Interview / Videoclip Premiere

SYD & SINGER: Die Freiheit, alles zu machen

Syd und Singer

Wer unseren Kaput Podcast regelmäßig verfolgt, der weiß, dass dieser ohne das sensible Schnitttalent von Azhar Syed nie on air gehen würden. Folge um Folge weiß er aus den mal mehr mal weniger professionellen Aufnahmen von Linus und mir das beste herauszuholen. Das mag zwar herausfordernd für ihn sein, künstlerisch befriedigend ist es sicherlich aber nicht, und so wunderten wir uns nicht, dass Azhar, der ja in der Vergangenheit bereits mit unter anderen Vimes zu überzeugen wusste, mit Syd & Singer ein neues musikalisches Projekt ins Leben gerufen hat.
Wir freuen uns sehr, heute den ersten Track mit zugehörigen Video präsentieren zu dürfen. Bald schon wird die gesamte EP online zu hören sein. 


Wie haben sich Syd & Singer gefunden?

Matthias: Wir kennen uns über unsere Projekte Vimes und Albert Luxus mit denen wir schon zusammen auf verschiedenen Bühnen gespielt haben. Azhar ist irgendwann auch Teil der Albert Luxus Liveband geworden und hat sich um die elektronischen Parts gekümmert.
Durch die enge Zusammenarbeit und das gemeinsame Interesse an Soundtracks ist dann die Idee entstanden, uns zusammen als Duo an Instrumentalmusik zu wagen, die mit oder ohne Bewegtbilder funktioniert. Da erstmal keine Filmprojekte anstanden, fingen wir an, eine Art Demoreel zu machen, der sich immer erweiterte und dann letztlich zu unserer EP “Gates” geführt hat.

Ihr veröffentlicht Eure Debut EP auf der Kölner Indie Institution Papercup Records beziehungsweise deren Sublabel Breezzze. Welche Rolle spielt das Label und die anderen Künstler:innen für Euch in Eurem musikalischen Alltag?

Matthias: Papercup Records ist für mich eine spannende Quelle für Musik aus unterschiedlichen Genres mit denen ich durch meine Hörgewohnheiten sonst weniger in Berührung komme. Ich bin ziemlich dankbar, davon zu profitieren und auch neuerdings Teil der Gemeinschaft zu sein.

Azhar: Die letzte Vimes-EP wurde über Papercup veröffentlicht. Die Zusammenarbeit war sehr angenehm und als die Tracks mit Matthias etwas konkretere Formen annahmen, bot es sich unter anderen an, bei Steddy und Keshav Feedback einzuholen, um das Ganze in einen Veröffentlichungskontext zu stellen. Außerdem hat gefühlt die Hälfte unseres musikalischen Bekanntenkreises mit dem Label zu tun und es ist immer wieder schön, alle auf Veranstaltungen und Labelabenden zu treffen. Diesen Gemeinschaftsaspekt schätze ich sehr.

Es ist kein Zufall, dass ihr neben Euren klassischen Musikveröffentlichungen auch Auftragsarbeiten für Film sowie Kunst- und Multimedia-Installationen produziert. Eure Musik ist sehr sphärisch, oft von geradezu entrückter Natur. Könnt ihr ausführen, was ihr in Eurer Musik für Euch sucht?

Matthias: Ich mag darin die Freiheit, mir keine Gedanken über Texte machen zu müssen und mir damit den Druck zu nehmen, über den Gesang Emotionen zu transportieren. Das kann über Instrumentalmusik teilweise sehr viel berührender sein, da der Fokus, gerade bei deutschsprachiger Musik nicht auf den Bildern liegt, die suggeriert werden und dadurch weniger Ablenkung stattfindet.

Azhar: Dem stimme ich zu. Zudem gibt man mit den Lyrics beziehungsweise dem Gesang irgendwie auch ein wenig vor, wie sich die Zuhörer:innen fühlen sollen. Wenn man das weglässt, hat man zwar einerseits die Freiheit, alles zu machen, aber gleichzeitig muss man sich umso mehr bemühen, innere Bilder, Stimmungen und Worte zu erzeugen.

Wie hat man sich den künstlerischen Dialog mit den eben angesprochenen Kollaborationspartner:innen vorzustellen?

Das ist ganz unterschiedlich. Bei Kollaborationen ist aber eine Sache immer gleich: Man sollte oder eher muss sich im Idealfall dem Endresultat unterordnen. Bedeutet, dass man natürlich die eigene “Essenz” unterbringt und die der anderen zulässt, aber zu jeder Zeit weiß, dass beispielsweise das Theaterstück oder der Film im Fokus steht und nicht, für wie virtuos oder technisch versiert man sich hält.

Der Videoclip zu „90 Minutes“ entführt uns visuell kongenial passend in die Wüste nach Kalifornien und das ländliche Island – beides Landschaften, die oft mit dem Mond oder anderen nicht irdischen Topographien verglichen werden. Wie kam es zu dem Clip?

Matthias: Das Material stammt von Urlaubsreisen und wartet schon seit zehn Jahren auf einer Festplatte darauf, verarbeitet zu werden . Ich habe immer mal wieder versucht, es in unterschiedlichen Musikvideos unterzubringen. Hat sich dann aber erst mit 90 Minutes zu einem stimmigen Werk zusammengefügt, was auf Anhieb gepasst hat und auch kein großer Aufwand beim Schnitt war. Lohnt sich dann also doch, altes Material aufzubewahren und den richtigen Moment abzuwarten.

Wo findet man die „Gates“, von denen der Titel des zweiten Stücks erzählt? Und was findet sich hinter diesen?

Dahinter verstecken sich die Möglichkeiten und Wege die man sich aus diversen Gründen und Einschränkungen verwehrt und verbaut, oder verbaut bekommt. Vielleicht aus Angst oder Unwissenheit, oder weil man einfach am falschen Ort geboren und aufgewachsen ist.
Vielleicht ist es aber auch nur ein profaner Teil eines technischen Aspekts in der Audiobearbeitung der Klavieraufnahme, der uns den Titel beschert hat.

Ein anderes Stück der EP trägt den Titel „Trickle Down Economics“ und verweis auf die sogenannte Trickle Down Theorie, nach der Wohlstand durch steten Konsum und Investitionen in den unteren Schichten der Gesellschaft ankommt. Wie kam es zu dieser starken soziopolitischen Aufladung des Stücks über den Titel, die ja geradezu anti-thesisch zur sonstigen Grundstimmung des Projekts steht?

Das haben wir im Nachhinein tatsächlich auch überlegt. Man kann das vielleicht als unbewusste Reaktion auf Aktuelles verstehen. Der Rückgriff auf einen absurden Begriff oder ein absurdes Konzept aus der Vergangenheit, das aber leider in der Zwischenzeit irgendwie Realität wurde.

Was sind die nächsten Pläne?

Wir haben vor kurzem unseren ersten Filmscore zu einem Dokumentarfilm von Claudia Sárkány machen dürfen, was sehr angenehm war. Daran würden wir gerne anschließen. Skizzen für neue Stücke gibts auch zu genüge. Da sitzen wir bereits dran.

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