Clubs unter Druck / Part 2

„Das raubt Zeit, Kraft und Ressourcen“ – Das Conne Island in Leipzig

14. November 2024,

Die Erschütterungen durch den Nahostkonflikt sind überall auf der Welt zu spüren. Auch die alternative Clubszene gerät zunehmend unter Druck von Boykottbestrebungen und Shitstorms von internationalem Ausmaß. Linus Volkmann spricht mit Vertreter*innen dreier betroffener Clubs. Teil Zwei: Das Conne Island in Leipzig. 

Ohne Wenn und Aber: Das Ringen um Solidarität mit der Zivilbevölkerung in den palästinensischen Gebieten ist genauso notwendig wie legitim. Wer allerdings Angriffe auf jüdisches Leben in Europa (und anderswo) als eine Protestform deklariert, entlarvt die eigene Motivation als Antisemitismus.
Zerstörte Stolpersteine, niedergebrüllte Lesungen von Hannah-Arendt-Texten, beschmierte Denkmäler jüdischer Opfer des Nationalsozialismus … all das sendet keine Hilfe an Notleidende in Gaza oder Rafah, sondern ist viel mehr Teil eines globalen Mobbings, dessen Zielrichtung man sich gar nicht ausmalen möchte. Gerade auch die alternative Clubkultur findet sich seit dem Massaker der Hamas vom 7.10.2023 als Stellvertreter-Schauplatz des Nahost-Konflikts wieder. Aktuell sind etablierte linke Konzertlocations ins Visier israelfeindlicher Boykott-Bestrebungen geraten. Die Folge: Konzertabsagen und wirtschaftliche Schieflagen der Clubs. Immobilienfirmen dürfte es freuen, wenn die Chancen wachsen, sich Kulturorte in den Innenstädte einzuverleiben.
In dieser Reihe spreche ich mit Vertreter*innen von drei erhaltenswerten alternativen Clubs, die aktuell (längst nicht nur) kulturell angegriffen werden.

Foto: Wikipedia

Teil 2: Das Conne Island in Leipzig

Conne Island … Kurz nach der Wiedervereinigung gingen die Räumlichkeiten in die Hände einer freien Trägergemeinschaft, der Club bietet Räumlichkeiten für Liveveranstaltungen und wird bis heute autonom bewirtschaftet. Der Name spielt auf den allgemein als links gelesenen Stadtteil an, in dem das Conne Island zuhause ist: Connewitz.

Vor einiger Zeit seid ihr mit einem Statement rausgegangen. Darin zeichnet ihr nach, dass es mehr als nur Versuche gibt, dem Conne Island durch Künstler*innen-Absagen und ähnlichem Boykott zu schaden. Könnt ihr kurz zusammenfassen, was da geschieht?

Das Conne Island setzt sich seit nunmehr fast drei Dekaden mit Antisemitismuskritik auseinander. Es gibt einen israelsolidarischen Grundkonsens, bei dem gleichzeitig versucht wird, immer wieder den differenzierten Blick darauf in einem andauernden Prozess zu schärfen. Das Conne Island hat seit jeher mit Anfeindungen und auch schon mit gelegentlichen Bandabsagen zu tun, das ist also nichts Neues. Jede (Band-)Anfrage wird individuell behandelt, wobei das montägliche offene Conne Island Plenum als alleiniges Entscheidungsorgan im Konsensprinzip fungiert. Kommt es zu kontroversen Anfragen oder auch bei schon bestehenden Bookings, dann suchen wir aktiv die Auseinandersetzung, gehen in den Diskurs und prüfen zum einen die Anfrage auf Conne Island Standards und zum anderen versuchen wir auch aufzuklären und einen gemeinsamen Konsens zu finden.
Seit dem 7. Oktober 2023 kommt es gehäuft zu Bandabsagen. Der Trend geht hin zur kommentarlosen Absage und weg vom Diskurs. Seit 2019 steht das Conne Island (neben dem Berliner Club About Blank und dem Hamburger Kultschuppen Golden Pudel) auf der offiziellen BDS Liste und es wird aktiv zum Boykott aufgerufen. Wir vernehmen, dass dieser Aufruf das Conne Island zu boykottieren nun aktiver genutzt wird von Aktivist:innen. Künster:innen und Agenturen berichten von Nachrichten, die sie in Bezug auf ihren geplanten Gig im CI erhalten, die sie selbst unter Druck setzen und zur Absage bewegen wollen. Die Nachrichten sind mal bessere und mal schlechtere copy/paste Passagen von der BDS Official Seite, aber im Groben können wir sagen, dass die Nachrichten auf dieser Seite und dem Aufruf beruhen. Die Nachrichten erreichen die Künstler:innen, Bands, Agenturen und sogar einige Managements per Mail, als Direktnachrichten über Social Media, aber auch öffentlich einsehbar über die Kommentarspalten bei vorwiegend Instagram. Zudem gibt es noch eine lokale Conne Island Boykott Seite und eine Instagram Page, die sogar damit wirbt, welche Acts ihre Show im Conne Island gecancelt haben, wenngleich die Motivation dahinter (seien es politische Gründe oder Angst) verschwiegen werden. Die beiden Seiten möchten wir an dieser Stelle nicht benennen, da wir ihnen nicht noch mehr Aufmerksamkeit schenken wollen. Dennoch muss erwähnt werden, dass sich einige Wenige sehr viel Mühe geben, das Conne Island zu boykottieren und leider muss auch konstatiert werden, dass es wirkt.

