Jede Woche ein Rant. Heute… Flixbus-Fahren
Wer in Bezug auf Internet-Humor nicht aufpasst, bleibt irgendwann vielleicht doch bei Willy Nachdenklich, oder Tattoofrei oder – WLAN, bewahre – bei dem moralischen Postkarten-Opa Barbara hängen. Um möglichst vielen dieses Schicksal zu ersparen, haben wir bei kaput keine Mühen gescheut und das Autorinnen-Kollektiv des geilsten Facebook-Portal überzeugt, uns regelmäßig Content zu überweisen. Konkret dreht es sich hierbei um Feelgood-Hass unter dem Banner “Jeden Tag ein Rant”. Bei uns läuft die Nummer allerdings nur einmal die Woche, für mehr sind wir zu alt. Heutiges Thema: Flixbus!
Ich liebe ICE-Fahren (mit Platzreservierung aber!) und hasse Busfahren, vor allem Flix-Bus-Fahren. Leider ist es sehr viel billiger (preiswerter nicht).
Das Widerlichste passiert eigentlich schon vor der Fahrt und gründet sich auf die mangelnde Kultiviertheit und Triebsublimierung der meisten Menschen. Ist ja nichts neues, wird aber anhand gewisser Situationen, die eigentlich nur der Erheiterung oder Erleichterung des Lebens dienen sollten – wie etwa Tindern, Drogenteilen auf Clubtoiletten und eben Flix-Bus-Fahren – noch einmal unangenehm sichtbar.
Auch wenn die Fahrt nur wenige Stunden dauern soll, geiern alle auf die bestmöglichen Plätze (ganz vorne wegen der Sicht bzw. vor der hinteren Tür wegen mehr Beinfreiheit) und versuchen, den Mitwartenden ein Schnippchen zu schlagen. Statt sich damit zufrieden zu geben, dass sie dank gültigem Ticket auf jeden Fall auf irgendeinem Platz von A nach B transportiert werden, wollen sie für die nächsten Stunden auf jeden Fall den anderen in Komfortfragen überlegen sein.
Dabei überlegen sie angestrengt: Wirft man zuerst sein Gepäck unten ins Gepäckabteil und lässt dann sein Ticket scannen oder andersherum? Kann man sich schonmal nach dem Scannen einen Platz „sichern“ und dann nochmal raus? Wie genau positioniert man sich in dem Pulk, das sich drängend um den seinen Fahrplan begutachtenden Busfahrer versammelt, ihn erwartungsvoll anglotzt („Wann und mit wem fängt der denn jetzt endlich an?“) und jede seiner Bewegungen zu deuten versucht?
Meine letzte Busfahrt ging so: Kurz vor Scanbeginn rückt die Masse dichter und dichter, Schuhe verschieben sich in ihren Winkeln, Leute wechseln nochmal kurz entschlossen die Position. Da passiert folgendes: Der Busfahrer dreht sich um, geht noch einmal ein paar Schritte um den Wagen herum, spricht mit seinem Kollegen. Ein Waghalsiger nutzt die Gunst der Sekunde und dringt in das Businnere ein, schleudert seinen Rucksack und seine Jacke auf zwei Plätze in der ersten Reihe und huscht innerlich triumphierend wieder raus, zurück auf seinen Platz in der ersten Reihe. „Denen hab ich’s gezeigt!“ Die anderen brodeln.
Von Menschen im Allgemeinen angewidert betrete ich den Bus. Hier haben schon eigentlich alle ihr Handgepäck auf den Sitz neben sich gestellt und blicken demonstrativ ins Leere oder auf ihre Handys, um ja nicht den Eindruck zu erwecken, man könnte sich neben sie setzen. Setzen muss man sich aber, also bleibt eine Frage und die resignierte Antwort einem nicht erspart.
Auf der Fahrt mache ich den Fehler, mich mit einem Buch ablenken zu wollen, was im Zug wunderbar funktioniert, im schwankenden, immer wieder stoppenden Bus jedoch eine Übelkeit auslöst, die sich bis zum Ende der Fahrt nicht mehr verflüchtigen wird. Da mein Nebenmann mit dem Kopf am Fenster schläft, kann ich noch nicht mal rausschauen und so bleibt mir für die nächsten Stunden nichts anderes übrig, als mich, während die Person hinter mir mir in regelmäßigen Abständen die Knie oder Füße in den Sitz rammt, der Typ schräg vor mir sein aromatisches Eiersalatbrot auspackt und die Heizung die Luft zum Atmen verknappt (im Sommer ist es die Klimaanlage, die mich zum Frösteln bringt) in einen Halbschlaf zu flüchten, der durch die Manöver und Durchsagen des Busfahrers immer wieder unterbrochen wird.
Ich träume davon, dass ich im ICE-Bordrestaurant abhänge, Rührei, Räucherlachs und Rostbratwürstchen auf einer weißen Tischdecke esse, und Schland glatt und gleichmäßig und voller Zufriedenheit in Hochgeschwindigkeit an mir vorüberziehen lasse.