Dirty Projectors “Sing the Melody”
Dirty Projectors
“Sing the Melody”
(Domino Documents)
„Sing the Melody“, das eigens für die Domino-Documents-Session-Reihe aufgenommenes Acht-Track-Album der Dirty Projectors, ist ein prima Weihnachtsgeschenk für Seiteneinsteiger ins Oeuvre der Band aus Brooklyn, also zum Beispiel für mich. Ich weiß gar nicht genau warum, aber bislang hatte ich David Longstreths Schaffen wenig Beachtung geschenkt. Vielleicht liegt es daran, dass er mal gesagt hat, dass er Steely Dan nicht mag. Aber er mag auch die Musik von Yes und Frank Zappa nicht, was mich weitaus weniger stören würde. Dirty Projectors kamen mir wie ein überkandideltes „Projekt“ vor, weniger wie eine Band, die Liste der ehemaligen Mitglieder ist ewig lang und unübersichtlich, es befinden sich Leute wie Ezra Koenig und Larkin Grimm darin, und es erschließt sich nicht, wer außer Longstreth himself die Fäden zieht/zog.
Inzwischen gehören außer Longstreth – zumindest nach dem letzten Album „Lamp Lit Prose“ – Maia Friedman (Gitarre, Keyboards, backing vocals), Felicia Douglass (Percussion, Keyboards, backing vocals), Kristin Slipp (Keyboards, backing vocals), Nat Baldwin (Bass, Keyboards), and Mike Daniel Johnson (Drums) zur Band. In dieser Besetzung entstand auch „Sing the Melody“, der Albumtitel zitiert eine Zeile aus dem Song „Right Now“, der die Session eröffnet und sofort eine so feierliche wie abgefahrene Stimmung aufziehen lässt. Das ist Soul, das ist Gospel, aber auch nicht zu heilig und sakral – eher so, als hätten die Talking Heads ein Album in einer Kirche aufgenommen. Apropos: Mit „Knotty Pine“ ist tatsächlich eine gemeinsame Komposition von Longstreth und David Byrne vertreten, die vor gut zehn Jahren für die Compilation „Dark Was the Night“ der Red Hot Organization aufgenommen wurde.
Gut die Hälfte der „Melody“-Songs stammt vom aktuellen Album „Lamp Lit Prose“, die in den Session-Versionen runder, flüssiger und weniger verkopft wirken. „Cool Your Heart“ vom gleichnamigen Album (2017) bekommt sogar ein ganz neues Arrangement mit crazy Wurlitzer-Solo im Mittelteil, während der Rihanna & Paul McCartney & Kanye West-Hit „FourFive Seconds“ rockiger und handfester klingt als das Original, das Longstreth übrigens mit komponiert hat. Angesichts dieser Fakten und der rundherum upliftenden Session überdenke ich meine Beziehung zu den Dirty Projectors und empfehle „Sing the Melody“ als alternative Weihnachtsplatte.