Konzertkritik: King Hannah im Gebäude 9 (21. September 2024)

 “Im bestmöglichen Sinne lähmen”: King Hannah

King Hannah (Foto: Marisa Eul Bernal)

Mit ihrem roten, kostümartigen Rüschenkleid steht Hannah Merrick in der Bühnenmitte, erinnert an eine Femme Fatale, wirkt also zerbrechlich und gleichzeitig so, als würde man sie nicht zum Feind haben wollen. Umgeben wird sie von einem brachialem, leicht dissonanten Lärmchaos aus ultraverzerrten Gitarren und kloppenden Drums. Wir halten schonmal fest: Dieser Konzertabend im Gebäude 9 war ebenso zart wie geprägt von, ich sag mal, feinster Krachmacherei – eine Mischung, die Merrick gekonnt verkörperte.

Gegründet wurden King Hannah als Duo, stehen im Gebäude 9 aber zu viert auf der Bühne. Wer den Kern dieser Gruppe ausmacht, ist jedoch nicht zu übersehen: Neben der Frontsängerin Hannah Merrick stellt der überragende Gitarrist Craig Whittle einen ebenso integralen Teil von King Hannah dar. Ständig tobte er sich aus, schockte mit rausgequetschtem Gedröhne und wickelte die Zuschauer im nächsten Moment in eine kuschelige Decke aus zuckersüßen Melodien ein. Schiefe Noten scheinen für Whittle keine Fehler, sondern willkommene Experimente zu sein. Dabei ist sein Gitarrenspiel – es ist frei und doch klar definiert – nie verstörend oder befremdlich. Zu keinem Zeitpunkt fiel es irgendwem schwer, diese Musik zu genießen.

King Hannah stammen aus Liverpool (eine Beatles-Anspielung hat der talentierte Support-Act Jess Ribeiro bereits gemacht, deshalb sparen wir uns das). Allerdings scheint die Band sich vielmehr an US-amerikanischer Musik zu orientieren, wie schon The Rolling Stones oder andere Briten vor ihnen. Zwischendurch schimmerten also Country-Einflüsse durch, vor allem hatte das ganze etwas Blues-ähnliches: Häufig besteht die Musik von King Hannah aus simplen und repetitiven Arrangements, die kaum auf sich aufmerksam machen und einen im bestmöglichen Sinne lähmen – bis sie dann völlig aufbrechen. Indie-Fans mittleren Alters, aus denen das Publikum im Gebäude 9 hauptsächlich bestand, könnte das an PJ Harvey erinnert haben. 

Es war nur Konsequent, dass King Hannah außerdem einen Song des wohl amerikanischsten aller Rockstars coverten: „State Trooper“ von Bruce Springsteen. Sie machten ihn sich komplett zu eigen; denn wo Springsteen in seiner Originalversion minimalistisch bleibt, brachten King Hannah den Song zum explodieren. Ein Fan aus dem Publikum wünschte sich das Cover, die Band hatte ihn vorher nicht geübt – der Höhepunkt einer charmanten Dynamik, die Merrick mit ihrem Publikum hatte. Im Laufe des Abends wurden gleich mehrere Running Gags etabliert. 

Humor spielt bei King Hannah ohnehin eine Rolle. Die wirren Songtexte von Hannah Merrick, die sie mit ihrem halbironischen Sprechgesang vortrug, sorgten für ein ständiges Grinsen im Publikum. So beschreibt sie im Highlight „New York, Let’s Do Nothing“ ein eher mies verlaufenes Jobinterview. “He said, ‘So tell me something about you’/I said, ‘Well I’m a singer, musician too’/He said, ‘Oh no, not another one.’”. Ihre Vortragsweise hatte etwas Desillusioniertes, im Sinne von: Was mach ich hier eigentlich? Wo bin ich? Wer seid ihr überhaupt? 

Oft schien ihr Sprechgesang losgelöst vom restlichen Arrangement zu sein, doch immer wieder tauchten Momente der auflösenden Harmonie auf: Wie im wundervollen Song „Davey Says“, in dem Hannah Merrick und Craig Whittle gemeinsam singen – oder in dem Weihnachtssong „Blue Christmas“, mit dem King Hannah die Show beendeten.

Zum Schluss gewann die Zärtlichkeit.

 

 

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