„Ich glaube an Veränderung durch Musik.“
Im Oktober hat Bernadette La Hengst, ehemaliges Mitglied der Bands Die Braut haut ins Auge, Schwabinggrad Ballett und Die Zukunft und bekannt für den politischen Charakter ihrer Kunst, mit „Save The World With This Melody“ (Trikont) ein neues Album veröffentlicht. Unter anderem beschäftigt sich die Hamburger Musikerin auf diesem mit dem Thema Klimawandel. Im Vorfeld des Weltklimagipfel in Paris, der vom 30.11. bis 13.12. stattfinden wird, hat Kaput Bernadette La Hengst dazu befragt.
Bernadette, ganz profan als Einstiegsfrage: Wie kamst du auf die Idee, ein Album aufzunehmen, das sich mit Fragen der Umwelt- und Klimapolitik auseinandersetzt?
Mein Album handelt nicht nur vom Klima, sondern zum Beispiel auch vom bedingungslosen Grundeinkommen, dem Bleiberecht der Geflüchteten, der HongKonger Regenschirm-Bewegung, der Liebe und einigen weiteren Sachen. Der Albumtitel bezieht sich auf das gleichnamige Lied „Save The World With This Melody“, für das ich die etwas größenwahnsinnige Idee hatte, mit einer Melodie die Welt (vor dem Klimawandel) zu retten. Entstanden ist es für den theatralen Kongress „Save The World“ im Theater Bonn 2014, für den KünstlerInnen mit ExpertInnen des Klimawandels als Teams zusammen gestellt wurden. Ich hatte das Glück auf Nick Nuttall zu treffen, den Pressesprecher des UN Klimasekretariats. Wir standen also vor der Frage, was man in 15 Minuten macht, um das Publikum emotional für das Thema zu öffnen? Unsere Antwort: Zusammen singen. Als climate fairy und climate future man haben wir mithilfe des Publikums singend die Welt vor dem Untergang gerettet. Musikalische share economy, teilen anstatt überproduzieren und konsumieren.
Diesen Trick wende ich ja regelmäßig in meinen Theaterprojekten an, denn gemeinsames Singen hilft, aus der Lethargie-Zuschauerfalle rauszukommen in einen Zustand des aktiven Handelns. Ich glaube an Veränderung durch Musik.
„Save the world with this melody“ (Bernadette La Hengst im Duett mit mit Nick Nuttall, von ihrem Album „Save the world with this melody“):
Gab es so etwas wie Furcht deinerseits, das könne von den Leuten lapidar als sozialdemokratische Idee von Kunst abgetan werden?
Haha, dazu fällt mir ein: „Wer hat uns verraten? Sexualdemokraten!“ Das singt mein alter Kumpel Knarf Rellöm. Du meinst, es besteht die Gefahr, den Soundtrack zur Reform anstatt zur Revolution zu machen? Das Problem, wenn man sich in Songtexten auf aktuelle politische Debatten bezieht, ist, dass man schnell von der Realität überholt wird, und eine politische Forderung, die gestern noch radikal erschien, wie zum Beispiel in der Asylpolitik das Dublin II Gesetz auszuhebeln, morgen schon von der Bundeskanzlerin getragen werden kann. Ähnlich in der Frage des Klimawandels. Deutschland ist ja mit dem Ausbau erneuerbarer Energien in der Welt ganz weit vorne, deshalb brauchen die Deutschen mein Lied eigentlich nicht so sehr wie zum Beispiel die Chinesen.
Ich habe mein Lied letztes Jahr auf meiner Tour in HongKong und Südchina gespielt und mit den Jugendlichen an den Schulen den Text diskutiert. Da ging es mir aber auch um die Frage, wie sie sich ihre Zukunft vorstellen jenseits des chinesischen Leistungsdrucks. Interessanterweise gab es in den Occupy camps des Umbrella Movements in HongKong, die ich dort erlebt habe, auch Diskussionen und Aktionen über den Klimawandel, zum Beispiel haben sie in den Camps den Müll getrennt, was für Hongkong eine Innovation war.
