Für eine Zeit bin ich also in das Czukay-Universum gereist und habe mich dort eingerichtet.
Hendrik, wie kam es, dass du gefragt wurdest, die Retrospektiven-Box „Cinema“ zum Lebenswerk von Holger Czukay zusammenzustellen?
Ich habe für das Label Grönland, das sich ja um viele Künstler dieser Generation kümmert – also das, was unter dem Begriff Krautrock gefasst ist und auch frühe elektronische Musik betrifft –, schon häufiger gearbeitet. Mareike Hettler, die bei Grönland für diesen Sektor zuständig ist, macht da eine Arbeit, die aufzeigt, wie wichtig es für ein Label ist, seine Künstler ernst zu nehmen und denen auch beizustehen! Grönland sind ja unabhängig, das macht sich bemerkbar: Sie hat Holger Czukay und Ursa Major etwa immer wieder besucht, pflegt den Kontakt zu den Künstlern, deren Werk sie neu herausbringt – es ist ja nicht nur eine historische Arbeit, es kommen ja auch noch neue Platten raus, von Roedelius etwa.
Es gibt da eine starke soziale Ebene, denke ich. Ich schreibe häufig die Promotexte für diese Veröffentlichungen, da ich mich schon seit meiner Jugend für diese Musik interessiere und sporadisch als Musikjournalist arbeite. Als Mareike Hettler mir dann vor über einem Jahr von ihrem Plan erzählte, anlässlich Holger Czukays 80. Geburtstag eine Retrospektive rauszubringen, mich dann auch gleich fragte, ob ich ihr dabei helfen und die Box kuratieren wolle, habe ich natürlich nicht gezögert. Ich bin ja ein Bewunderer seines musikalischen Schaffens!
Nun ist Holger Czukay in der Zwischenzeit ja leider verstorben, während des Prozesses lebte er aber noch. Wie hat man sich das konkrete Arbeiten an der Compilation vorzustellen? War es ein andauernder Dialog zwischen euch?
Es gab ein langes Interview, das dann sein letztes wurde. Wir trafen uns Anfang Juli 2017 in Weilerswist, in dem alten Kino bei Köln, dem legendären Inner Space Studio, das er auch bewohnte. Ende Juli starb seine Frau Ursa Major, die er jahrelang gepflegt hatte, und auch wenn neue Lebensgeister in ihm zu erwachen schienen, folgte er ihr dann am 5. September. Jetzt liegen sie zusammen auf dem Melaten Friedhof, gleich gegenüber von Jaki Liebezeit. Das Interview war unser einziger, persönlicher Kontakt, der sehr schön war. Ich habe das Interview transkribiert, nachdem er verstorben ist, das war schon traurig – aber ich musste auch viel lachen. Holger war ja ein ziemlicher Spaßvogel. Den Kontakt zu Holger hielt – manchmal fast aufopfernd – wie gesagt Mareike, die sich auch um das Einholen der Rechte kümmerte, etwas, das bei so einer umfangreichen Box wirklich eine große Herausforderung ist.
Das Werk von Holger Czukay ist ja sehr facettenreich und reicht von avantgardistischen und experimentellen Stücken über Jazz und Elektronische Musik bis hin zu humorvollen Stücken und Skizzen und Popsongs – oder wie es im Info von dir heißt: “Experimente, musikalische Meditationen, Meilensteine, Stolpersteine, Hits, Raritäten und Ausgegrabenes.“
Wie schwer ist es dir denn gefallen, diese Stimmungsvielfalt in einen Flow zu bringen?
Ich bin da als Hörer rangegangen. Viel kannte ich auch, aber in manche Sachen musste ich auch erst noch eintauchen. Für eine Zeit bin ich also in das Czukay-Universum gereist und habe mich dort eingerichtet. Der Anspruch war dann genau der, den du beschreibst: der Vielfalt gerecht werden. Mir war wichtig, dabei nicht zu verkopfen, deshalb habe ich einfach viel und laut Musik gehört. Fast 60 Jahre zu repräsentieren ist auch bei fünf LPs eine echte Herausforderung, aber es gibt eben diesen Holger-Sound, dieser typisch vor sich hin schunkelnde – oder wenn du die Wortschöpfung erlaubst: czunkelnde – Groove, was ich als eine Art Grundfläche begriffen habe, von der aus es dann eben Ausflüge in diverse Extreme gab.
