Father John Misty “God’s Favorite Customer”
Father John Misty
“God’s Favorite Customer”
(Bella Union / Rough Trade)
Erinnert sich noch jemand daran, dass Josh Tillman vor langer Zeit und als eine Art geplantes Stimulations-Intermezzo zwischen seinen Soloproduktionen mal der Schlagzeuger der Neo-Folk-Band Fleet Foxes war? Ich werfe das hier in die Runde, da auf dem vierten Father John Misty Album – mit feinem Gespür für den endzeitlichen Status des Kapitalismus in der Welt “God’s Favorite Customer” betitelt – eine gewisse Annährung an deren Faible für zarte, Beatles-eske Melodien festzustellen ist. Oder um es drastischer zu sagen: Musikalisch deutet wenig bis nichts mehr hin auf den Enfant Terrible Crooner Father John Misty, der vor allem mit seinem Album “I Love You, Honeybear” 2015 so überraschend zynisch über uns hereinbrach.
Tillmans Texte sind zwar im Kern ihres Wesens noch immer gespeist von seinem kritisch-spöttischen Blick auf die Welt (Highlights: “Just Dumb Enough To Try” und “Disappointing Diamonds Are The Rarest Of Them All”), doch weder mit diesem ungebremsten lyrischen Jive ausgestattet noch eingebettet in den wilden performativen Gestus jener gar nicht so lange vergangenen Tage. Stattdessen wird der Vibe auf “God’s Favorite Customer” leider etwas zu sehr dominiert von der neuen soften Ausrichtung der Songwriterfähigkeiten von Father John Misty. Er steht mittlerweile einem Rufus Wainwright näher als Nick Cave. Oder, um es mit den Beatles zu sagen: “God’s Favorite Customer” schmiegt sich zumeist an “Let it be” an und zu selten an “Magical Mystery Tour”. Das mag jetzt als Kritik erstmal seltsam klingen, da noch immer bestes Referenzen, und vorallem da dabei jede kleine Geste sitzt, die Songs gleichermaßen in sich ruhen und reizvoll ausstrahlen. Aber es hilft eben alles nichts, am Ende vermisst man trotzdem die Unberechenbarkeit in der aktuellen Father John Misty Inkarnation.
Thomas Venker
Der Text ist in einer leicht modifizierten Form zuerst in der Print-Version der Kölner Stadtrevue erschienen.