Warpaint “Heads Up”
Warpaint
„Heads Up“
Rough Trade / Beggars / Indigo / VÖ: 23.09.2016
Warpaint haben Humor: Diesen Sommer legten die vier Damen aus Los Angeles mit der ersten Single zum neuen Album, ironisch „New Song“ betitelt, das wohl poppigste Stück ihrer Laufbahn vor. Catchy Refrain, funkiger Bass-Lauf, enorm tanzbar und durchaus mit Qualitäten für Airplay bei Indie-Radio-Stationen. Nicht wenige erwarteten daher, dass Warpaint auf dem neuen Album „Heads Up“ den Turn zum Pop gemacht hätten und somit die Zeiten des atmosphärisch-experimentellen Post-Punks vorbei seien. Doch wer das neue Album hört, wird schnell feststellen: „New Song“ war nichts mehr als eine falsche Fährte: Der Song bleibt in seiner Machart eine Anomalie im Albumkollektiv. Aber: Der neuentdeckte Groove auf „New Song“ steht trotz alledem stellvertretend für den veränderten Sound des neuen Albums: Es ist zwar ähnlich atmosphärisch ist wie der selbstbetitelte Vorgänger aus dem Jahr 2014, wagt aber dennoch mehr. „Heads Up“ ist melodischer und vor allem tanzbarer: „You got the moves / bang, bang, baby“, singen Warpaint auf „New Song“. Und diese simple aber dennoch effektive Botschaft ist gewissermaßen das Dogma von „Heads Up“. Türen werden geöffnet. Warpaint wollen nicht mehr introvertiert sein – sie haben sich rausgeputzt und sind auf dem Weg zum Dancefloor.
„Heads Up“ überzeugt von der ersten Sekunde an. Eröffnet wird mit „Whiteout“ – ein sich zunächst anschleichender, eher ruhiger, Opener, der sich um einen vertrackten R’n’B-Beat aufbaut. Der Song zieht den Hörer in eine Art Sog, primär wegen der Dynamik, die wohl dem tollen Basslauf geschuldet ist. Mit „By Your Side“ folgt der wohl offensivste Song des Albums: Hier wird ein waschechter Hip-Hop-Beat geliefert, das könnte in dieser Form auch in einem Club laufen. Der Song kulminiert am Ende in eine Art Beat-Feuerwerk, unterstützt von einer verzerrten Gitarre. Schon nach zwei Songs ist die düster-tanzbare Atmosphäre des Albums gesetzt, die sich komplett durch das Album zieht. Bei der Produktion des Albums arbeitete Warpaint mit Jacob Bercovici zusammen, der 2008 bereits die erste EP der Band, „Exquisite Corpse“, produzierte. Dass so ziemlich alle Bandmitglieder sich nach der Release von „Warpaint“ eigenen Projekten widmeten, bei denen sie neue Einflüsse fanden, hört man „Heads Up“ stark an. Stilistisch mäandert die Platte irgendwo zwischen 2000er R&B, Hip-Hop, Disco, Indie, Post-Punk. Dass es dennoch alles sehr homogen klingt dürfte wohl der demokratischen Band-Politik geschuldet sein: In dem Quartett um Emily Kokal, Theresa Wayman, Jenny Lee Lindberg und Stella Mozgawa gab es nie einen Meinungsführer – alles wurde stets dem „greater good“ unterstellt. Und das hört man so auch auf „Heads Up“: Kein Instrument sticht besonders heraus, der mehrstimmige Gesang überzeugt immer noch – ist Mittel zum Erfolg. Warpaint definierte sich schon immer über das Kollektiv und das funktioniert hier besser denn je.
Scheitern andere Bands daran, dass ihre Alben zu sehr auf Atmosphäre als auf Song-Substanz gebaut sind (vgl. Alt-J – „This is all yours“, 2014), gelingt es Warpaint die Lehren aus den wenigen schwachen Momenten des Vorgängers zu ziehen: „Heads Up“ ist ein einzigartiger Genre-Blend, für den die Band auch mal den tanzbaren Groove zuließ – und somit auch mal Freiraum für tanzbare Disco-Tracks wie „New Song“ oder „So Good“ auf dem Album schaffte. Und eben genau diese lebhaften Momente haben auf dem etwas zu durchdachten Vorgänger gefehlt. Entwicklung abgeschlossen – das Resultat kann sich sehen lassen. Und wird wohl auf einigen Bestenlisten 2016 zu finden sein. Album-Highlights: „Whiteout“, „So Good“, „Heads Up“.
Warpaint kommen 2016 für zwei Konzerte nach Deutschland: Am 30. Oktober in die Live Music Hall in Köln und am 1. November ins Astra Kulturhaus nach Berlin.
Florian Kölsch