Coco Rosie „Put the Shine On“ (Matador)
Coco Rosie
„Put the Shine On“
(Matador)
Um ehrlich zu sein: Die Verfasserin dieser Zeilen hatte schon lange keine großen Erwartungen mehr an ein neues Album von CocoRosie. Spätestens seit „Grey Oceans“ von 2010 hatte sich der Zauber von Bianca und Sierra Casadys musikalischen Visionen erschöpft. Die anfangs so unwiderstehliche, wundersame Mischung aus schwesterlichem Zwiegesang – Sierra mit ihrer klassisch geschulten Opernstimme, Bianca als bewusst ungeschönt quäkender Gegenpart – und ungewöhnlichem Instrumentarium wie Haarföns, Küchengeräten, Spielzeug und Sampling entwickelte sich so vorhersehbar wie nervig. Und bedenkt man, wie ewig es her war (gute siebzehn Jahre), als CocoRosies Debütalbum „La Maison du mon Reve“ selbst damals gültige Freak-, Weird- und Anti-Folk-Maßstäbe überflügelte, schien es durchaus okay, dass die Zeit der Regenbögen erbrechenden Einhörner nun abgelaufen war.
Doch dann kamen im Herbst 2019 ein Feature auf dem Debütalbum von Chance The Rapper und neue Songs von Bianca und Sierra als CocoRosie heraus, die überraschend interessant klangen: „Lamb and the Wolf“ und „Smash My Head“, ersteres aus aufwiegelnden Trommelwirbeln und bedrohlichem Rap gebaut, letzteres eine verstörende Irrenhaus-Innenansicht mit Gitarren-Noise-Attacken, elektronischen Blitzen und Biancas fast unangemessen soften Vocals. CocoRosie hatten offenbar den Zugang zu ihren magischen Kreativkräften wiedergefunden.
Auf „Put the Shine On“ verarbeiten CocoRosie alte und neue Traumata, wie zum Beispiel im nostalgischen „Restless“ den Tod ihrer Mutter. Auch „Ruby Red“ handelt von Abschied und Treffen im Jenseits, während der unheilvoll knisternde Opener „High Road“ ach-so-gutgemeinte Ratschläge versammelt, die teenage girls mit auf den dunklen Heimweg gegeben werden: „Drunk as a lark / It comes to blows / Hard knock life / The story goes / Never cry wolf / Don’t tell lies / Don’t let the boys / Between your thighs“. Märchenhaft-surrealer Horror ist aber nur eine Komponente, die CocoRosie wiederbeleben: auch die groben HipHop-Beats sind wieder da, verquickt mit Blues und dem Gesang der Bäume, mit Harfen und Akkordeon, mit wahrhaft überirdischen Chorälen und krächzenden Krähen. „Burning Down the House“ ist übrigens keine Coverversion des Talking-Heads-Hits, vielmehr ein ätherisch wabernder TripHop-Trip mit stotternden Beats und verträumtem Klavier.
Überhaupt ist das Songwriting prägnanter als auf den letzten Alben, die hauptsächlich vom Sound vergangener Tage zehrten; und dafür, dass sie „Britney Spears“ gleich mehrfach als Verb einführen, gebührt Bianca und Sierra schlichtweg Respekt. Es wird zwar nie wieder so sein wie 2004, als man sich fasziniert und staunend den „Terrible Angels“ hingab – aber „Put the Shine On“ verstreut endlich wieder etwas vom dunkel funkelnden Sternenstaub, der Bianca und Sierra abhanden gekommen war.