Angelika Lepper (Acid Maria) im Gespräch mit Sonia Güttler (Sonae)

“Gesellschaftlicher Wandel ist ohne nachhaltigen Druck nicht denkbar”

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female:pressure

Aus Anlass der am 24.3. im Kölner Studio 672 stattfindenden “female:pressure”-Nacht haben sich Sonia Güttler (aka Sonae) und female:pressure-Mitbegründerin Angelika Lepper (aka Acid Maria) für Kaput zu einem Gespräch über den steten Kampf um Wahrnehmung in einer noch immer von Männer dominierten Musikwirtschaft getroffen, aber auch über Themen wie die Flüchtigkeit des Moments in Dj-Sets und die ambivalenten Gefühle hinsichtlich der Archivierung des Moments wurden diskutiert.
Neben den beiden werden an diesem Abend auch Waltraud Blischke und Diana Jones auflegen.  

Sonia Güttler: Im März spielst du auf unserer female:pressure Clubnacht im Studio 672. Beginnen wir unser Gespräch doch passenderweise bei female:pressure, dem Netzwerk, das du mitgegründet hast.
Angelika Lepper: In erster Linie ist female:pressure ein Netzwerk, das sich inzwischen einen Namen gemacht hat und dadurch zu einem Label geworden ist. Die Aktivitäten der Netzwerkmitglieder füllt das Label dann mit Inhalt auf – nach wie vor eine wichtige Aufgabe, denn es hat sich noch nicht genug verändert.
Für mich scheint es wie die Wiederkehr eines veralteten Klischees, Frauen könnten nicht solidarisch handeln. Das Netzwerk female:pressure gibt es seit zwanzig Jahren und mich wundert es, mit welchem Sonderlingstatus es noch immer betrachtet wird. Wenn sich Männer vernetzen und Lobbyarbeit betreiben, interessiert das niemanden. Selbstverständlich ist es für Frauen in einer Männerdomäne umso wichtiger, sich zu solidarisieren, schließlich geht es in Subkulturen auch um persönliche Kontakte.

Manchmal habe ich schon die Befürchtung, dass musikfeministisches Engagement deutlicher wahrgenommen und abgebildet wird, als die eigentliche künstlerischen Arbeit.
Wofür ich leider auch keine griffige Lösung parat habe. Doch von dem eigenen künstlerischen Plan darf man sich dadurch nicht abbringen lassen: Mutig weitermachen! Gesellschaftlicher Wandel ist ohne nachhaltigen Druck nicht denkbar, und so ähnlich verhält es sich mit weiblichen Positionen in der elektronischen Musik. Es gilt niemals aufhören, vom eigenen Werk zu sprechen. Gebetsmühlenartig, auch wenn man damit mal anecken kann.

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Acid Maria in the mix

Das ist eine plausible Strategie für den eigenen Umgang mit der Situation, aber die Außenbetrachtung zählt ja nunmal auch – und da wird Feminismus auf wundersamste Weise gedeutet.
Hier stelle ich auch immer wieder Missverständnisse fest. Wenn beispielsweise Festivals unter dem Aspekt der Diversität die Sprecherinnen der Panels mit in die Artist-Quote hineinrechnen und sich dann über viele Frauen im Line-up freuen – auf den Bühnen im Musikprogramm ändert sich da nichts. Zwar wird der Relevanz des Thema Diversität eingeräumt, nur um die künstlerische Arbeit von Frauen geht es noch immer nicht mit der gleichen Selbstverständlichkeit, wie um die der Männer.
Ähnliches kann man im Journalismus beobachten, wo sich Autoren regelrecht an der Geschlechtlichkeit auf der Bühne festbeißen, anstatt sich dem Werk zu widmen; wird über eine Elektronikmusikerin oder einen weiblichen DJ berichtet, geht es fast immer um ihr Geschlecht.

Feminismus wird oft als „Frauending“ missverstanden, dabei soll es das ja nicht sein – female:pressure ist kein „Frauending“, auch unsere Clubnacht ist kein Frauending. Es geht um Kunst, um Musik, bierernste Elektronik für die Tanzfläche.
Was ist es dann? Es geht um Gleichberechtigung, Selbstbestimmung und um ein Signal gegen Sexismus. Es geht um fundamentale Werte, die von niemandem ernsthaft in Abrede gestellt werden können.