Wichtig war mir auch, ein paar der unzähligen Kollaborationen abzubilden. Eno ist dabei, Phew, Jah Wobble und noch einige mehr – da lässt sich aber natürlich nicht alles lizensieren. Meine Wahrnehmung von Musik ist sehr visuell, ich sehe Sound in Formen und auch in einem gewissen Farbspektrum. Ich kann nur sagen: Da habe ich es in Holgers Werk auch einfach gehabt, was ja bei Alben- und Songtiteln wie »Movies«, »Full Circle«, »Moving Pictures« und »The Photo Song« naheliegend ist – und dass die Box »Cinema« heißt, was ein Wunsch von Holger und Ursa war, bedeutet ja auch etwas.
Waren die sehr langen Stücke wie „Canaxis“, „Boat Woman Song“, “Oh Lord, Give Us More Money“ und “Hollywood Symphony“ hilfreich bei der Gliederung des Materials?
Ja, wobei mein Ansatz da zunächst wie gesagt eher intuitiv war. Aber es ist ja in der Tat so, dass gerade die langen Stücke Holgers Verfahren verdeutlichen, über das Sampeln und Schichten von Klang eine große Dramaturgie zu entwerfen. Vielleicht waren es Inseln.
Und wie verhielt es sich mit den besonders kurzen Tracks im 1- und 2-Minuten-Bereich wie „Konfigurationen“, “Through The Freezing Snow“ oder “We Can Fight All Night”?
Das waren dann wohl die Boote. Die sind ja auch wichtig, um zu einer Insel hinzufahren – und auch, um wieder wegzukommen. Nun, und es gibt auch Menschen, die lieber Boot fahren, als eine Insel zu besuchen.
Die Stimmungsvielfalt entspricht auch dem Wesen von Holger Czukay. Er war ein visierter, leidenschaftlicher und ernsthafter Musiker, trug aber zugleich den Schalk immer im Nacken. Würdest du nach intensiver Beschäftigung mit dem Werk sagen, dass dies in allen Songs gleichermaßen steckt oder gibt es sozusagen multiple Holger Czukays als Musiker?
Kein Mensch und in der Folge dessen auch kein Künstler trägt nur eine Facette seines Seins in sein Werk, aber es gibt natürlich Grundzüge, und die sind auch bei Holger zu entdecken. Wenn man sich all die Musik anhört, bei der Holger in irgendeiner Form mitgearbeitet hat, entdeckt man ihn ganz deutlich.
Ein schönes Beispiel ist etwa die erste Eurythmics-Platte »In The Garden«, wo Holger dauernd den Raum betritt und kurz Hallo! sagt. Lohnt sich, dieses ohnehin tolle Album mal mit solchen Ohren zu hören.
Die Arbeiten mit David Sylvian aber und auch viele Stücke von Can finde ich schon sehr ernst, die stehen fast im Kontrast zu so etwas wie »Cool In The Pool« etwa … Was ich bemerkt habe: Auch wenn Holger scheinbar ein sehr geselliger Mensch war, gab es in seiner Biografie viele Brüche. Ich erkläre mir das vielleicht so: Da ist einer, der erfindet sich selbst, der entwickelt seine Kunst wirklich äußerst eigensinnig, ist gleichzeitig, wie Holger sagt, immer auf einen künstlerischen Partner angewiesen – da kann jener Schalk im Nacken ja auch eine unbewusste Strategie sein, da eine Brücke zu schlagen zwischen ´Ich kann nicht so gut mit Menschen` und ´Ich brauche sie aber!´ Klingt vielleicht küchenpsychologisch, aber Humor ist ja durchaus auch eine Möglichkeit, eine potentielle Ebene zu erhalten, die man dann nach Bedarf gestalten kann: eben als Brücke oder auch als Graben.
Der Titel „Cinema“ kam – du hast es bereits angesprochen – von Holger Czukay selbst. Er bezieht sich zum einen auf seinen Wohnort bezieht, das Kino in Weilserswist, das früher als Inner Space-Studio von Can diente. Andererseits aber auch filmische Stimmung, die seiner Musik innewohnt. Du hast ihn ja im Kino besucht – hat das der Art, wie du seine Musik hörst, eine neue Dimension hinzugefügt?