Hat das Statement die Lage verbessert oder seid ihr weiterhin mitten drinnen in diesem Angriff? 

Die Veröffentlichung zum Boykott hat die Lage zumindest dahingehend verbessert, dass wir Transparenz über unsere Situation geschaffen haben und wie wir damit (versuchen) umgehen. Wir wissen, dass es vielen Konzerthäusern so geht und sie sich mit Anfeindungen und Boykotten konfrontiert sehen, daher war es wichtig, dass diese durchaus kritische Lage auch medial Erwähnung findet. Wir haben uns somit auch als Anlaufstelle erkenntlich gezeigt für andere Läden und dies wird glücklicherweise genutzt, sich fleißig vernetzt und supported. Anfeindungen und Bandabsagen sind wir jedoch weiterhin in massiver Form ausgesetzt. Es vergeht eigentlich keine Woche in der es nicht zu einer Bandabsage oder Auseinandersetzung kommt, wobei ersteres häufiger geschieht. Das raubt Zeit, Kraft und Ressourcen.

Ist dieser Konflikt ein aktuelles Ereignis oder begleitet er euch schon länger? 

Der Konflikt begleitet das Conne Island seit circa zehn Jahren intensiver. Vorher waren es nur Einzelfälle und vor allem im UK DJ-Bereich oder auch mal amerikanischer HipHop-Szene zu verorten. Seit dem 7. Oktober und dem Überfall der Hamas auf Israel begleitet uns der Boykott tagtäglich.

Ist es klar ersichtlich, wer diese Kampagne gegen Läden anschiebt, die sich gegen Antisemitismus aussprechen, oder erfährt man das alles nur indirekt?

Am offensichtlichsten ist natürlich die BDS Official Seite, deren Aufruf und Narrative von Aktivist:innen verbreitet werden. Wir wissen aber auch von Einzelpersonen aus Leipzig, sowie Personen von Agenturen aus UK. Ausschlaggebend sind vor allem die – auf den ersten Blick – anschlussfähig erscheinenden und stets mit dem moralischen Kompass spielenden verkürzten Narrative, die von eben jenen Personen unhinterfragt verbreitet werden. Überspitzt gesagt, ist 30 Jahre antifaschistische Arbeit in einem Bundesland wie Sachsen nichts mehr wert, wenn es um das Existenzrecht Israels geht.

Wie schätzt ihr es ein, gibt es ein Interesse der Initiatoren dieser Kampagnen an einem Dialog oder geht es schlicht um Auslöschung von Orten, die sich auch gegen Antisemitismus positionieren? 

Es muss unterschieden werden zwischen Menschen mit einem geschlossenen Weltbild zu dieser Thematik und Leuten, die zumindest ein Interesse an einem Austausch zeigen. Für uns steht der Diskurs darüber im Mittelpunkt und wir wollen auch weiterhin ein Ort für Diskussion und Streit bleiben.

Wie erlebt ihr den Austausch mit den Bands, die aufgewiegelt werden sollen, ihre Konzerte abzusagen?

Das ist ganz unterschiedlicher Natur. Einige werden so sehr unter Druck gesetzt, dass sie aus Angst absagen. Gerade LGBTQI* trifft es hier besonders. Es wird ein Angstraum aufgebaut mit Drohgebärden, dass Acts teilweise keine andere Wahl haben als abzusagen, da nicht nur mit weiteren Gig-Absagen zu rechnen ist, sondern auch das persönliche Wohl nicht mehr gewährleistet werden kann. Andere hingegen fragen nach und wir können aufklären und uns auf einen gemeinsamen Abend freuen. Wieder andere sagen sofort ab und uns bleibt die Chance auf Dialog von vorherein verwehrt. Was wir aber sagen können, ist, dass sich die Auseinandersetzung lohnt und die meisten der Kontaktaufnahmen wirklich wertvoll sind.

Wie kann man euch seitens des Publikums unterstützen in dieser Sache?

Diese Frage kommt glücklicherweise zum richtigen Zeitpunkt. Aus finanzieller Sicht haben uns die Boykott Aufrufe doch ganz schön zugesetzt und wir haben uns entschieden, mit einer Crowdfunding Kampagne an den Start zu gehen. Wir freuen uns über Support, Verbreitung und natürlich Spenden! Von Seiten des Publikums wünschen wir uns weiterhin Unterstützung mit Besuchen im Conne Island. Weiter wollen wir alle ermutigen vielleicht auch mal ein Wort an die Lieblingsband zu richten, wenn es leider zu einer Absage kommt und das Konzert plötzlich verschoben wird. Wir würden gern noch zahlreiche weitere Konzerte mit euch erleben und freuen uns auf alte und neue Gesichter im Conne Island Saal!

Interview: Linus Volkmann // Beitragsbild: Wikipedia

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