Beate Bartel / Gudrun Gut / Bettina Köster

Die M_Dokumente: Mania D., Malaria!, Matador

Mania D., Malaria, Matador: Mehr als bloß den Anfangsbuchstaben und die personellen Kontinuitäten einte diese drei Bands eine musikalische Haltung, die stark vom Zeitgeist des Westberliner Undergrounds der 1980er Jahre geprägt war. Nun ist im Ventil-Verlag ein Bildband veröffentlicht worden, der auf diese Zeit zurück blickt, dabei aber auch in die Zukunft weist.

„M wie mehr“
„M“, so schreibt Diedrich Diederichsen im Vorwort der „M_Dokumente“, stehe „für alles Mögliche: Magie, Macht, Musik, Mond, Mitte oder Membran“. Angefangen hatte das M-Spektakel mit einer freiwilligen Selbstverpflichtung, die die Mitglieder von Malaria intern einst beschlossen hatten: Jegliche Spin-Offs und Nebenprojekte – die von Beginn an als Teil der künstlerischen Inszenierung angelegt waren – sollen mit einem „M“ beginnen. So, wie die musikalische Limitierung des Post-Punk Anfang der 1980er Jahre ungeahnte künstlerische Potenziale zu entfalten vermochte, erwuchs auch aus dieser selbstbestimmt auferlegten Limitierung in der Folgezeit eine Art kreativer Anreiz.

Mania D., Malaria! und Matador bewegten sich damals im Westberliner Punk-Underground, dessen kreatives Potenzial in besonderem Maße aus den billigen Mieten, dem Leerstand und der Existenz Berlins als Mauer- und „Frontstadt“ erwuchs. Die Stadt trug damals – gut 35 Jahre nach Kriegsende – noch starke Spuren des Krieges, womit sie die perfekte Kulisse für jenen kalten und düsteren Sound bot, für den Malaria! oder befreundete Bands wie die Einstürzenden Neubauten schnell auch international Bekanntheit erlangten.

Nicht zuletzt im Angesicht von durchgestylten und gentrifizierten, ehemals „alternativen“ Stadtteilen wie Kreuzberg mutet diese Zeit, die durch die M-Dokumente sowohl auf inhaltlicher wie auch visueller Ebene zu neuem Leben erweckt wird, in besonderem Maße romantisch an und bietet zugleich Anlass für nicht selten verklärende Projektionen.

„Ich weiß selber schon ganz gut, was richtig und was falsch ist“

Begonnen hatte die M-Geschichte mit der Band Mania D. bereits im Jahr 1977 in Westberlin. Ein offensichtlich wenig sensibilisierter Oberarzt hatte einer Freundin von Beate Bartel mitgeteilt: „Du bist Mania D. – manisch-depressiv“. Gesagt, getan. Mit der Kunststudentin Gudrun Gut und Bettina Köster fand Beate schnell die richtigen Mitstreiterinnen. Eine Band bestehend aus vier Frauen – das war Anfang der 1980er Jahre noch ungleich subversiver als es das heute ist.
„Warum eine Mädchenband?“ wurde Gudrun dann auch als damalige Malaria!-Schlagzeugerin im Kontext einer Fernsehdokumentation im Jahr 1981 gefragt. „Hach, Mädchen sind toll!“, antwortete sie mit einem breiten Strahlen im Gesicht, um dann hinzuzufügen: „Jungs wollen dir immer erzählen, was richtig und was falsch ist. Und ich glaube, das weiß ich selber schon ganz gut, was richtig und was falsch ist.“
Doch auch in der wenige Jahre zuvor aufgekommenen Frauenbewegung hatten Bands wie Mania D. keinen leichten Stand. So berichten die Protagonistinnen in den M-Dokumenten im Rückblick etwa von einem Frauenfestival, das von etwa 3500 Menschen besucht wurde. Im Angesicht des robusten, militärischen Looks der Band und Songs wie „Kämpfen und Siegen“ (der – nebenher bemerkt – von den Erlebnissen rund um die Kreuzberger Häuserkämpfe jener Zeit erzählt) wurde ihr Auftritt als reine Provokation von „Nazi-Bräuten“ aufgefasst und mit einem gellenden Pfeifkonzert quittiert. Die damals stark vom Differenzfeminismus und der aufkommenden Ökologie-Bewegung geprägten Zuschauerinnen hatten „wohl ein Blockflötenkonzert erwartet“, wie Gudrun sich im Rückblick erinnert.
So mussten sich die drei Bands über die Jahre ihre kleinen Nischen suchen zwischen bevormundenden Jungs, die ihnen sagen wollten, wo es lang geht, und differenzfeministischen Mädchen, die ihnen am liebsten den Synthesizer aus der Hand genommen und diesen stattdessen durch eine Akustikklampfe und Wandergitarrenliederbuch ersetzt hätten.

Eine manische Zeit

Auf den knapp 200 Seiten der M-Dokumente wird jene Zeit der Aufruhr und der sich selbst überschlagenden Ereignisse auf äußerst schöne und anregende Weise erfahrbar gemacht. Im Zentrum des Bandes stehen drei Gesprächsprotokolle mit den Mitglieder von Mania D., Malaria! und Matadaor, in denen die Entwicklungen der damaligen Zeit nachgezeichnet sowie ihr Wirken auf die heutige Szene reflektiert wird. Flankiert werden diese von kurzen, prägnanten Statements und Rückblicken ehemaliger Weggefährt/innen wie (den eingangs bereits erwähnten) Diederichsen, Mark Reeder und Nick Cave sowie dutzenden, großformatigen Bildern, die von einer aufreibenden, leidenschaftlichen, intensiven und nicht zuletzt manischen Zeit zeugen.
Text: Luca Glenzer

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