Record of the Week

Waxahatchee “Saint Cloud” (merge)

Waxahatchee
“Saint Cloud”
(merge)

Im Grunde seien Americana und Country so etwas wie Punk – wegen ihrer widerständigen Haltung, sagt Katie Crutchfield aka Waxahatchee, die mit ihrem fünften Album einen recht unerwarteten musikalischen Twist durchzieht. „Saint Cloud“ ist Bekenntnis zur „Musik ihrer Eltern“ einerseits, ein beherzter Schritt nach vorne andererseits: Früher wollte sie von Countrymusic, von Loretta Lynn, Tammy Wynette, George Jones nichts wissen und nahm das „Erbe des Südens“, also Musik aus sweet home Alabama als eher unangenehme Bürde wahr. Folgerichtig spielte sie mit ihrer Zwillingsschwester Allison in verschiedenen Punkbands, auch in den bisherigen vier Platten ihres Soloprojekts sind Katies selbstgewählte Punk- und Grunge-Wurzeln immer präsent. Jedoch gab und gibt es immer Links zu Katies Kindheit im beschaulichen Birmingham, AL: das Flüsschen hinterm Haus inspirierte zum Bandnamen, Schwester Allison wird im neuen Song „Ruby Falls“ besungen.

Was an „Saint Cloud“ sofort auffällt: Katie Crutchfield fühlt sich in ihrem neuen Sound total zuhause. Als wären sonnige, mellow Americana die logische Folge aus Grunge und den punkig angerauhten Folksongs, die Crutchfield zuletzt auf der EP „Great Thunder“ von 2018 veröffentlichte. Wie eine moderne Melanie (remember „What Have They Done to my Song?“) klingt Katie, mit deutlich hörbaren Kratzern, aber wohlauf: Dem stilistischen Wandel ging Katies Abschied vom Alkohol voraus. Zu lange hätte sie sich der Illusion ergeben, nur als trunksüchtige, leidende Künstlerin interessante Songs schreiben zu können, so Crutchfield. Bis sie merkte, dass ihre nüchternen Freund:innen durchaus tolle Musik machten und sie nicht mehr die einzige sein wollte, die regelmäßig abstürzte.

Tatsächlich klingt „Saint Cloud“ so, als wären die Vorhänge aufgezogen worden – ohne dass Waxahatchee Probleme und Selbstzweifel nun einfach wegatmen würde. Denn ob punkinspirierte Singer-Songwriterin oder Alternative Country-Musikerin, Crutchfield ist dieselbe grandiose Storytellerin mit klarem Blick aufs Detail. Nur eben „wiser, slower, and attuned“, wie es in „Fire“ heißt, dem countryeskesten Song der Platte und so etwas wie das Schlüsselstück zur „neuen“ Waxahatchee.

Brad Cooks (Bon Iver) Produktion ist warm, sanft und luzide, spartanische Blues-Muster, einfache Akkorde und ein so verlässlicher wie un-rockiger Beat treiben die Stücke an. Buchstäblich jeder Ton ist hörbar: die Orgel, die Telecaster- und Akustiksaiten und auch die minimalistischen Synthieeinsätze, die aus „Saint Cloud“ eben keine Country-Kopie machen, sondern die zeitgenössische Aneignung eines als rückständig verschrieenen Genres, das – es wäre nicht das erste – von einer Frau abgestaubt und renoviert wird.

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