Diary (Part I)

Mondschein Psychose unterwegs – The Doctorella Tourtagebuch

9. November 2024,

Die hochverdichtete Kult-Band The Doctorella um das feministische Pop-Autorinnen-Zwillingspaar Kersty und Sandra Grether hat den behaglichen Lebensraum Berlin verlassen und bespielt aktuell hiesige Clubs. Für das kaput-mag führen sie Tagebuch – zum Mitfiebern an den Bildschirmen.

[Kersty] Hey Ihr Glitzereichhörnchen, wir kommen! Whoooaa. Dies ist das Tour-Tagebuch der Gruppe The Doctorella. Wir schreiben hier alle zusammen über unsere “Mondscheinpsychose, Bordsteinrose“- Tour, die uns in dieser Etappe durch Hannover, Wetzlar, Köln und Wiesbaden führt. Wir hatten bereits zwei Shows: in Berlin und Erfurt und übernächste Woche sind wir auch wieder on the road … aber da sind wir gerade noch nicht. Eigentlich könnten wir allein ein ganzes Tagebuch damit füllen, warum wir unser Hamburg-Konzert am letzten Mittwoch nicht gespielt haben. Das heißt, warum der Veranstalter es abgesagt hat, aber auch wenn wir das bereits in den sozialen Medien erklärt haben, so ist es doch auch schön, mit einem Geheimnis, mit etwas Mystik in dieser Woche zu starten. Eine Woche, die ja nun nicht arm war an mysteriösen Ereignissen. Sascha erzählt Zug vom Ostkreuz zum BER, wo Daniel uns gleich mit dem Auto abholen wird, dass er damit gerechnet hatte, dass Trump die Wahl gewinnt. Er hat es sogar nachts um vier geträumt, und dann habe er im Traum gedacht: gut, dass ich das jetzt weiß, dann muss ich mir die Nachrichten ja gar nicht erst anschauen. Und dann erst richtig ausgeschlafen. Bevor dann wieder die Tour-Vorbereitungen weitergingen.

Ich, Kersty die Tagebuchbeauftragte, habe es mir hingegen richtig schön gemütlich gemacht: mich auf den Moment vorbereitet, wo ich erfahre, wer die Wahl in Amerika gewonnen hat. Ich dachte wirklich, Kamala Harris würde die nächste und damit erste weibliche, schwarze Präsidentin der Vereinten Nationen, umso enttäuschender als ich die Meldung lese: Baerbock gratuliert Trump zum Wahlsieg. Vero Kracher schreibt auf Instagram: Der Faschismsus hat in Amerika gesiegt und wir  gehen zu Morgenkonferenzen.

Umso besser also einfach auf zu Tour zu fahren und wie in einer Mondscheinpsychose alles hinter sich zu lassen, das Böse in Grund und Boden zu rocken. Mittlerweile sind wir im Backstage in Hannover angekommen. 50er-Jahre-Desgin, gemütliche Sofas, super Catering: Gordon stellt fest, dass Sandra Linkshänderin ist. Sie macht die Setlist und erzählt dabei, dass es für sie so viel mehr fun ist zu spielen, weil sie mit der linken Hand die Gitarre greifen darf. Gordon sagt:” Ringo Starr is a left handed drummer but plays on a drumkit that is set up right handed.“ Gordon spielt seit neuestem auch bei uns mit, abwechselnd mit Sascha, mal Bass, mal Gitarre, er hat in einer kurzen aber prägnanten Session in der Dienstagnacht mal so eben alle unsere Songs zum ersten Mal mit uns im Proberaum gespielt. Ja, Gordy hat auf der Rückfahrt Zug von Zürich nach Berlin alle Lieder für sich selber einstudiert, genial. Man könnte es aber auch andersrum sehen: Andere Musiker:innen bräuchten ihr halbes Leben um diese komplexen Songs zu erfassen, Gordy braucht dafür nur 7 oder 8 Stunden.

Die Feinkostlampe in Hannover gehört zu den schönsten Liveläden, die ich in langer Zeit gesehen habe: ein Aquarium im Bad, eine Glaskerze mit allerlei blinkblinkenden Schätzen drin: u.a. eine Puppe von der englischen Königin, eine Weltkugel im backstage Raum und russische Puppen in allen Größen, wie ein Museum der schönen Dinge. “I get close to the other side”, singt Daniel Benyamin, der heute acht neue Songs performt, die er noch nie zuvor auf der Bühne gespielt hat.
Die  Melodien sind vom Feinsten, und ich hab ein schlechtes Gewissen, dass ich unserem Tourmanager, Produzenten und Schlagzeugzeuger vor seinem Premierenauftritt noch das letzte Tässchen Grüner Tee weggetrunken habe.

