TransCentury Festival: “Unbekannten eine Chance geben und versuchen Genregrenzen zu unterlaufen”
In Leipzig findet zwischen dem 14.11. und 17.11.2024 das TransCentury Festival statt. Kaput berichtete bereits über das erstklassige Booking. Kurz vor den ersten Auftritten waren die beiden Hauptverantwortlichen und Booker:innen des Festivals, Almuth und Kirmes so nett sich Zeit für ein Interview zu nehmen.
Kirmes, Almuth, nehmt die Kaput-Leser:innen mit an den Nukleus des TransCentury Festivals? Wann und wann kam die Idee auf?
Almuth: Nachdem wir für eine ganze Reihe Konzerte gut zusammengearbeitet hatten und Kirmes mir mitteilte, dass er künftig nicht mehr selbst veranstalten wird, stellten wir fest, dass wir trotzdem Lust haben, weiter Sachen zusammen zu machen. Das Festival war dann irgendwann die gewählte Form…
Kirmes: Ja, nachdem ich damals noch unter dem Namen „Eine Welt aus Hack“ 3 Abende hintereinander The Notwist im UT Connewitz veranstaltet hatte und fest entschlossen war, keine weiteren Konzerte mehr selbst in Leipzig zu veranstalten, blieb doch ein Gefühl der Leere und Melancholie, vor Allem in Anbetracht der schönen und stets unkomplizierten Zusammenarbeit mit dem Team des UT Connewitz. Almuth und ich haben verabredet, dass wir dann in anderer Form etwas zusammen machen wollen, und die Idee des Festivals ist so langsam gewachsen.
Ganz ehrlich, würdet ihr noch mal anfangen, wenn ihr gewusst hättet, wie steinig der Weg ist, ein Festival auf die Beine zu stellen?
Almuth: Ja, denn nach wie vor macht es Spaß, eine Leidenschaft mit anderen zu teilen. Und: Leipzig hat kein ähnliches Festival.
Kirmes: Ja, solange es Spaß macht, schon. Und ich glaube, dass das auch das schwierigste an so einem Festival ist: Nicht zu vergessen, warum man es eigentlich macht. Sobald man das vergisst, wird Spaß zu Druck und Druck zu Stress, zwei eher schwierige Gefühle, mit denen sich so eine Art von Veranstaltung schwer umsetzen lässt.
Was ist die größte Herausforderung?
Almuth: Es ist schwer die eine, größte Herausforderung zu definieren – viele Dinge auf dem Weg zu einem Festival sind extrem herausfordernd. Jede Veranstaltung mit mehr als drei Bands ist schon kommunikativ eine Herausforderung und ein Prozess. Es ist nicht leicht einen solchen Prozess neben unseren eigentlichen Jobs kontinuierlich in Gang zu halten, das Team gut einzubinden und am Ende etwas Gutes „abzuliefern“. Das begrenzte Budget ist auch immer wieder herausfordernd. Hinzu kommen externe Einflüsse. So haben uns zum Beispiel politische Grabenkämpfe, die im Kulturbereich sehr vehement geführt werden, zuletzt einiges an Kraft gekostet. Außerdem hat über die letzten Jahre die Verbindlichkeit zwischen Agenturen, Künstler*innen und Veranstaltenden abgenommen. Wenn wir im März einen Vertrag machen, bedeutet das noch nicht, dass dieses Konzert im November dann auch tatsächlich stattfindet.
Kirmes: Ich stimme Almuth da in allen Punkten zu. Es gibt nicht „die größte Herausforderung“, es ist die Gesamtheit an individuellen Herausforderungen, die es schwer macht, eine Veranstaltung wie die unsere durchzuführen. Für mich persönlich besteht aber neben den von Almuth genannten Punkten eine Herausforderung darin, motiviert zu bleiben und im Irrgarten der Herausforderungen auch zu sehen, dass wir etwas erschaffen haben, was es in der Form in unserer Stadt nicht gibt und wir auch Stolz auf uns und unsere BesucherInnen und UnterstützerInnen sein können.
Und damit Schwenk zu den positiven Aspekten: Was macht am meisten Spaß am Festivalmachen?
Almuth: Besonders schön ist es, wenn das, was man sich so überlegt hat, auch tatsächlich aufgeht und man spürt, dass am Ende weit mehr steht als die Summe der einzelnen Teile. Außerdem macht die enge Zusammenarbeit mit dem Festivalteam super viel Spaß – das ist einfach eine inspirierende Gruppe!
Kirmes: Für mich ist es am schönsten, in den Momenten, in denen das Festival dann läuft, in einem unserer Festival-Venues zu stehen und für ein paar Minuten einem Konzert zu lauschen und zu sehen, dass das, woran man jetzt Monate lang gearbeitet hat, am Ende auch funktioniert und Realität geworden ist.
Das Festival findet in den Locations UT Connewitz, Conne Island, Werk2 – Halle D, Cammerspiele Leipzig, Ilses Erika und dem Tschoch statt – sechs namhafte Konzertorte, die man weit über die Grenzen Leipzigs kennt. Wie empfindet Ihr den Status Quo der Leipziger Szene derzeit?
Almuth: Da gibt es viel Bewegung, viel Spannendes zu entdecken auch außerhalb der etablierten Konzertorte. Aber die Szene ist auch unter Druck. Gerade noch wenig bekannte Acts haben es schwer, den Sprung auf größere Bühnen zu schaffen. Die Freiräume und die Möglichkeiten einzelner Akteure, finanzielle und auch inhaltliche Risiken einzugehen werden gefühlt kleiner.
