Der Mensch in der Maschine
Am 4. Mai werden in der Essener Kokerei Zollverein Monolake, Anthony Parasole und Randomer im Rahmen von „Try again, fail again, fail better – Impuls Bauhaus” auftreten.
Kaput hat im Vorfeld mit den Initiator_innen Michaela und Markus Freitag (alias Glasersfeld) sowie Fabian Lasarzik (Folkwang Universität der Künste) über das ambitionierte Projekt gesprochen.
Was reizt euch an der Mischanlage der Kokerei Zollverein als Veranstaltungsort? Wie kam es dazu?
Michaela und Markus Freitag: Roughe und puristische Locactions mit industriellem Design haben uns beide schon immer sehr angesprochen und sind seit bald zehn Jahren mit Events im Goethebunker Essen, in der alten Rotunde in Bochum und im Düsseldorfer Golzheim ein Markenzeichen unserer Aktivitäten geworden.
Dies jetzt in der Mischanlage mit ihren beeindruckend massiven Betontrichtern nochmal auf einem ganz neuen Niveau fortführen zu können, hat uns natürlich sofort elektrisiert. Wir denken die Bilder sprechen für sich und die Möglichkeiten auf einem Weltkulturerbe eine solche Veranstaltung machen zu können sind äußerst rar. Durch unsere Begeisterung für das letztjährige Zollverein-Open Air, bei dem zwei Artists gespielt haben, die auch schon mal für unsere Events gebucht waren, kam dann der Kontakt zu Fabian zustande, der auf Zollverein in Sachen Kunst und Kultur schon sehr lange tätig ist. Wir haben uns auf Anhieb super verstanden und hatten gemeinsam direkt viele gute Ideen.
Das Festival trägt den Titel “Try again, fail gain, fail better AGAIN, FAIL AGAIN – Impuls Bauhaus“, die Party “No Matter. Fail Better.“ Könnt ihr ein paar Worte zu dem Motto verlieren?
Fabian Lasarzik: Dieses kurze Zitat stammt aus einem unglaublich kraftvollem und präzisem Text von Samuel Becketts, den er in den frühen 1980er Jahren verfasste. Es fungiert als abstraktes Leitmotiv unseres Festivals.
„Worstward Ho“ beschäftigt mich seit langem, denn das Buch beschreibt den Umstand, dass wir als Menschheit seit dem Aufbruch in die Moderne mit all ihren Ambivalenzen nicht mehr zurück können, sondern wir gezwungen sind, uns unsere Zukunft immer wieder neu zu schaffen und zu versuchen, diese immer wieder besser zu gestalten. Das Bauhaus beanspruchte Formgeber für die Gesellschaft der aufkommenden industrialisierten Moderne vor 100 Jahren zu sein und trat an mit den besten humanistischen Vorsätzen als nötige Utopie. Dennoch führte die Moderne weiterführend auch zu Katastrophen wie 2. Weltkrieg, Holocaust, aber auch die Ausbeutung der Natur und Klimawandel usw. vom Plattenbau ganz zu schweigen…
Wir scheitern mit unseren Utopien ja, das wird immer so sein, aber es muss Anspruch sein, besser zu scheitern. Und am Anfang jeder neuen Haltung zur Zukunft sollte stehen: „Go for Good. The Good and All.“ Der Text Becketts ist minimalistisch und klar; er gibt Kraft, ist aber auch düster: Nichts ist Zuviel, nichts Zuwenig. Eigentlich wie ein guter Technotrack!
Für die Veranstaltung finden mit der Folkwang Universität der Künste, der Partyreihe Exit Strategy und dem Team der Wuppertaler Mauke drei Akteure zusammen, die man nicht sofort in gemeinsamer Mission vermuten würde. Wie kam es dazu? Wie hat man sich den Austausch vorzustellen?
Michaela und Markus Freitag: Mit Tom und Julian von der Parlour Gang aus der Mauke und der Exit Strategy gibt es die schöne Geschichte, dass sie früher die Exit-Parties in der Rotunde besucht und dort auf den Partys mit Sigha und Shifted und der letzten mit Parasole – laut eigener Aussage – wahre Erweckungserlebnisse hatten. Als sie dann 2016 so richtig als DJs und Veranstalter in der Mauke loslegten, haben sie uns (Glasersfeld) als erstes Booking gemacht und wir haben festgestellt, dass wir extrem auf einer Wellenlänge liegen. Seitdem ist es immer wieder zu gegenseitigen Bookings gekommen, wir haben uns angefreundet und Julian ist auch seit längerem unser Design-Mastermind.
Die Connection zur Folkwang kam dann wiederum durch Fabian zustande, der nicht nur ein Mann der Hochkultur und künstlerischer Leiter des Bauhaus-Festivals ist, sondern auch die elektronische Subkultur als Bereicherung seiner Konzepte sieht.
Ihr schreibt, dass das “legendäre Bauhaus als erfolgreichste Kunst- und Designbewegung der Welt, die als Impuls aus der elektronischen Musik nicht wegzudenken ist“. Das liest sich erstmal sinnstiftend, aber andererseits ist es ja auch nicht so, dass man beim Bauhaus wirklich an elektronische Musik denken muss. Wie kam es zu dem Handlungsstiftenden Leitmotiv?
