„Zwei prallgefüllte Säcke Wechselgeld“ – C.R. Rodenwald über Heikedine Körting
C.R. Rodenwald … wer bekommt nicht schon bei diesem Namen George R. R. Martin Vibes? Nur dass Rodenwald nicht mit Westeros oder Winterfell handelt, sondern als Popkultur-Historiker die Welt von Rocky Beach kartographiert. Der Wahl-Berliner (Spandau) veröffentlicht Bücher zu den Drei Fragezeichen und hat nun die Biographie von Heikedine Körting verfasst. Körting gilt als die Personifikation des hiesigen Hörspielbooms von den Sechziger Jahren bis heute. Linus Volkmann sprach mit C.R. Rodenwald über sein Buch „Die Königin der Hörspiele“.
Du bist tief in dem Hörspielkosmos verankert. Hat sich deine Perspektive mit der Zeit gewandelt? Bist du immer noch Fan wie als Kind oder pflegst du heute einen objektiveren mitunter auch kritischen Blick auf das ganze Phänomen und seine Produkte?
C.R. RODENWALD Meine Liebe zu Die drei ??? hat sich definitiv geändert, aber die Serie wurde durch meine Bücher nicht entzaubert. Natürlich lese und höre ich Die drei ??? heute viel bewusster. Aber das macht es auf einer höheren Ebene umso schöner. Es ist also dank mehr Objektivität zu mehr subjektivem Genuss gekommen. Klingt komisch, ist aber genau so.
Unkritisch sollte man aber ohnehin nie sein. Ich war noch nie der Typ dafür, etwas unkritisch zu verklären. Vielmehr verstehe ich jetzt dank meiner Recherchen, warum mir einige Sachen besser gefallen als andere. So bin ich als Historiker an Regionalgeschichte interessiert. Und es waren gerade solche Fälle wie PHANTOMSEE oder TEUFELSBERG, die mich in ihren Bann zogen – allesamt von meinem Lieblingsautor William Arden.
Es gab ja durchaus schon Bücher über das Wirken von Europa und konkret auch dem von Heikedine Körting. Was wolltest du anders machen mit deinem Buch?
Es gab sowohl zu den Drei ??? als auch über Heikedine Körting und deren Hörspiele Bücher, die schlaglichtartig einzelne Aspekte beleuchtet haben. Das waren keine Lexika, hatten aber auch nicht den Anspruch „die ganze Geschichte“ zu erzählen. Als Historiker wollte ich mit „Die Welt der drei Fragezeichen“ und „Die drei ??? und die Welt der Hörspiele“ eine gewisse narrative Kohärenz reinbringen. Das heißt: von Adam und Eva bis heute – und das möglichst chronologisch. Denn nur so kann man – meines Erachtens – auch Brüche gut darstellen. Schlaglichtartige Darstellungen konzentrieren sich oft auf Höhepunkte. Mich hat es aber auch immer fasziniert, was passiert ist, als nach außen hin eigentlich nichts passiert ist. Ich denke, mit meinen Büchern habe ich ein Stück weit zur Kanonisierung und Historisierung – vor allem von Die drei ??? – beigetragen. Mein Buch „Heikedine Körting. Die Königin der Hörspiele“ ist eine autorisierte Biographie mit ganz tiefen Einblicken. Sie hat sich sehr geöffnet und auch einen Blick in alte Tagebücher oder (Blaue) Briefe gewährt. Einen derart intimen Blick hinter die Kulissen gab es noch nicht.

C. R. Rodenwald und Heikedine Körting bei der Materialsichtung (Foto: Privat)
Wenn man dich abends an der Bar träfe und nach einer Anekdote aus Heikedines Leben fragen würde, die kaum einer kennt. Welche würdest du erzählen?
Ich würde vielleicht erzählen, wie sie ihren kleinen Neffen mit dem Fahrrad zur Bank geschickt hat, um dort etwas abzuholen. Es waren dann zwei prallgefüllte Säcke mit Wechselgeld. Der arme Kerl hatte zum einen etwas Angst, dass man ihm das Geld klauen könnte, wusste aber auch gar nicht, wie er den Zaster überhaupt mit dem Rad ins Studio schaffen konnte. Am Ende ging aber alles gut. Frau Körting hat kleinen Kindern immer viel zugetraut, wichtige Aufgaben übertragen. Das finde ich gleichwohl mutig wie beeindruckend.
