Linus Volkmann

Welche Bands Punk kaputt gemacht haben. Teil 2: Egotronic und Turbostaat

An dieser Stelle hier werden regelmäßig Verantwortliche vorgestellt, die Punk zu dem untoten Zombie gemacht haben, der er heute ist. Aus technischen Gründen kann dabei auf niemand Rücksicht genommen werden. Die Redaktion bittet dies zu entschuldigen. Folge 2 der Plastic-Bomb-Kolumne von Linus Volkmann.

15Egotronic
Wer sich einen schönen staatsfeindlichen Abend machen möchte, der besucht gemeinhin ein Konzert der Band Egotronic, dessen Sänger Torsun B. ursprünglich aus Darmstadt, Bensheim u.ä. stammt, mittlerweile aber nach Berlin gezogen ist. Augenzeugen zufolge, um sich vor dem Wehrdienst zu drücken. „Support our troops“? Fremdwörter für ihn (englisch). Für den Mann, der aussieht wie die lichtscheue Version von „Walking Deads“ Rick Grimes. Torsun und seine bleiche Elektrorockgruppe sind dabei aber nur scheinbar ein Bollwerk gegen Vater Scheißstaat („Raven wegen Deutschland“). Unlängst musste ich dies schmerzlich selbst erfahren. Es begab sich zu einer Konzertveranstaltung von Egotronic in Köln und ich mich in den betroffenen Laden – dort staunte ich nicht schlecht. Egotronic spielten emsig ihre Songs und bereiteten ihren Kunden eine schöne Zeit, die sie ihren schrecklichen Alltag für eine Weile vergessen ließ. Euphorisch gestimmt betrat ich nach der Live-Show ihre Garderobe. Erklärung: Ich bin sehr wichtig für die jungen Leute – als eine Art öde Vaterfigur der Szene – und darf daher überall rein. Zudem wollte ich in der Abgeschiedenheit des Backstage das tun, wozu die Gruppe ohne Unterlass in ihren Texten eben auf der Bühne noch geworben hatte: Party-Drogen nehmen. So verstreute ich mit großen Bewegungen mein mitgebrachtes Fliegerspeed über den Fliesentisch im Hinterzimmer des Venues. Ich hatte das dickste Briefchen der Stadt dabei, denn ich wollte, dass die Band mich korrekt findet. Doch dann geht alles sehr schnell. Der schön nagetierige Keyboarder Kilian dreht mir den Arm auf den Rücken, ich denke, er macht einen Spaß, fange aber dennoch an zu weinen. Hilfesuchend wende ich mich an Sänger Torsun. Doch der bellt bloß in seinen Anarchostern-Anstecker die Worte „Zugriff! Zugriff!“ Offenbar ist er verkabelt, die Bullen stürmen den Backstage und ich werde festgenommen. Hinter vorgehaltener Faust erfahre ich bei der Vernehmung immerhin noch den Grund, warum Egotronic mittlerweile wieder Gitarrenpunk statt Elektro machen: Ihr Kontaktbeamter bei der Polizei ist so großer Tote-Hosen-Fan, dass er ihnen diesen Move befohlen hat. Mit Drogen hat die Band dagegen nichts zu tun. Das ist natürlich jedem seine Entscheidung, aber wer sich auf der einen Seite mit dem Konsum von Rauschmitteln schmückt – und dann aber selbst total dagegen arbeitet, besitzt keine Ehre. Meine Meinung!

Die Goldenen Zitronen
Ey, spielt gefälligst endlich wieder „Für immer Punk“. Es ist uns scheißegal, ob ihr jetzt am Theater seid oder 1 Buch gelesen habt.

Alex Schwers
Jemand, der so gut aussieht, hat für mich im Punk nichts verloren. Es geht ja nicht darum, dass man eine Szene nur aus total Hässlichen zusammenzimmert, aber dieses supernice Ruhrpott-Modell, das in jeder relevanten deutschen Punkband Schlagzeug spielt, hat es übertrieben. Zu schön fürs Game! Alex Schwers muss wieder zurück in seinen einstigen Lehrberuf als Heiratsschwindler.

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Eisenpimmel
In den Neunziger Jahren haben Eisenpimmel noch unsere Sprache gesprochen. Also ein kaum zu verstehendes Gestammel voller Kotze im Mund. Doch nun ist dies der Rockgruppe aus Duisburg nicht mehr gut genug. Sänger Tonk und seine Frau Bärbel haben eine Rockoper komponiert über den Krieg, den das Geld global gegen die Menschen führt. Quasi ihr „DMD KIU LIDT“ (Die Manifestation des Kapitalismus in unserem Leben ist die Traurigkeit). Ihre Plattenfirma (Impact Records im Vertrieb von Universal) bat sie allerdings darum, die Stammwähler nicht ganz zu vergraulen. So finden sich auf ihrer Doppel-LP „Viva la nix!“ dann doch immer mal eingestreute Rülpser und bierbezogene Unpässlichkeiten. Doch das hilft alles nichts, am Ende dieser Platte hat man was gelernt. Was soll das?!

Turbostaat
Aber man ahnt natürlich, wer den labilen Neptun-Pils-Trinkern von Eisenpimmel das Stroh in den Kopf gesetzt hat, Punk müsse seit neustem schlau sein. Natürlich Turbostaat, der alte Sündenfall aus Schleswig. Pardon, es darf natürlich nicht heißen „schlau sein“ sondern „schlau rüberkommen“. Denn es ist ein offenes Geheimnis, dass keiner der Bandmitglieder rund um den Rockabilly-Dämonen Martin Erbse auch nur den Funken einer Ahnung hat, was all ihre kryptischen Texte eigentlich bedeuten. „Harm Rocheln“, „Ja, roducheln“, „Glufken bei Penne“ oder auch das neueste Hitalbum „Flucht aus Absolom“. Ein Tannenwald aus Zeichen voll verrätseltem Wortgeklingel. Turbostaat wirken damit nicht wie Bier sondern wie “Hefte raus, Klassenarbeit!” Schön mal einen Deutschaufsatz schreiben, Gedicht-Interpretation und wie alles mit dem Weltkrieg zusammenhängt. Dabei aber einen Steifen haben und an die Banknachbarin denken. Oder umgekehrt natürlich.

Ich bitte in jedem Fall alle hier genannten Musikgruppen, dringend ein Umdenken einzuleiten.

Diese Kolumne erscheint in abgewandelter Version auch in der Printausgabe des Plastic Bomb #95.

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