Im Namen des Künstlers
Neulich erzählte mir ein befreundeter Autor, der leider von seinen hervorragenden Texten nur leidig leben kann, von einem Jobangebot, das an ihn herangetragen wurde. Es ging darum, in eine deutsche Provinzstadt zu ziehen, um von dort aus das Leben von Superstar Djs in die digitale soziale Welt zu bringen. Inhaltlich natürlich keine Option, solange Wasser und Strom noch laufen in der Wohnung, abseits davon aber faszinierend, weil hier alles kumuliert, was einem das Bauchgefühl auf Facebook und Instagram und Twitter und wo sonst noch mit falscher Zuge gesprochen wird, sowieso schon vermittelt.
Denn wär hat noch nie gestutzt, angesichts des verkrampften Duktus, mit dem sein Lieblingsmusiker das Konzert des Vortags bilanziert hat oder des kühl distanzierten persönlichen Fotos aus dem DJ Booth, das er anscheinend spät nachts noch aufgenommen haben will, und welches ihm so viel bedeutet, dass er es jetzt unbedingt mit uns teilen will. Oder eben aus dem Standardprogramm: die tolle neue Veröffentlichungen und Remixe und Videos, die uns vom Künstler direkt empfohlen werden.
Tja, jetzt ist es raus: der Bauch hatte immer schon recht. Ein Mac-Jobber auf Mindestlohn muss, ausgestattet mit Tour- und Veröffentlichungsplänen und der Unendlichkeit des Internets, sich in die Realität seines zu repräsentierenden Künstlers hineinfühlen. Dass von jenem selbst viel an Input kommt, erscheint absolet unwahrscheinlich, sonst könnte er den Job ja auch auch gleich selbst machen.
Und so sitzen irgendwo in dieser Kleinstadt also Leute beim Mittagstisch zusammen und unterhalten sich über ihre Fake-Identitäten. Ich musste sofort an den Film „Mister Loneley“ von Harmony Korine denken, in dem sich lauter Look-a-Likes (von Michael Jackson, Marilyn Monroe und Charlie Chaplin bis hin zu Madonna und Shirley Temple) in einer Kommune in den Schottischen Highlands zusammen finden. Nunja, wahrscheinlich eine Spur weniger schizophren geht es in unserer nicht fiktiven Kleinstadt zu – aber schizophren genug.
Man könnte nun argumentieren, dass dies eben nichts anderes als die nächste Epoche der künstlerischen Inszenierung ist, wenn das, was dabei herauskommen würde, nicht so unendlich langweilig wäre – was um so trauriger ist, da viele der Leute, die sich für Geld Dienstleister anheuern einen sehr tollen Humor haben und das mit Links viel besser könnte. Zumal wenn wir das Superstar-Milieu verlassen, wo sowieso das meiste nur Marketing ist, und auf der Stufe drunter das gleiche Phänomen vorfinden, nur dass diese Mac-Jobber nicht den Mindestlohn bekommen und von ihrem WG-Zimmer aus den Esprit der Künstlerischen Freiheit imitieren.
Analog zum Record Store Day wünscht sich Kaput den Social Media Day, an dem alle Künstler ausnahmsweise mal wieder selbst den Blödsinn formulieren, der uns vom Arbeiten ablenkt – manche zeigen ja sehr schön jeden Tag, wie das geht.