Heikedine ist ja nicht nur eng mit der Legacy des einflussreichen Hörspiel-Labels Europa verbunden, sie ist es quasi selbst. Wenn sie doch einmal in den Ruhestand geht, wird die Marke einfach so weiter funktionieren können?
Das „Studio Körting“ ist schon seit über 35 Jahren ein Satellit – anfangs von BMG, heute von SONY. Frau Körting produziert exklusiv für das Label EUROPA, aber nicht mehr alleine. Die drei ??? Kids erscheinen auch unter dem berühmten Logo, werden aber nicht von ihr verantwortet. Von daher würde die Marke wohl auch ohne Frau Körting weiter funktionieren. Es ist clever, dass mit den Kids und Junior-Ablagern bei Die drei ???, TKKG und Fünf Freunde bereits an die Zukunft gedacht wird. ABER: ohne Frau Körting werden die Klassikerserien nicht mehr so funktionieren wie heute. Aber bekanntlich ist die Zukunft in doppeltem Sinn anders: anders als die Gegenwart und anders als wir sie uns vorgestellt haben. Ich habe außerdem bei Frau Körting keine Abnutzungserscheinungen erkennen können.
Es gibt ja in jeder Biographie auch kontroverse Momente und Ereignisse. Wie konntest/wolltest Du z.B. mit dem langwierigen Streit um die Originalmusik in dem Buch umgehen?
Das ist natürlich ein Thema, das im Leben von Frau Körting über viele Jahre immer wieder aufgeploppt ist. Genaugenommen ist sie dabei aber nur eine Randfigur. Sie war damals selbst nur freie Mitarbeiterin. In der Biographie wollte ich es trotzdem nicht ausklammern. Ich hatte mich dem Thema in „Die drei ??? und die Welt der Hörspiele“ bereits seitenlang mit Carsten Bohn und dem Rechtstreit um seine Hörspielmusik befasst – meines Erachtens erschöpfend. Das Buch wurde dann ja sogar von SONY vertont. Carsten Bohn ins Boot zu holen, hat damals leider nicht geklappt. Das war sehr schade.
Du hast über die Welt der Drei Fragezeichen geschrieben und jetzt über Heikedine. Ist damit im Hörspielchronisten-Sektor alles erreicht für dich, oder gibt es noch etwas aus dem Bereich, das du gern in deinem Portfolio hättest?
Das nächste Buch über Die drei ??? ist schon in Arbeit. Das Schreiben euphorisiert mich geradezu, weil die Geschichte der Drei ??? in einigen Teilen umgeschrieben werden muss. Da werden einige Geheimnisse gelüftet werden. In erster Linie schreibe ich immer für mich selbst. Dann kann ich wenigstens sichergehen, dass es zumindest einem gefällt. TKKG möchte ich mir auch noch einmal vorknöpfen. Dann habe ich schon angefangen, ein Kinderbuch zu schreiben. Das geht so in Richtung „Meine Freundin Conni“. Zu guter Letzt würde ich gerne meine Liebe für Mittelalterrock und Dudelsackmusik aufarbeiten. Ob sich das ein Verlag antut?
Wenn du dich heute entscheiden müsstest, was wären deine drei liebsten Folgen der Drei Fragezeichen?
Die Top 2 sind ganz leicht: PHANTOMSEE und TEUFELSBERG. Die dritte Folge ist umkämpft. Da sage ich spontan NEBELBERG. Da passt auch alles: Natur, Nebel, Nebelphantom – und es spielt ein Schriftsteller mit, der sich zum Schreiben in diese Bergpension verzieht. Das finde ich toll. Ich niste mich manchmal auch in einer Ferienwohnung in Mecklenburg mit Seeblick ein. Aber nur in der Nebensaison, wenn es schön nebelig ist…
Interview: Linus Volkmann

C. R. Rodenwald (Foto: Privat)