Daniel sagt, er sei negativ excited vor seinem großen Auftritt und ich bestehe darauf, dass er jetzt sofort das Negative ins Positive wendet. Aber Daniel ist sowieso gut drauf, seine Augen leuchten wie dunkle Johannisbeeren, auf die es gerade noch drauf geregnet hat, und jetzt scheint schon wieder die Sonne. Wir freuen uns sehr, es sind schon viele Fans da, die Erwartung, die neuen Songs endlich den Menschen zu präsentieren, macht das Excitement von alleine positiv. Die neuen Lieder wissen zu begeistern, sie haben dieses nebel-düstere Melancholie und sind dabei sehr on the ground und minimalistisch. Daniel macht Witze zwischen den Songs und ich freue mich, dass er auch diese new-wavigen-Melodien hat; auch wenn er vielleicht sogar mehr von Todd Rundgren beeinflusst ist als von New Wave.

Ich bin wie immer die einzige, die vor dem Auftritt nicht aufgeregt ist, ich habe Höhenangst, weshalb ich heute auf den Rolltreppen am BER schon so manche Schrecksekunde ausgestanden habe. Ich habe Krankheitenangst, weshalb ich die ganze Zeit ein Fenster auflassen muss, weil ein Bandmitglied hustet. Bühnenangst hab ich keine. Sandra sagt, ich soll so einen Auftritt nicht immer so auf die leichte Schulter nehmen. Ich widerspreche. Es hat noch keinem Menschen geschadet, entspannt eine Bühne zu betreten.

Wenn man sich zu sehr fokussiert auf etwaige Fehler oder aber auch auf etwas, die man unbedingt will, ist das der Sache nicht unbedingt dienlich. Viele Musiker:innen scheinen zu denken, wenn sie vorher nicht aufgeregt sind, dann versagen sie auf der Bühne. “Das dritte Lied von Daniel, das war ein Welthit”, sagt Sandra, die in den Backstage kommt, während ich Tagebuch schreibe.  Sie will das Fenster wieder zumachen.
Nach dem The Doctorella Set sind wir alle superhappy, das Publikum war begeistert und hat sogar zu ” Wenn wir tot wären” getanzt.
Sandra, was sagst du zum Konzert in Hannover?

[Sandra schreibt uns dafür einen Brief, wie geil ist das denn?]

Und wer das Analoge schätzt… die Briefchen an euch von The Doctorella sind noch nicht fertig! Auch bereits erwähnter Schlagzeuger, Booker, Produzent und Bartträger Daniel Benyamin hat den Stift rausgeholt.

Und zum Schluss nun noch ein paar visuelle Eindrücke. Das Auge reist am Ende ja doch auch immer mit. The Doctorella on tour – wie sieht das alles aus? Seht selbst!

Daniel, Gordon, Kersty

Sandra in Erfurt

Frühstück in großer Runde in der “Universal Drogerie” zu Erfurt

Kersty und Sandra – irgendwo auf halber Strecke beim Boxenstopp

Daniel, Toni, Gordon in Hannover

Schöne Grüße, Eure Kersty!

Mit Sascha Backstage in Hannover

Daniel Benyamin in Hannover

Sandra und Kersty in Hannover / Foto: Radoslaw Rudyk

Sascha auf der Bühne der Berghain Kantine in Berlin

Kersty und Gordon spielen einfach auch mal bei Daniel Benyamin mit. Im Franzis in Wetzlar.

Sandra angestrahlt von der Hannover Feinkostlampe

Die nächsten Konzerte:

09.11. Köln
10.11. Wiesbaden
20.11. Berlin
21.11. Rohrschacht / Schweiz
22.11. Esslingen
23.11. Chemnitz
_
29.01. Tübingen
30.01. Karlsruhe
31.01. Freiburg
01.02. Weinheim
02.02. München

==> Tickets <==

Verlagssitz
Kaput - Magazin für Insolvenz & Pop | Aquinostrasse 1 | Zweites Hinterhaus, 50670 Köln | Germany
Team
Herausgeber & Chefredaktion:
Thomas Venker & Linus Volkmann
Autoren, Fotografen, Kontakt
Advertising
Kaput - Magazin für Insolvenz & Pop
marketing@kaput-mag.com
Impressum – Legal Disclosure
Urheberrecht /
Inhaltliche Verantwortung / Rechtswirksamkeit
Kaput Supporter
Kaput – Magazin für Insolvenz & Pop dankt seinen Supporter_innen!