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Jede Woche ein Rant. Heute… Californication Cosplayer

Wer in Bezug auf Internet-Humor nicht aufpasst, bleibt irgendwann vielleicht doch bei Willy Nachdenklich, oder Tattoofrei oder – WLAN, bewahre – bei dem moralischen Postkarten-Opa Barbara hängen. Um möglichst vielen dieses Schicksal zu ersparen, haben wir bei kaput keine Mühen gescheut und das Autorinnen-Kollektiv des geilsten Facebook-Portal überzeugt, uns regelmäßig Content zu überweisen. Konkret dreht es sich hierbei um Feelgood-Hass unter dem Banner “Jeden Tag ein Rant”. Bei uns läuft die Nummer allerdings nur einmal die Woche, für mehr sind wir zu alt. Heutiges Thema: Californication Cosplayer.

Ich hatte mal ein Tinderdate mit einem Typen, der seitdem in meinem Panini-Opferboi Album klebt, weil er da hingehört, weil er ein Abziehbild seiner Selbst ist.
Und ich nenne diesen Typen bewusst Typ, weil er genau das ist: Ein Prototyp, ein Klischee, eine menschgewordene Figur aus einem Roman der Beat-Generation, ein Lebemann, ein Flaneur, ein Bonvivant (und das sind alles Wörter, mit denen er sich selbst am liebsten schmückt, ja ihh) aber immer mit der angemessenen Portion Weltschmerz. Wäre sein Life eine Instastory: Retro-Filter 24/7.
Irgendwie retro und mellow sind auch die Fotos, die er macht oder die Bilder, die er malt oder die Gedichte, die er schreibt, oder wahrscheinlich alles zusammen. Bücher mag er total gerne, was er noch gerner erzählt, er ist nämlich b i b l i o p h i l . Aha.

Bibliophil oder je nach Laune auch mal sapiosexuell, tatsächlich liest er aber nur Sachen von weißen Hetero-Dudes, Frauen nennt er konsequent „Mädchen“ und wenn man ihn drauf anspricht, verteidigt er sich „Aber, ich bin doch selbst noch ein Junge!“ Nein, du bist ein 37-jähriger saufender, ketterauchender und herumvögelnder Mann, der Hunter S. Thompson und Jack Kerouac für das höchste aller literarischen Gefühle hält und sich jedes Wochenende ein paar Flaschen Rum reinstellt, weil, das machen seine Helden auch so und anstelle eines Laptops irgendeine verfickt teure Schreibmaschine benutzt, für die Haptik und so, weil das machen seine Helden auch so und der, wenn er mal mit Frauen abhängt, Models bevorzugt, weil, das ist einfach geil.

Einfach geil findet er außerdem, alles in Vinyl zu haben und das auch zu zeigen, das ist doch ein viel schöneres Medium, er ist ja auch so ein haptischer Mensch, fasst einfach gerne an, ob Kräuter auf dem Markt (wie Amelié, toller Film! obwohl weibliche Hauptrolle, *mindfuck*), sein handgeschöpftes Fairtrade Briefpapier, auf dem er seit 10 Jahren Notizen für seinen Debutroman sammelt oder 15 Jahre jüngere Frauen nach Premierenpartys auf seiner klebrigen Leder-Couch.
Sowieso ist bei ihm alles Rock’n’Roll, mit Hip Hop und Techno kann er nichts anfangen, weil, das ist doch keine handgemachte etc.pp., LOL, Musik nach 1978 findet er generell scheiße, er ist da halt – wie auch in seinem Umgang mit Frauen – eben ein Vertreter der alten Schule.

So wie „Schule des Lebens“ ein an Sicherheit grenzender Indikator für „Nazi“ oder „Tierschützer“ – oft beides in einer Person vereint – ist, ist ein selbsternannter Vertreter alter Schule meistens mehr ein misogynes Arschloch, das sich selbst aber für entweder a) eine tragische aber dabei, hey, ganz sexy Figur aus einem Hesse-Roman oder b) einen richtigen Frauenversteher, einen Kavalier, man könnte auch sagen: einen Heiland der Frauenbewegung hält. Was man in dieser alten Schule wohl so lernt? Wahrscheinlich dass „Frauen verwöhnt werden wollen“ und dass das am besten geht, indem man für sie kocht (Männer die im Haushalt helfen sind eh das neue sexy, hat er auch in der Man’s Health gelesen), sie mit teurem Wein abfüllt, sie einfach mal reden und ihre Meinung haben lässt und ihnen sagt, dass man das total attraktiv findet, so kluge Frauen, hier dings Sapiosexualität, aber letztlich doch immer ein bisschen der Stärkere bleibt, der sagt, wo’s langgeht, das wollen Frauen nämlich auch instinktiv, nee sorry, die b r a u c h e n das, sonst sind sie komplett lost.

Dieser Typ wirkt immer ein bisschen entrückt. Normal, er gehört ja auch nicht in dieses Land, sondern nach Kalifornien und auch nicht in diese Zeit, sondern ins Jahr 1968. Er ist einfach sehr alleine, aber da fühlt er sich ganz wohl, ein loner, ein Steppenwolf, außer wenn es in der Kneipe nebenan was zu saufen und zu ficken gibt, dann fühlt er sich in der Bürgi-Atmosphäre schon ganz wohl.

Und weil mir das Nachdenken über diesen *Typ* einfach zu belastend ist, hier noch ein bisschen Buzzword Bingo:

KALIFORNIEN – LESTER BANGS – TAUSCHT SEIN DURCHAUS SEHR BEQUEMES BETT GEGEN MATRATZE AUF BODEN AUS – UNPOLITISCH, AUßER FREE LOVE, DA IST ER FÜR ABER NUR FÜR IHN NICHT FÜR DIE FRAU, NORMAL – GONZO JOURNALISMUS – NOTGEILE MITTELALTE MÄNNER – RUM RUM RUM – KERZEN – DEEPE ZITATE WG. BIBLIOPHILIE – VERÖFFENTLICHUNG IM ROLLING STONE ODER PLAYBOY, EGAL – ciao.

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