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Jede Woche ein Rant. Heute… (Cool) Heiraten

Wer in Bezug auf Internet-Humor nicht aufpasst, bleibt irgendwann vielleicht doch bei Willy Nachdenklich, oder Tattoofrei oder – WLAN, bewahre – bei dem moralischen Postkarten-Opa Barbara hängen. Um möglichst vielen dieses Schicksal zu ersparen, haben wir bei kaput keine Mühen gescheut und das Autorinnen-Kollektiv des geilsten Facebook-Portal überzeugt, uns regelmäßig Content zu überweisen. Es geht um ihren Feelgood-Hass, der unter dem Banner “Jeden Tag ein Rant” steht. Bei uns nun eben einmal die Woche, für mehr sind wir zu alt. Ekel-Thema heute: Die coole Hochzeit.

hochzeit

Gemälde: Meike Wolf

Es gibt hierzulande derzeit genau zwei gute Gründe, um zu heiraten: Bleiberecht und materielle Not.

(In anderen Ländern kommt hinzu, dass ein Verstoß gegen die Tradition schwere familiäre und gesellschaftliche Probleme nach sich ziehen könnte – darüber sind wir jedoch in Westeuropa weitestgehend hinaus.)
Wenn man etwa einem Refugee durch Heirat zu einem permanentem Aufenthaltsrecht in einem sicheren Land verhelfen kann, zwei einkommensschwache Menschen sich zusammentun, um vom Staat mehr Geld zu erhalten oder eine alleinerziehende Mutter einen Millionär heiratet, um sich abzusichern, dann ist dagegen natürlich nichts einzuwenden.

Fällt man nicht unter die genannten Gruppen, sollte man sich aber wirklich fünfmal überlegen, ob man mit einer Hochzeit und den kleinen Vorteilen, die man dadurch hat – seien sie finanzieller, bürokratischer oder emotionaler Art – wirklich ein System stützen und reproduzieren möchte, dass darauf beruht, dass der Staat die privaten Beziehungen zwischen Menschen kontrolliert und legitimiert.
Die bürgerliche Kleinfamilie, die von den Soziologen/Psychoanalytikern Reich und Fromm aufgrund ihrer autoritären Machtgefüge als „Keimzelle des Faschismus“ bezeichnet wurde, haben wir in ihrer institutionalisierten und reglementierten Form dem Kapitalismus zu verdanken.
Und genauso wie im Kapitalismus insgesamt ist es auch im Prinzip des Heiratens, das Gefühle, Ökonomie und staatliche Gängelung auf perfide Weise vereint, angelegt, dass es nicht nur Gewinner geben kann, sondern auch Verlierer geben MUSS. Das sind zunächst einmal natürlich die, die nicht heiraten wollen oder können (weiterhin dann alle, die in der Ehe unterdrückt werden etc.). Alle, die sich nicht in staatlich abgesegnte Duos verschweißen lassen, können nämlich nicht von den Steuervorteilen (Lohnsteuer, Erbschaftssteuer, Grunderwerbssteuer etc.) profitieren, sie können nicht die Sondertarife der Versicherungen in Anspruch nehmen, sie können ihnen nahestehende Menschen nicht problemlos im Krankenhaus besuchen usw.
Die, die widerstehen wollen, weil sie vielleicht einen anderen Begriff von Liebe haben oder ein alternatives Lebenskonzept verfolgen möchten, und die, die vielleicht einfach keinen Partner finden, verlieren.
Heiraten wird von zahlreichen Frauenzeitschriften, Boulevardblättern und TV-Shows immer noch als romantisches Ideal propagiert und die Schafe folgen.
Die Ehe als Institution ist meiner Ansicht nach als stabilisierendes Element mitverantwortlich dafür, dass sich Millionen von unglücklicher Singles auf Tinder rumtreiben und fünf Dates die Woche haben, weil es ihr größter Albtraum ist, ein „sinnloses“ Leben allein und ohne Kleinfamilie zu führen.

That said, regen mich besonders Menschen auf, die glauben, dass man irgendwie „cool“ heiraten kann. Die die romantische Idee des Heiratens nicht so weit dekonstruieren können, dass sie glauben, das wäre immer noch ein Liebesbeweis, trotzdem aber denken, dass sie irgendwie lässiger, urbaner oder progessiver sind, wenn sie barfuß von einem Hippie-Pastor abgesegnet werden, ihre Flitterwochen auf der Fusion verbringen, wenn auf der Hochzeitsparty nur Metal gespielt und Sojabällchen serviert werden oder die Gäste danach zusammen ins Berghain gehen und Keta konsumieren.
Eure wie auch immer geartete Performance hat wirklich absolut gar keinen, also wirklich überhaupt keinen Einfluss auf die Tatsache, dass ihr gerade wieder einer exklusiven, patriarchalen, reglementierenden, einfach durch und durch falschen Insitution neuen Atem eingehaucht habt. Im Gegenteil: Durch die pure Oberfläche einer Gegenkultur (von denen fast alle, die ihr zitiert, eh schon völlig kommodifiziert und bedeutungsleer sind, aber whatever) verschleiert ihr im schlechtesten Falle noch die Tatsache, dass es sich beim Heiraten um das Gegenteil von Subversion, nämlich um reaktionäre Affirmation handelt.

Nicht falsch verstehen: Liebt, wen und wie ihr wollt! Einem Menschen zu versprechen, dass man das ganze restliche Leben an seiner Seite verbringen möchte, ihn immer priorisieren will, muss – wie realistisch auch immer das sein mag (in meinen Augen: wenig) – erstmal nichts Schlechtes sein. In Zeiten stets präsenter Selbstoptimierung und Verwertbarkeit kann man einer solchen Beständigkeit vielleicht sogar romantische/widerständige Züge abgewinnen. Das Ganze mit Freundinnen und Freunden zu feiern – why not. Aber warum zur Hölle denn immer noch und immer wieder mit irgendwelchen Wischen vom Amt und auch oft genug noch mit überkommener Symbolik (weißes Kleid + Schleier = unbefleckte Jungfrau → lulz).
Sorry, aber unromantischer geht’s für mich persönlich nicht.

gez. eine, die ihren „Mädchennamen“ nie loswerden möchte

P.S.: Die „Ehe für alle“ ist natürlich gut und richtig, aus dem einfachen Grund, dass es immer noch besser ist, wenn eine falsche Institution etwas weniger ausschließend formuliert ist, als wenn sie das nicht ist.

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