Fabian Lasarzik: Die grundsätzliche Auseinandersetzung „Mensch-Maschine“ war am Bauhaus ein großes Thema. Das „neue Sehen“ in der Fotografie, aber auch der Begriff und das aufkommende Verständnis des NEUEN MENSCHEN durchzog viele künstlerische Überlegungen. Das Verhältnis des Menschen zur sich rasant und disruptiv durchsetzenden Technik, den Maschinen und den industriellen Produktionsweisen waren elementar.
Doch auch der direkte Bezug zu Musik & Technik ist vorhanden, wenn man näher schaut: Laszlo-Moholy Nagy sagt in einem Text von 1922 („Produktion und Reproduktion“), dass wir das Grammofon nicht als Abspielgerät, sondern als Instrument begreifen müssen. Daraufhin verfasst er Anleitungen wie Schallplatten zu ritzen sind, um klanglich und rhythmisch damit zu arbeiten. Kaum einer kennt das, aber vielleicht ist ja Moholy-Nagy in Weimar der Urvater des HipHop und Scratchings? Nein, im Ernst: Seine Überlegungen sind wirklich profund: So sagt er an anderer Stelle, dass der Mensch sich nicht durch die Maschine, sondern in der Maschine findet. Wie zutreffend und aktuell ist denn bitte dieser Satz?
Denkt ihr dass die gebuchten Musiker jeweils einen eigenen Bezug zu dem Leitthema haben?
Fabian Lasarzik: Ich glaube dass hochwertige elektronische Musik eine künstlerische Auseinandersetzung mit unserer allgegenwärtigen digitalen wie analogen Technik, der Automatisierung, der allgemeinen Serialität usw. darstellt. Diese Themen wurden im Bauhaus erstmals aufgegriffen und setzen sich heute in digitaler Rasanz weiter fort. Kunst, egal ob populär oder hochkulturell, reflektiert immer die Gegenwart. Sonst hat sie keine Relevanz oder ist l’art pour l’art.
Ich glaube, dass unsere Bookings dafür stehen. Und mit Robert Henke alias Monolake haben wir zudem einen bildenden Künstler, der für die Verbindung zwischen Technik/Handwerk und Kunst/Musik steht. So ist er ja Mitbegründer und Entwickler der weltweit erfolgreichsten und besten Software für elektronische Musik, Ableton Live. Seine künstlerischen Ergebnisse sind oft aus der Beschäftigung und Faszination für technische physikalische Phänomene entstanden. Damit steht er durchaus in der guten Tradition der Bauhausmeister, wie ich finde.
Lasst uns noch kurz über eure drei Bookings sprechen – konkret mit der Leitfrage, warum ihr sie jeweils angefragt habt.
Randomer
Michaela und Markus Freitag: Der ganze UK-Kosmos ist für uns seit Jahren mit Bookings wie Objekt, Untold, Blawan, Shanti Celeste oder Jackmaster immer wieder Inspiration, Antriebsmotor und Bezugspunkt. Insofern keine Überraschung, dass wir diesen sehr umtriebigen wie vielfältigen Meister diverser Genres schon länger auf der Rechnung haben. Zusätzlich reizte es uns, dass er noch nie im Ruhrgebiet gespielt hat. Ein echtes Wunschbooking seit Jahren, das wir nun mit den größeren Rahmenbedingungen der Mischanlage endlich realisieren können.
Anthony Parasole
Michaela und Markus Freitag: Er hat uns 2015 bei unsere letzten Party in der Rotunde restlos überzeugt und den Laden nach allen Regeln der Kunst auseinander genommen. Er hat wirklich einen ganz eigenen Style, spielt Techno wie ein House-DJ und House wie ein Techno-DJ, nicht umsonst ist er schon lange Resident im Berghain und für seine speziellen Closings bekannt. Anthony ist echtes Tier an den Decks mit jeder Menge Knowledge und Erfahrung, nach unserer Meinung noch immer extrem unterschätzt, auch hinsichtlich seiner Produktionen.
Robert Henke
Michaela und Markus Freitag: Zum einen weil er mit seiner Installation im SANAA-Gebäude der Hauptkünstler der ersten Festvialeinheit ist. Aber natürlich auch weil wir seit vielen Jahren Fans seiner Musik sind. Vor allem in der aus heutiger Sicht musikalisch recht mageren Zeit der mittleren Nullerjahre stach er mit seinen Produktionen deutlich in die Zukunft weisend heraus. Außerdem ist es immer wieder erfrischend seinen ebenso intelligenten wie unprätentiosen Betrachtungen zu diversen Themen zu lauschen.
„No matter. Fail better. x Mischanlage“
Samstag, 04.05.2019, 22:30 Uhr
Mischanlage, Kokerei Zollverein, Kokereiallee 71, 45141 Essen
Line-Up:
Monolake live (Chain Reaction, Imbalance Computermusic / GER)
Randomer (Clone Records, L.I.E.S. Records / UK)
Anthony Parasole (Ostgut Ton, Dekmantel / USA)
Parlour Gang (MAUKE / Wuppertal)
Glasersfeld (Exit Strategy / Essen)
Tickets: https://www.eventbrite.de/e/no-matter-fail-better-x-mischanlage-tickets-56195694836