Jede Woche ein Rant. Heute… Männliche Seminarpläne
Wer in Bezug auf Internet-Humor nicht aufpasst, bleibt irgendwann vielleicht doch bei Willy Nachdenklich, oder Tattoofrei oder – WLAN, bewahre – bei dem moralischen Postkarten-Opa Barbara hängen. Um möglichst vielen dieses Schicksal zu ersparen, haben wir bei kaput keine Mühen gescheut und das Autorinnen-Kollektiv des geilsten Facebook-Portal überzeugt, uns regelmäßig Content zu überweisen. Konkret dreht es sich hierbei um Feelgood-Hass unter dem Banner “Jeden Tag ein Rant”. Bei uns läuft die Nummer allerdings nur einmal die Woche, für mehr sind wir zu alt. Heutiges Thema schön mal wieder Uni, Fans! Geht um: Männliche Seminarpläne.
Am Anfang jedes Semesters sitze ich im Seminar und bestaune die Schwänze auf der Literaturliste. Also, nicht solche wie sie mein Sitznachbar in Bio mir in der 9. ins Heft gemalt hat, hehehe (shoutout an die aktuellen Mittelstufler: Malt mal lieber Vulven pls), sondern die männlichen Autoren, die oft so 90% der zu lesenden Literatur stellen. Weil sie Menner und fame sind, steht da dann meistens nur ihr Nachname, außer es gibt Verwechslungspotenzial mit anderen Mönnern, dann stehen alle Vornamen abgekürzt, sieht man auch noch wichtiger aus dann, so W.G. Sebald, T.W. Adorno (gut, er ist wirklich the one and only), C.G. Jung usw.
Aber Frauen mit Nachnamen mit Alleinstellungspotenzial muss man dann doch vollständig auflisten: Sibylle Lewitscharoff, Siri Hustvedt und gerne auch immer wieder Simone de Beauvoir, damit man nicht an diesen anderen Beauvoir denkt, hier Bernhard de Beauvoir oder wie hieß der.
Oft steht stellvertretermäßig ja dann doch ca. 1 Frau drauf. Wie das passiert ist, stelle ich mir in etwa so vor:
[Zwei Penis-Profs im Gespräch:]
„Eh Jo Reinhard, du hast noch gar keine Frau auf deiner Liste!“
„Stimmt Micha, fuck das gibt Stress, sag mal schnell eine?“
„Hmm ah hier dingens, die Ex von Frisch, die dann so suizidal war nach der Trennung!“
„Nice, die nehm ich, thx Micha!“
Bachmann geht halt immer, weil die kennt man jetzt ja echt schon lange plus sie ist tot, sie kann uns nichts mehr plus sie war mit Frisch zusammen und das war doch wirklich ein guter Autor, ahhh *schwelg*, da möchte man direkt wieder zu seinen literaturgewordenen Altherrenphantasien greifen.
Sie klatschen ab und freuen sich über diese durchaus gelungene Liste und lesen noch ein bisschen Suter zur Belohnung (denn ich bin mir sicher Lit.Profs über 50 lesen heimlich Suter und träumen von seinem life).
Im Seminar fällt dann hoffentlich nicht weiter auf, dass man wieder den Bachmann-Joker gezogen hat (wahlweise auch den Berg-Joker oder bei älteren haha Semestern den von Droste-Hülshoff-Joker) und das Seminar nimmt seinen maskulinen Gang.
Traut sich eine Kommilitonin dann doch und weist auf diesen Missstand hin, kriegt sie als Dank gleich doppelt auf die Fresse: Kollektives Augenrollen und affektiertes Stöhnen vom Seminar und eine standard dumme Antwort von den Dozierenden: „Ja Frau äh, sagensiemirnochmalebenihrennamen, da kenne ich jetzt leider auch nichts von Frauen zu dem Thema, aber bringen Sie doch zur nächsten Sitzung gerne was mit!“
Und hier wird’s wieder ein bisschen knifflig: Gut möglich, dass die Verantwortlichen keine seminarrelevante Literatur von Frauen kennen (sonst ständen sie hoffentlich schon auf dem Plan) und gut möglich, dass weniger Literatur von Frauen zu diesem Thema bekannt ist, weil einfach allgemein viel weniger Literatur von Frauen bekannt ist. Aber wie soll jetzt die Kommilitonin im 4. Semester zur nächsten Woche Literatur klären, was die Dozierenden in der Vorbereitung anscheinend nicht geschafft haben? Wieso ist es ihre Aufgabe? Und was ist „Ich kenne halt nichts von Frauen“ für ein Argument?
Gar keins, eher ein Mechanismus, der die Nicht-Sichtbarkeit von Frauen in der Literatur zuerst legitimiert und dann weiter reproduziert.
Ich kenne auch weniger Literatur von Frauen, vor allem wenn’s sehr themenspezifisch wird, aber das ändert sich nicht, wenn ich immer wieder dieselbe Grütze aus dem Regal ziehe und in dieselben Grützenseminare gehe, in denen Mehner gelesen werden und dann feststelle, es gibt ja irgendwie nur Literatur von Möhnern zu dem Thema, naja dann ist das eben so.
Jedem Anfang wohnt ein männlicher Zauber inne und Hesse, halte bitte endlich deine Fresse.