Ich glaube, solange Angela Merkel noch nicht das bedingungslose Grundeinkommen einführen will, das Asylrecht immer weiter ausgehöhlt wird, und der Klimawandel die Flüchtlingsströme der Zukunft auslösen wird, gibt es für meine Lieder ein Publikum jenseits der Sozialdemokratie.
Inwieweit war der Arbeitsprozess mit diesem Leitmotiv ein anderer als sonst? Fiel es dir leicht, das Thema textlich zu fassen zu bekommen?
Ich habe einmal einen Vortrag von Harald Welzer gehört, in dem er sagte, wer sich auf Adornos Zitat „Es gibt kein richtiges im falschen Leben“ ausruhe, werde handlungsunfähig. Das sehe ich genauso.
Wenn man darauf wartet, dass erst der Kapitalismus abgeschafft wird, bevor man das Weltklima ändern kann, dann wird die Welt vorher untergehen. Ich glaube aber, dass es extrem wichtig ist, auf erfolgreiche alternative Lebensmodelle hinzuweisen, und sich zu vernetzen, wie auf der Seite Futur 2.org, auf der nachhaltige Klima-Projekte und alternative Ökonomien in Deutschland, Schweiz und Österreich vorgestellt werden.
Du hast für das Album mit Nick Nuttall, dem Kommunikationschef des in Bonn ansässige Klimasekretariats der UN zusammengearbeitet. Wie kam das? Ging das für ihn in seiner Position denn so leicht?
Nick ist ein sehr talentierter Sänger und Entertainer, er war Ende der 1970er Sänger einer Band in den USA, und diese Leidenschaft hat ihn nie verlassen. Das Theater Bonn hatte ihn gefragt, ob er Teil des „Save The World“-Festivals sein wollte, und für ihn wie für die anderen UN- und NGO-Mitarbeiter war das eine Möglichkeit, mal mit künstlerischen Mitteln ihre Standpunkte zu vertreten. Ich glaube, es war für alle Beteiligten eine Bereicherung.
„Climate Astronauts“ (Bernadette La Hengst gemeinsam mit den Klimabotschaftern, Kindern der Gottfried Kinkel Grundschule in Bonn – der Song hat einen Preis gewonnen beim Global Challenge Youth Music Contest):
Wie reagieren denn deine Hörer auf das Album und das Thema? Bekommst du viel Feedback, suchen sie auf der Tour das Gespräch dazu?
Es ist natürlich immer wieder Thema, gerade weil ja jetzt bald die Klimakonferenz in Paris stattfindet. Das Video zu unserem Song taucht jetzt ab und zu auf, wenn es um die Klimaverhandlungen geht, ich selber hatte zum Beispiel für die Spex vorgeschlagen, ein Gespräch mit Nick über den Zusammenhang von Politik und Popmusik zu machen, in dem es dann ganz konkret um den Klimawandel geht.
Du hast es angesprochen, nun steht Paris denn vor der Tür. Was erhoffst du dir persönlich?
Natürlich möchte ich, dass sich alle Regierungen auf einen Vertrag einigen, und den dann auch einhalten in den nächsten Jahrzehnten. Das heißt, dass die Erderwärmung gestoppt wird, kein CO2 mehr produziert wird, das Geld aus umweltschädlichen Industrien abgezogen wird (Divestment), dass wir die Zeit anhalten und das Wirtschaftswachstum verlangsamen, weniger fliegen, weniger produzieren, mehr teilen, mehr recyclen, der Fleischverbrauch mindestens um die Hälfte reduziert wird.
Was denkst du denn, auf was es letztlich vor Ort hinauslaufen wird?
In der letzten Pressemitteilung der UN hieß es: Die INDCs – die nationalen Klimaaktionspläne von insgesamt 146 Staaten – sind in der Lage, den vorhergesagten Temperaturanstieg bis 2100 auf ungefähr 2,7°C zu begrenzen. Das reicht nicht, aber ich denke, darauf werden sich im besten Falle alle einigen können.
„Der grüne Halsbandsittich“ (von Bernadette La Hengst´s Album „Machinette“):