Leipziger Buchmesse 2025

Leipziger Buchmesse 2025: Nüchterne Angelegenheit

Buchmesse Leipzig 2025  (Photo: Justus Sartorius)

Als mich unmittelbar nach der diesjährigen Leipziger Buchmesse eine Person, die diese schon häufiger besucht hat, fragte, wie ich die Messe denn in diesem Jahr denn wahrgenommen hätte, erwiderte ich knapp: „als sehr voll.“ Darauf antworte sie, nicht ohne Ironie, und durchaus nüchtern und richtig, dass es doch schön sei, wenn man quasi durch die Messestände gequetscht wird, weil es dann so voll sei, dass man mit niemandem reden müsse. Schließlich ginge es doch primär darum, ein paar Bücher herumzudrehenden und wieder zu verschwinden – und es zu genießen, dass die Messe in einer so tollen Stadt wie Leipzig stattfindet. 

Buchmesse Leipzig 2025  (Photo: Justus Sartorius)

Wenn man Literatur mag und sie einen wichtiger Teil des eigenen Lebens darstellt, gibt es wenig auf dieser Messe, das einen begeistert. Im Gegenteil fühlt man sich, obwohl man von Büchern umgeben ist, ihnen eigentlich ferner denn je. Auf den Ständen wird nicht wirklich ein Klima des Austausches über Bücher kultiviert, und die Bücher selbst sind halt schlicht die bekannten Neuheiten, die in jeder Buchhandlung gekauft werden können. Gut, einige Autor:innen sind anwesend: Angela Merkel, Sebastian Fitzeck und Christian Kracht signieren Bücher, es gibt auch kleine Diskussionsrunden zum Beispiel über irgendwas mit AI, aber auch das zumeist sehr nichtsagend.

In Leipzig gibt es eine ganze Reihe großartiger Antiquariate. Diese zeichnen sich dadurch aus, dass sie viele Bücher aus der DDR verkaufen, die heute teilweise vollständig vergessen, ignoriert und verdrängt werden. In jedem dieser Läden hat man (wohl noch, die Läden können sich schließlich kaum halten) Zugang zu einem näheren, einnehmenden und schöneren Verhältnis zur Literatur als auf der gesamten Messe. Die kleine Ecke für antiquarische Bücher, die es auch auf der Buchmesse gibt, tut es da auch nicht.

Buchmesse Leipzig 2025  (Photo: Justus Sartorius)

Nun ist aber damit eigentlich nicht viel mehr gesagt, als dass es sich um eine Messe handelt und dementsprechend überrascht der Eindruck auch wenig. Es ist fast sogar gut, dass dieses nüchterne, trockene, entfremdende Gefühl noch erfahrbar ist (oder man sich an dieses klammern kann): so spiegelt es das widersprüchliche Verhältnis wider, in dem sich Kunst grundsätzlich zur Verwertungslogik des Kapitals befinden muss. Es ist ein ähnlicher Eindruck wie in einer Reihe wiedereröffneter großer Thalia Buchhandlungen, in denen man das Gefühl hat, man befindet sich auf einen Spielplatz oder in einem Freizeitpark. Alles schreit einen an: Es geht hier um Fun – und da die Grenzen zwischen Unterhaltungsliteratur und “hoher Literatur“ aus durchaus richtigen Gründen (aber jetzt mit falschen Resultaten) eingezogen wurden, ist alles Unterhaltung im schlimmsten Sinn.

Es wundert dabei auch aus ökonomischer Sicht nicht, dass sich die Leipziger Buchmesse in den letzten Jahren auf eine Zielgruppe stürzt, deren freiwillige vollständige Identifikation und Unterwerfung gegenüber der Kultur-Warenwelt zu einem nicht weg denkbaren Ausdruck der eigenen Identität geworden ist. Und so sind in diesem Jahr auch zwei von fünf Hallen voller Stände zum Thema: Manga, Young Adult und Cosplay. Es ist dabei natürlich vollkommen ziellos diese jüngeren sehr Messe erfahrene Bewegungen im Buchmarkt schlicht als abstrus darzustellen und die glorreichen Tage der alten Buchmesse heraufzubeschwören, wie es konservative Feuilletonisten jetzt teilweise tun. Sie aber unhinterfragt als positiven Ausdruck der noch vorhanden Lesefreude der jüngeren Generation zu romantisieren, wird der Realität dabei aber auch in keiner Weise gerecht. Es ist vielleicht am ehesten ein “produktiver“ Impuls, den man aus den eigenen gesammelten Eindrücken mitnehmen könnte, sich intensiver und kritisch mit diesen immer dominanter werdenden Phänomenen zu befassen.

Buchmesse Leipzig 2025  (Photo: Justus Sartorius)

So hat die Literatursoziologin Carolin Amlinger vor einigen Jahren eine weitreichende Arbeit über Geschichte, Ökonomie und Soziologie des Buchmarkts mit dem Titel „Schreiben: Eine Soziologie literarischer Arbeit“ veröffentlicht. In dieser arbeitet sie die adressierten Widersprüche der literarischen Arbeit, die sie als „ästhetisches Wirtschaften“ bezeichnet, sehr treffend heraus. Wenn es ein Buch gibt, zu den einen der Besuch dieser Messe anregen sollte, dann wohl dieses.

Es fällt sehr schwer, hier klassisch zu berichten. Selbst über lesenswerte Bücher, die ausgestellt wurden, wie Éric Pineaults „Die soziale Ökologie des Kapitals“ (Karl Dietz Verlag), oder auch der neue Roman von Natasha Brown, „Von allgemeiner Gültigkeit“ (Suhrkamp), wie viele weitere sicherlich spannende Bücher aus dem diesjährigen Gastland Norwegen, ließe sich einiges schreiben, was aber nichts mit der Messe zu tun hat. Es sind Bücher, die zum Glück nicht an den Kontext dieses Ortes gebunden sein müssen – die im besten Fall sogar völlig fehl am Platz sind, wäre es doch schöner , sie nicht in dieser überfüllten Halle zu entdecken, aufzuschlagen und zu lesen.

Der mit Abstand noch interessanteste Stand war auch nicht ohne Zufall einer, der sich mit einem instrumentellen Verhältnis von Büchern in ihrem ökonomischen Kontext auseinandersetzt hat. Kunstklassen der HGB Leipzig verkauften am Stand für ein Studium für Grafik und Buchkunst vollständig angefertigte und auch jeweils überspitzt angepasste Bewerbungsmappen für Kunsthochschulen. Drei wurden schon verkauft, wurde mir gesagt und alle drei werden auch noch eingeschickt. Das ist lustig.

Buchmesse Leipzig 2025  (Photo: Justus Sartorius)

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