Ich reise nach Italien und nehme 11 Songs mit
Nach Rom führen bekanntermaßen alle Wege – und meiner schon morgen. Anlass genug, endlich eine Playlist mit italienischen Pop-, House- und Disco-Klassikern auf Kaput anzulegen.
Godere!
Lucio Battisti “Ancora Tu”
Bevor jetzt die Geschichtsschreibung wieder falsche Spuren legt: Nein, bei „Ancora Tu“ handelt es sich nicht um einen Song von Rosin Murphy. Die ehemalige Moloko Sängerin hat das Stück im letzten Jahr lediglich sehr schön interpretiert, im Original ist es aber natürlich von Lucio Battisi.
Der mit 55 leider viel zu früh verstorbene italienische Musiker gehörte in den 60ern und 70ern in Italien zu den Heiligen des Pops – und sein Ruhm sorgte sogar für eine kurze Popularitätswelle in Deutschland, wovon diese deutsche Version seines Hits „Il mio canto libero“ zeugt: „Unser freies Lied“.
Ilona Staller feat. Ennio Morricone “Cavallina Cavallo”
Nein, liebe Kaput-LeserInnen, ihr habt euch nicht verlesen: Ilona Staller, die Ex-Frau von Jeff Koons, die es später in das Italienische Parlamant schaffte, und der große Maestro der Filmmusik Ennio Morricone haben tatsächlich einen Song gemeinsam aufgenommen. Vielleicht im Werkkatalog der beiden nicht der jeweils herausragendste Moment, aber irgendwie ist der Song gerade wegen seiner Unspektakulärität schön. „Cavallina Cavallo“ haftet ein verklärender Schleier an, ganz so wie man ihn von den kitschigen Bildern eines David Hamilton kennt. Man muss die Italiener lieben für diese Selbstverständlichkeit, mit der sich unterschiedliche kulturelle Entwürfe auf Augenhöhe begegnen können.
TNT „Piano Please“
Hinter dem Track stecken die beiden Produzenten Fabrizip Simoncioni und Massimo Bani, über die sich leider nicht viel mehr herausfinden lässt. Ein wild in sich kreisendes Meisterwerk aus billigen Pianosounds und um ihr Leben rappenden, singenden und geifernden SängerInnen. Man sehnt sich sofort in eine italienische Stranddisco der 90er Jahre.
Maurizio Pavesi „Love System“
Überhaupt ist die Recherche im Segment Italo-House / -Disco etwas für Fachleute und nicht für ungeduldige Gleich-im-Urlauber… „Love System“ klingt im Vergleich mit „Piano Please“geradezu konservativ mit seiner langsamen Songwerdung und dem deepen, gefühlvollen Disco-Gesang.
Tullio De Piscopo “Stop Bajon”
Am Clip zu diesem Song stimmt einfach alles: vom flackernden Feuer zwischen den Protagonisten angefangen über das gelbe Schlagzeug von De Piscopo bis hin zur discoiden Laszivität der Band. Obwohl sie alle so beschäftigt wirken auf der Bühne, zeichnet sich der Song durch eine geradezu unwahrscheinliche Entspanntheit aus. Alles erscheint plötzlich so einfach, das Leben mal wirklich als dieses wunderbare Versprechen ohne attached strings.
Corona „Rhythm Of The Night”
Der Überhit. Und ein echter Fall von Milli Vanilli, jedoch ohne das tragische Ende glücklicherweise. Auch bei Corona war nämlich die Sängerin, die man zu sehen bekam, nicht wirklich die echte – die Brasilianerin Olga de Souza modelte auf der Bühne, gesungen hat Giovanna Bersola bzw. bei späteren Wiederauflagen des Songs Sandra Chambers.
