Princess Chelsea / Tenniscoats / Twin Drugs
Princess Chelsea
„Everything Is Going To Be Alright”
(Lil’ Chief/Cargo)
Drei Bands, die erst einmal nur den Release Date ihrer neuen bzw. im Fall der Tenniscoats wiederveröffentlichten Alben, gemein haben. Aber: Begriffe wie Shoegaze, Dream Pop, Sad Core, Psychedelia und das unvergessliche ‚Genre‘ Indietronics des nicht nur „De:Bug“-Kollegen Jan-Ole Jöhnk stellen hier verbindende Fäden her.
Princess Chelsea bekam ihren Namen angeblich auf Tour mit ihrer Band Teen Wolf aus Auckland, bevor sie sich weitere Berühmtheit u.a. mit The Brunettes und dann vor allem solo und als Produzentin erarbeitete. Ihr neues Album klingt mehr nach Post Grunge als nach Kiwi Pop, höre den Titelsong. Eine gewisse Morbidität ist in Chelseas Songs nicht zu leugnen, auch scheinen zuckersüße Grandezza-Melodien und -Melancholien einer wichtigsten und nur kurzzeitig größeren Erfolg feiernden Bands durch: Mark Lanegans Screaming Trees, deren „Buzz factory“ (1990) die logische Verbindung zwischen Nirvanas Mitreißen, Dinosaur Jr.s Krach und Tads Punk Metal her- und darstellte. Wobei die Prinzessin hier mit fast schon flockigen Mini-Hits wie „Love Is More“ auch Nähe zu Fazerdaze oder Japanese Breakfast zeigt und Chelsea einfach viel zu YouTube- und TikTok-affin für diese Vergleiche v.a. mit den älteren Bands scheint. Wie auch immer, „Time“ ist ein tröstendes „nervous breakdown album“, wie es Chelsea laut Info selbst nennt. Wahrlich keine schlechte Idee in ultranervösen und angespannten Zeiten – westlich geprägte Privilegiertheit hin oder her.
Ihr fünftes Album bringt 1980er Synth, Girl Group, Twin Peaks und Grunge Pop auf den schillernden Nenner. Ab geht’s immer schön bergab mit „I Don’t Know You“. Um dann umso spektakulärer ozeanisch wiederaufzuerstehen: Ein Song, der in meiner Inselsong-Audiothek gleich neben „Yomigaeru“, der wundervollen Kooperation der Pastels und Tenniscoats auf dem 2009er-Album „Two Sunsets“, gehört; wenn dort auch ohne Gitarren-Krach.
Tenniscoats
„Tan-Tan Therapy (2022 Remaster)”
(Morr Music/Indigo)
Wobei dieser auch bei dem japanisch-mondänen Duo durchaus angestimmt wird, etwa in dem ansonsten sehr liebevollen „Oetsu To Kanki No Nanoriuta“. Wenn Indietronics auf Musiker*innen zugetroffen hat, dann neben The Notwist und Lali Puna beinahe noch mehr auf die Tenniscoats, da sie noch verwaschener und entrückter waren als ihre deutschen Begleitenden. Nicht zuletzt durch das Berliner „Moor Music“-Label gab es zahlreiche, auch personelle und projekthafte Überschneidungen und Allianzen. Nun ist das 2007er-Album „Tan-Tan Therapy“ als Remaster mit Bonus Material und erstmals auch als Vinyl erschienen, „Papa’s Ear“ aus 2012 soll folgen. Die japanischen Indie-Helden nahmen seinerzeit einige Alben zusammen mit dem schwedischen Postrock- und Produzenten-Trio Tape auf, die erst richtig zu diesem minimal-fragilen Folkotronica führten. Immer kurz vorm Niedlichwerden oder Abrutschen. Das liegt hier nah beieinander, auch dank Sayas zurückhaltendem Gesang. Höre bitte auch „Baibaba Bimba“, was für ein folky Großstück der Kleinmütigkeit featuring Mundharmonika und Saxophon, schon seinerzeit. Da sind anti-bombastische, scheue Kammer-Orchestralitäten wie von Robert Wyatt, Red Krayola oder Epic Soundtracks mittendrin in der ureignen Klangwelt der Tenniscoats.
Twin Drugs
„In Now Less Than Ever”
(Crazysane/Broken Silence)
Deutlich klarer und unbescheidener treten Noise, Feedback und Reverb bei den Twin Drugs aus Richmond (Virginia/USA) um den Songwriter, Sänger und Gitarristen Blake Melton, Alex Wilson an Drums und Electronics sowie Christian Monroe am Bass zu Tage. Gleichwohl bedeutet das noch keine (manchmal zu) breiten Beine à la Monster Magnet oder A Place To Bury Strangers. Eher stürmisch-laute leichte Zurückhaltung, auch beim Aufdemkopfstehen. Eben mehr Spacemen 3, Loop, Lush und My Bloody Valentine. Letztere werden mir teilweise zu sehr abgefeiert, waren sie doch anfangs wirklich eher unaufregend, arg Jesus & Mary Chain, ohne dies zu sein, und eigentlich erst mit „Isn’t Anything“ (1988) und ihrer Sonic Youth-Lektion sowie kultürlich den späteren Leier-/Layersound-Philosophien begeisternd. Auch bei den Twin Drugs sind Verfall unserer (post-)modernen Welten und Distortion jedweder Art offen(hör)bar das große Thema. Pop als Seismograph nun eben.
Zwischen 1:22 Min. bis zu 7:14 Min. dauern die schleichend-schleifenden Eruptionen hier, manchmal sehr geschichtet spät-Valentine’sch wie in „Ash Candied Cough“ oder „World Fell Off“, mal auch irgendwie eckiger und anders, sehr psychedelisch wie in „We Went Our Heaven“. Dann wieder lassen die Flaming Lips in schwarzweiß grüßen auf „Dust Worship“. Aber jede Generation darf das ja mit Fug und Recht für sich selbst alles entdecken, beurteilen und ggfs. anfangen, zu diggen.
Das zweite Album der Twin Drugs integriert dabei sehr wohl zahlreiche Effekte und Instrumente wie auch die anderen beiden verträumt-ernüchternden hier besprochenen Alben von Princess Chelsea und Tenniscoats. Alle drei Alben sind keine Abfeierei des schönen Lebens und auch kein Eskapismus in selbst erfundene Heimat- oder durchgeknallte, gefährliche Drogen-Welten. So unterschiedlich ihre Zeiten, Zugänge, Ideen, Umsetzungen und Haltungen auf den ersten Hör erklingen mögen. Bei genauerem Beschäftigen sind sie sich doch ähnlich und füllen sie einen etwas einsamen Feiertagsnachmittag ohne das rauschende Meer zumindest ansatzweise