa noch in Ostafrika ist dieses Thema in der Öffentlichkeit angekommen. Die Ökonomin Dr. Omolo stellte recht entnervt fest: „Dieses komplexe Thema produziert einfach keine guten Schlagzeilen…“

Wie empfinden es die Leute, mit denen ihr in Kontakt kamt, dass ihr als Künstler euch dieses wirtschaftspolitischen Themas annehmt?
Die meisten unserer Gesprächspartner waren sehr neugierig zu erfahren, wie wir mit dem Material umgehen werden und was daraus entstehen wird. Abgesehen davon waren viele einfach froh, dass sich Leute für dieses Thema überhaupt interessieren.

Wie seid ihr an die Auswahl der Gesprächspartner_innen herangegangen?
Wir haben ungefähr ein Jahr recherchiert und gezielt mögliche Gesprächspartner angeschrieben und angerufen. Wichtig war uns, dass wir auch mit Leuten sprechen, die sich für dieses Abkommen aussprechen. Allerdings gibt es kaum Kenianer, die das Abkommen unterstützen. Und die, die wir angeschrieben haben, waren nicht bereit, uns zu einem Interview zu empfangen. Daher dominiert auf dem Album ganz eindeutig die kritische Stimme.

Was gab den Ausschlag für die Auswahl für den ersten Videoclip?
Zum einen wird dieser Track wahrscheinlich auch der erste Track auf dem Album sein. Zum anderen geht es hier im ersten Teil des Stücks um den Hintergrund dieses Abkommens. Das ist zwar nicht sonderlich spektakulär aber in unseren Augen dennoch wichtig. Im zweiten Teil des Tracks bekommt man einen ersten Eindruck von der Wut der Leute auf die Europäische Handelspolitik und auf die Politik der WTO im Allgemeinen.

Wie bewertest du die Einflussmöglichkeiten, die eine solche Arbeit im Rahmen des G20-Gipfels und darüber hinaus in sich trägt?
Uns ist klar, dass Beyoncé oder Radiohead mit einem ähnlichen Projekt deutlich mehr Leute erreichen würden. Aber darum geht es nicht. Ich denke, es ist wichtig, dass sich jeder – in welcher Nische er auch immer unterwegs sein mag – zu den aktuellen politischen und gesellschaftlichen Prozessen positioniert. Es läuft gerade einfach zu vieles zu sehr schief auf dieser Welt, und ich finde, man muss sich auf irgend eine Art einmischen.
Wobei mir auch klar ist, dass sich die Kritik, die sich durch die Interviews gezogen hat, auch gegen mich persönlich richtet. Ich bin als weißer, in Europa lebender Mann mindestens dreifach privilegiert und profitiere, ob ich will oder nicht, tagtäglich im Alltag von den postkolonialen Strukturen. Das ist zwar bitter, aber es ist nicht von der Hand zu weisen.
Es geht bei dem Projekt nicht darum, einseitige und plakative Schuldzuweisungen auszusprechen. Sondern viel mehr darum, über unsere Musik Leuten eine Stimme und ein Podium zu bieten, von dem aus sie gehört werden.

Sven, wirst du selbst in Hamburg während des G20-Gipfels aktiv sein? Wird die Arbeit wo gezeigt? Wird es Diskussionsveranstaltungen geben?
Nein, ich fliege am Montag nach Nairobi, um mit Daniel die letzten Ton- und Videoaufnahmen zu machen. Wir haben das Projekt zuletzt im Mai beim Berliner Theatertreffen mit einem Konzert und einer Diskussion vorgestellt. Im November und Dezember werden wir dann weitere Konzerte mit diesem Projekt spielen. Wir werden nicht nur in Clubs spielen, sondern auch an Universitäten oder zum Beispiel auch im Iwalewa Haus in Bayreuth. Die verwendeten Interviewfragmente werden während des Konzerts projiziert. Interessierte Clubs, Galerien und Unis können sich gerne noch bei uns melden.
Bedanken möchten wir uns beim Internationalen Koproduktionsfonds des Goethe-Instituts. Ohne diese Unterstützung hätten wir das Projekt nicht in dieser Form durchführen können.

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