Ja, es war und ist kompliziert. Produziert hat den italienischen Nummer-Eins-Hit jedenfalls Franscesco Bontempi. „Rhytm of the Night“ gelingt es die energetische Dynamik einer dieser tollen Nächte einzufangen, in denen man – ohne es darauf anzulegen – von einer verrückten Sache in die nächste stolpert. Wir lehnen uns aus dem Fenster: Eine der besten Songs, die je geschrieben wurden.
Mina „Un bacio è troppo poco”
Die existenziellen Fragen der Liebe, vorgetragen von der unvergleichlichen Mina und übersetzt von Google:
“Ein Kuss ist nicht genug. / Wissen, ob ich liebe dich. / Einen Kuss zu wenig ist, / um wirklich zu verstehen, wenn ich Sie, wenn ich Ihnen. / Oder ist es nur Sympathie? / Sie beide, dass von mir. / Ein Kuss nicht genug. / Ist, zu wissen, wenn ich Ihnen. / Ich würde es wieder versuchen, weil ich glaube, ich verstehe. / Ich mag dich, ich mag dich. / Ich bitte Sie, mich wieder zu küssen, / vielleicht mit ein wenig mehr Liebe und wird so sein.
Liebe, die Liebe, Liebe! / Lieben die reale Sache für uns beide. / Ein Kuss nicht genug / ist zu wissen, ob ich liebe dich.
Ich würde es wieder versuchen, weil ich glaube, ich verstehe. / Ich mag dich, ich mag dich. / Ich bitte Sie, mich wieder zu küssen, / vielleicht mit ein wenig mehr Liebe. / Und so wird die Liebe, / Liebe, Liebe! / Lieben die reale Sache für uns beide.”
Black Box „Ride on Time“
Beim Anschauen dieses Mitschnitt denkt man zunächst, die beiden würden unter einem Baumhaus auftreten. Aber das ist natürlich Blödsinn, in Italien ist es einfach nur so grün, dass selbst die Bühnenkonstruktionen binnen Minuten überwuchern. Die ultimative Photosynthese in Popform sozusagen. Überhaupt: den Clip bitte unbedingt anschauen bis die lustigen kleinen Logos und die Chartinformationen kommen, und das 1990, also 26 Jahre bevor Facebook uns das Remake der Symbole aufzwang.
Hier noch ein paar Basisinformationen zu Black Box:
- Projekt von Mirko Limoni, Valerio Semplici und Daniele Davoli.
- Auch Black Box schummelten beim Gesang. Denn wer bei diesem an die Weather Girls denken muss, der liegt hundertprozentig richtig: Martha Wash sang in den Anfangstagen von BB alle Songs ein, auf der Bühne und in Clips repräsentierte jedoch das Model Catherine Quinol das Projekt.
- „Ride on time“ schaffte es auf Nummer Eins in England – in Deutschland reichte es noch für Platz 5.
Wood Allen „Airport 89“
Lange vor Joy Orbison und Tiger & Woods gab es schon humorvolle Musiker, die ihre Karriere mit einem an einen bekannten Star angelegten und lustig verfremdeten Projektnamen etwas Anschub geben wollten.
Die Person, die das Stück auf Youtube hochgeladen hat, merkt jedenfalls an, dass sie sich damals extra wegen der Platte einen Technics 1210 gekauft habe – für alle jüngeren LeserInnen, auf heute übertragen bedeutet dies, dass sie nur wegen des einen Songs ein Spotify-Abo abgeschlossen hat.
Ob Woody Allen auch so sehr auf den Kontrast aus dem staubtrocken klingenden Rapper und der kreischenden Sängerin stand?
Korkut Elbay „Toto Colonia”
Edit-Klassiker des Kölner Djs und Produzenten Korkut Elbay. Man schwebt auf der Stelle und will nie weiter ziehen.
Marco Passarani „Colliding Stars“
Genug nostalgische Sounds auf Kaput für heute. Mit dem „Colliding Stars“ des Römers Marco Passarani sagen wir Addio.
PS: Das Stück muss ich aber doch noch droppen, “Tarzan Boy” von Baltimore, für Linus: