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Jede Woche ein Rant. Heute… Frühaufsteher-Gesellschaft

Wer in Bezug auf Internet-Humor nicht aufpasst, bleibt irgendwann vielleicht doch bei Willy Nachdenklich, oder Tattoofrei oder – WLAN, bewahre – bei dem moralischen Postkarten-Opa Barbara hängen. Um möglichst vielen dieses Schicksal zu ersparen, haben wir bei kaput keine Mühen gescheut und das Autorinnen-Kollektiv des geilsten Facebook-Portal überzeugt, uns regelmäßig Content zu überweisen. Konkret dreht es sich hierbei um Feelgood-Hass unter dem Banner “Jeden Tag ein Rant”. Bei uns läuft die Nummer allerdings nur einmal die Woche, für mehr sind wir zu alt. Heutiges Thema: Die Gesellschaft der Frühaufsteher.

Triggerwarnung: ziemlich trivial. Schlimmer als Vice-Artikel. Aber Rantpflicht ist Rantpflicht.

Es ist 01:37. Ich fange an, diesen Rant zu schreiben (merke: Schreib-Zeit ain’t Post-Zeit…).

Ich habe schon öfter mal versucht, früher ins Bett zu gehen, aber ich kann das einfach nicht. Es ist unerträglich, dass der Tag um 22 oder 23 Uhr schon vorbei sein soll. Ich fühle mich, als hätte ich nicht gelebt. Erst dann geht doch die Prime Time los – die Zeit, in der man sich ungestört und allein fühlt und vielleicht mal das Blue Album von Joni Mitchell komplett durchhört, in der sich die wirklich tiefsinnigen nächtlichen Online-Konversationen zu entspinnen beginnen (denn man fühlt sich seinen night fellows ja schon automatisch verbunden), dieser Zwischenraum von Zeit, in dem alles still ist, man von den dumpfen Pflichten des Tages entbunden ist und sich die Gedanken ohne Ablenkung bewegen können.

Morgens früh aufstehen kann ich ebenso wenig. I know, das ist ein fucking Luxusproblem, denn wenn meine Existenz davon abhinge würd ich’s wohl schon machen. Weckt man mich dieser Tage allerdings morgens zu früh, würde ich ALLES dafür tun, noch länger schlafen zu können. Alles. Also, falls ihr mich irgendwie erpressen wollt, macht einfach morgens bei mir Terror und ich geb euch alle Infos raus.

Eulen, also Spätaufsteherinnen, sind ja eigentlich schon ziemlich cool: Sie gelten auch in fortgeschrittenem Alter noch als jugendlich fresh, weil sie noch nicht von seniler Bettflucht geplagt sind, sie können nachts in der Kneipe sitzen und bechern, ohne wegzunicken, weil es sich um ihre normale Aktivitätszeit handelt.
Dass sie nie Sonnenaufgänge und im Winter auch nur selten Sonnenlicht sehen, führt bei ihnen zur zarten Melancholie – sie können Rilke zitieren, ohne albern zu wirken.

Leider werden Eulen jedoch von der Gesellschaft viele Steine in den Weg gelegt. Ich habe zum Beispiel mein aktuelles Zimmer in der Studentenunterkunft im Ausland in zwei Monaten erst zweimal saugen können, weil die doofen Staubsauger nur von 7-9 Uhr ausgeliehen werden können (wtf?). Ich muss mich regelmäßig beeilen, irgendwo hinzukommen, weil viele Sachen schon um 13 Uhr schließen. Ich gelte schon qua meiner Wachzeiten als wenig diszipliniert und faul.

Vor allem weiß ich nicht ganz, wie ich mein Sozialleben organisieren soll, ohne mich tatsächlich der Faulheit und den ungezügelten Bacchanalien vollends auszuliefern. Andere Leute erledigen ihre Arbeit am Vor- und frühen Nachmittag, sind dann fertig und gehen abends noch für ein bis drei Stündchen in die Kneipe. Ich fange frühestens um 16, meistens eher gegen 19 Uhr an, irgendwas ~sinnvolles~ zu tun (das dann aber auch ggf. bis 3 oder 4 Uhr morgens). Wenn ich was für die Uni schaffen will, muss ich mir also abends dafür freinehmen und kann nicht in die Kneipe. Auch nicht für die ein bis drei Stunden, denn sowas funktioniert nicht, danach bin ich besoffen, will weitertrinken und kann nicht mehr arbeiten.

Ich fordere: Kneipen sollen morgens aufmachen. Wir treffen uns dann um halb 12 zum Frühschoppen, danach ein kleines Mittagsschläfchen und ich bin bereit for work.

 

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