Kirmes: Alles bewegt sich, die Szenen verändern sich die ganze Zeit, neue Orte kommen, alte Orte gehen. Es ist schön, aber auch immer wieder schwierig. Bis vor kurzem hatte ich das Gefühl, dass es in Leipzig eine gewisse Ausgeglichenheit gibt, aber gerade empfinde ich, dass es mehr schwierige als positive Entwicklungen gibt. Ich bin mir sicher, dass sich das auch wieder ändern wird. „Die Leipziger Szene“ gibt es auch, so glaube ich nicht. Meiner Meinung nach gibt es viele kleine Szenen, was für mich und auch generell für die kulturelle Diversität der Stadt sehr schön ist. Ich kann mir aber vorstellen, und das kann ich auch nur aus meiner eigenen Haltung heraus sagen, dass der Wunsch nach einer gemeinsamen Leipziger Szene wieder wachsen sollte.
Was sind die größten Stärken der lokalen Community?
Almuth: Es gibt wenig Konkurrenzdenken untereinander, man agiert eher unterstützend – in unserem Falle unter den Venues, innerhalb der Crew…
Nach wie vor gibt es in Leipzig viele Ideen und Menschen, die immer wieder neue Impulse setzen. Am Lindenauer Hafen wird aus der Community heraus ein neues Kunst- und Kulturquartier geplant. Hier in Connewitz ist das Tschoch an den Start gegangen, dessen Crew regelmäßig Konzerte veranstaltet… man könnte viele weitere Beispiele nennen.
Kirmes: Man kennt sich, man schätzt sich, und man unterstützt sich. Ich denke, dass das in der Form für Leipzig recht einzigartig ist.
Was sind die vehementesten Herausforderungen, mit denen sich die Community konfrontiert sieht?
Almuth: Große Herausforderungen liegen im Gesellschaftlichen: wie kann es gelingen, den allgemeinen Spaltungstendenzen kulturell etwas gegenüberzustellen und die Dinge zu betonen, die wir gemeinsam haben? Wie können wir die noch vorhandenen Freiräume erhalten? Eine weitere Herausforderung ist die Finanzierung kleinerer Konzerte, die meist von einzelnen Akteuren getragen wird und die zuletzt immer schwieriger geworden ist – hier bräuchte es neue Ideen für eine niedrigschwellige Förderung von DIY Kultur.
Kirmes: Ich denke, dass die größte Herausforderung darin besteht, sich das, was die Stadt und ihre unterschiedlichen Szenen geschaffen haben, zu erhalten und weiter auszubauen.
Gibt es eine Art Role Model Festival für das TransCentury Festivals?
Almuth & Kirmes: Es gibt einige Festivals, deren Kuration wir super spannend finden – aber ein Rolemodel im eigentlichen Sinne haben wir für das Festival nicht. Die Voraussetzungen sind ja meist ziemlich unterschiedlich.
Ich zitiere Euch selbst, dem TransCentury geht es darum, “Genre-Grenzen zu überwinden, in unbekannte musikalische Sphären einzudringen, sich überraschen zu lassen und dem Unbekannten eine Chance zu geben.”
Da fragen wir doch mal nach: Welche Genre Grenze habt ihr zuletzt überwunden? In welche unbekannte musikalische Sphäre seit ihr zuletzte eingedrungenß Was hat Euch zuletzt überrascht? Und last but not least: Wann habt Ihr zuletzt dem Unbekannten eine Chance gegeben und was war es?
Almuth & Kirmes: Mit unserem Konzept, dass nicht auf große Namen baut, geben wir immer wieder dem Unbekannten eine Chance und versuchen Genregrenzen einfach zu unterlaufen. Innerhalb des Festivals wollen wir verschieden Räume schaffen für Künstlerinnen und unsere Venues auch mal konträr zu dem bespielen, was man dort sonst so erwarten würde. Dadurch entsteht im besten Falle ein interessanter Mix, der die Besucher*innen positiv herausfordert.
Was sollte man in Leipzig abseits der TransCentury Konzerte sehen, wenn man schon mal da ist?
Almuth: Man sollte sich Zeit nehmen und ein bisschen durch die verschiedenen Viertel treiben lassen. Eigentlich gibt`s an jedem Wochenende eine ganze Menge Kultur zu entdecken. Wenn man sich nach einem langen Abend eher ein bisschen durchatmen möchte, kann man einen ausgedehnten Spaziergang durch den Auwald machen, der sich durch die ganze Stadt zieht. Falls man dabei zufällig am Caracan vorbeikommt – unbedingt abbiegen und Paella essen!
Kirmes: Leipzig hat durch seine großflächigen Parks und Connewitz durch die Nähe zum Auwald einige schöne, leicht erreichbare grüne Ausflugsziele. Wer weitere Wege nicht scheut, sollte unbedingt einen Ausflug zum Pekar in den Westen der Stadt machen, dort gibt es großartige Pizza und saisonale Vorspeisen (Nur abends und nicht am Sonntag).
Und wo sollte man sich für das Festival am besten stärken? Und mit was?
Kirmes & Almuth: Da gibt es auf dem Weg zwischen den Festivalorten einige Möglichkeiten. Kuchen im deli ist zum Beispiel. immer eine gute Option!