Was ist mit der Selbstverständlichkeit? Jener Selbstverständlichkeit, die es gäbe, wenn sich Menschen und Medien bei Elektronikerinnen nicht immer gleich auf das sogenannte Genderthema stürzen würden.
Der Feminismus ist die akademische Disziplin, die im Idealfall einmal zu dieser Selbstverständlichkeit führen kann. Ich fände es schön, wenn die Themen des Feminismus nicht länger als Bedrohung, sondern als Befreiung wahrgenommen werden – und zwar von allen.

Sonae_Artikel

Sonae

Angelika, bitte erzähle mir von deinem Werk.
Bis in die Nullerjahre hinein habe ich das Djing als Klangforschung betrachtet, auch als tanzpädagogischen Beitrag. Mir ging es um die Vereinbarung von Inhalten, aber auch um Reibung. Die größte Freude am DJ-Sein ist für mich aber das Versinken in einem Werk, das nur in Echtzeit existiert. Ich hab auch jahrelang keine Mitschnitte gemacht, weil ich an die Kopplung des Inhaltes an einen spezifischen Ort und eine bestimmte Zeit geglaubt habe. Die Flüchtigkeit des Moments hab ich immer sehr geliebt.

Siehst du das inzwischen anders?
Inzwischen bin ich nicht mehr gegen Mitschnitte. Denn die Aufzeichnung dokumentiert nur das Werk und seinen Entstehungsprozesses, zerstört aber das Werk und seinen Moment nicht.

Hattest du Befürchtungen, die Aufzeichnung könne den Werksmoment beeinflussen?
Es sollte die Mühe wert sein, diesem Moment beizuwohnen. Sich dafür aufzumachen. Aber seitdem Inhalte nicht mehr zwangsläufig zu einer vereinbarten Zeiten wahrgenommen werden müssen, sind wir mit einem Paradigmenwechsel konfrontiert, der auch die Wahrnehmung für Werke verändert hat. Ein flüchtiges Werk wie ein Mix, der an einem bestimmten Ort entsteht, wird heute ganz selbstverständlich auch in dokumentarischer Form anderen Orts wahrgenommen. Früher gab es auch schon Aufzeichnungen, es gibt alte Tapes von mir, aber ich hätte selbst nie archiviert. Es freut mich aber, in den Archiven anderer Leute zu stehen. Dass meine Mixe auch nach so langer Zeit noch geschätzt werden.

Wie hat sich denn dein Arbeitsalltag als DJ gewandelt? Wird er noch immer bestimmt von  Platten kaufen, News hören, Mixe vorbereiten?
Ich habe es geschafft, eine ganze Reihe technologischer Innovationen lange schlichtweg zu ignorieren. Schallplatten hatten auf mich einfach die größere Anziehungskraft, aber auch das hat sich bei mir verändert: der nächste gute Plattenladen ist über eine Stunde entfernt; da eine Regelmäßigkeit zu entwickeln, ist schwierig. Inzwischen kaufe ich Tracks digital, sortiere sie mir aber als CD. Gelegentlich bestelle beim Hardwax, ich habe einen hohen Anspruch hinsichtlich der Aktualität, ich spiele gerne neue Releases, hab gerne frischen Stuff dabei. Dazu noch ne Kiste Platten. Die digitalen Optionen sind eine große Verlockung, doch deren Einfachheit schreckt mich widerum ab: es ist so einfach, zwei Sticks dabei zu haben – aber ich will doch nicht mit Listen auflegen.

Digitales auflegen hat für mich so etwas unwirkliches, ich persönlich finde den Umgang mit Schallplatten viel schlichter und natürlicher. Ich mag das Geleuchte von Displays auch nicht.
Vorhören von Schallplatten und im Case wühlen ist auch etwas anderes, als Tracklisten durchzulesen. Ob da andere Hirnareale aktiv sind?

 

 

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