Record of the Week

L7 “Scatter the Rats” (Blackheart)

L7
“Scatter the Rats”
(Blackheart)

Vor gut vier Jahren manifestierte sich, woran kaum jemand glaubte: Die Reunion von L7 morphte vom Gerücht zur Realität. 2017/18 veröffentlichte die Band tatsächlich zwei neue Songs :„Dispatch from Mar-a-Lago“ und „Came Back to Bitch”. Wild, wütend und furios wie immer klangen sie, yeah, die Anti-Riot-Grrrls aus Los Angeles waren wieder da! Denn auch wenn Donita Sparks, Suzi Gardner, Jennifer Finch und Dee Plakas eindeutig feministische Aktionen anzettelten wie die Rock for Choice-Organisation inklusive mehrerer Festivals Anfang der Neunziger sahen sie sich nie politsch motiviert -–„die Riot Grrrls waren so ernsthaft, und wir hatten eine Menge Spaß“, Zitat Gardner.
Wobei L7 ihre eigenen Kämpfe ausfochten: Grunge hin oder her, auch in den späten Achtzigern und frühen Neunzigern war eine komplett weiblich besetzte Hardrock-Band eher selten, dementsprechend feindselig begegnete ihnen oft das (Macho-) Publikum – unvergessen Sparks’ Tampon-Wurf in einen Macker-Mob mit anschließender Beschimpfung der Crowd. Nach unzähligen Tourneen, Filmauftritten und permanent verpasstem Superstardom erklärten die erschöpften Musikerinnen im Jahr 2001 ihre Mission für beendet – bis circa 2015.

„Scatter the Rats“ ist L7s siebtes Album, das erste nach gut zwanzig Jahren in oben genannter Besetzung, veröffentlicht auf Joan Jetts Label Blackheart. Und leider – man muss es gleich so sagen – sind „Dispatch from Mar-a-Lago“ und „Came Back to Bitch“ nicht drauf. L7 kokettierten schon früher gern damit, „nur eine solide Hardrock-Band“ zu sein, und tatsächlich klingen sie auf „Scatter the Rats“ überwiegend genau so. Natürlich ist es sinnlos, irgendwelchen „guten alten Zeiten“ hinterherzutrauern, aber das Überwältigende an L7 waren nicht die „soliden“ Riffs oder Reminiszenzen an Vorbilder wie Black Sabbath. Sondern der halsbrecherische Speed, die Wut, der Witz, die Chuzpe – und die sehr coole Art, Punk, Hardrock und ja, Pop! zusammenzudenken beziehungsweise gerade nicht darüber nachzudenken, in welche Schublade man gepackt werden könnte. Think of „Pretend We’re Dead“, „Shove“, „Fast and Frightening“, „Shitlist“… es wird eine lange Liste! Die ganze wilde Jagd ist zugunsten eines zurzeit durchaus populären (Mary Timonys Ex Hex und Filthy Friends mit Corin Tucker präsentieren sich auf ihren neuen Alben ganz ähnlich), behäbigeren, konsensualerem Rock-Modus verschwunden. Und das ist im Falle L7s eine echte Schande, regelrecht paradox, wenn man mal drüber nachdenkt.

Klar, Donita Sparks kann bei Bedarf noch immer sehr übellaunig knurren, wie sie in Songs wie „Proto Protype“ eindrucksvoll unter Beweis stellt, und mit „Stadium West“ und „Burn Baby“ sind zumindest zwei Stücke dabei, die einstige Riot-Punk-Hitqualitäten haben. Auch „Holding Pattern“ sticht mit zurückgenommenem Tempo, vielschichtiger Melodie und Lyrics, die sehr offen von Depressionen handeln, aus dem tendenziell schwerfälligen Bluesrock-Gemisch heraus, das mediokre Stücke wie „Murky Water Café“ oder „Cool About Easy“ ausmacht. Hier klingen L7 in der Tat wie eine zweitklassige Rocktruppe, die halt irgendwie ihr Album füllen muss – aufrührerische Momente klingen immer nur kurz an, zum Beispiel im rotzigen Gitarre-Schlagzeug-Intro von „Ouija Board Lies“ oder im Text von „Garbage Truck“, in dem L7 nervige Typen auf naheliegende Weise entsorgen.
Also, wir fassen zusammen: Toll, dass L7 wieder zusammen spielen, zuhause auflegen wird man trotzdem lieber „Smell the Magic“.

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