Genau, wie schon gesagt: Holgers Musik ist sehr visuell, was sich – wie ich finde – sogar ins Artwork der Box von Walter Schönauer einschreibt. Die großen Buchstaben sind mehr Objekte als Elemente einer Typo, und dann fangen sie auch noch an zu tanzen und rutschen zusammen. Den Kino-Bezug haben wir ja schon besprochen, und tatsächlich: Die erste Can-Platte ist eine Compilation ihrer »Soundtracks«, kurz darauf heißt es »Monster Movie« – das Verhältnis von Bild und Klang scheint hier also wirklich nie in seiner Prägung nachgelassen zu haben. Seine Sprünge im Sampling, worin Holger ein wahrer Meister war und was er mit den Canaxis-Stücken, die auf der Box endlich wiederveröffentlicht werden, als Technik mit entwickelt hat, zeigen auch Verwandtschaft zu den Jump-Cuts der Nouvelle Vague, finde ich. Holger Czukay, ein akustischer Alain Resnais. Ob ihm so eine Zuschreibung wohl gefallen hätte? »Hiroshima Mon Amour« hat er bestimmt gesehen, da bin ich ganz sicher. Es ist ja auch dieser etwas weirde Film mit in der Box, den Holger vertont und bei dem er die Hauptrolle gespielt hat: »Krieg der Töne«.
Und ähnlich haunted gefragt: Hört man beim Zusammenstellen denn den Chor der Rezipienten hinter sich? Du hast ja im Prozess der Kompilierung, nicht zuletzt da du auch in die Zusammenstellung der Linernotes involviert warst, mit vielen Protagonisten aus dem Umfeld von Holger Czukay gesprochen, haben deren Phasen- und Songs-Vorlieben denn auch Einfluss gehabt?
Egal was ich mache, sowohl bei meinen eigenen Sachen als auch in solchen Arbeiten im Bereich Kuration, denke ich einfach nicht daran, weil das zu schnell zu opportunistischen Entscheidungen führt, die dann durchaus die Qualität in der Komprimierung einer Komplexität sabotieren können. Ich würde das also eher positiv formulieren: Die Leute, mit denen ich für die Box gesprochen habe und die Linernotes geschrieben haben, schienen von Holger alle tief berührt und motivierten mich so auch – zum Glück haben sie alle ihre Texte verfasst, als Holger noch lebte, sonst wäre das schnell zu einer Trauerfeier geworden, was ich nicht wollte. Es sollte ja ein Geschenk zum 80. werden, nicht der Rückblick auf das Werk eines Toten. Nun, und dann ging es ganz schnell …
Haunted war es dann vielleicht ein bisschen, das Gespräch zu transkribieren, das habe ich nämlich erst begonnen, als Holger schon verstorben war. Aber die Linernotes hatten keine so geartete Stimmung. Wir haben ja mit Leuten geredet, die ganz eng an Holger dran waren, also künstlerisch, aber auch mit Leuten aus der Distanz wie Diederichsen oder Robert von Zahn. Mir war wichtig, da nicht nur alte Begleiter anzusprechen, sondern auch junge Künstler wie Dagobert oder Vomit Heat. Und siehe da: Holger inspiriert auch sehr junge Generationen von Musikern! Am meisten gefreut habe ich mich aber über Damo Suzuki, der sehr positive Worte gefunden hat, obwohl es zwischen ihm und Can ja einen durchaus harten Bruch gab.
Sehr wichtig für die Genese der Musik von Holger Czukay war der Soundingeneur René Tinner, der alle CAN-Aufnahmen betreute, aber auch danach alles, was im Studio in Weilerswist produziert wurde, verantwortete. Hatte er denn einen größeren Einfluss auf deine Auswahl oder konnte er Tipps geben?
Den habe ich einfach nicht gekriegt. Ich habe auf allen Kanälen versucht, ihn zu kontaktieren, aber es kam bisher keine Antwort. Das ist aber auch völlig in Ordnung, finde ich. Da gibt es ja keine Verpflichtung, sondern nur einen Wunsch. Da waren wir ganz entspannt mit! Anders geht es auch nicht, dann wird es schnell unverschämt: Mein Zugriff ist subjektiv und unterkomplex, ich kenne die gemeinsamen Geschichten der Leute wenn überhaupt sehr oberflächlich. Und in 60 Jahren Musikerdasein gibt es sicher auch hier und da verbrannte Erde. In dem Fall weiß ich es aber einfach nicht.
Apropos Tipps. Ich kann mir vorstellen, dass gar nicht alles immer so klar ist bei so einem zeitlich und stilistisch gestreuten Werk. In wie weit hatte das ganze denn auch etwas Detektivisches?
Ja, das war krass. Robert von Zahn, ein Can-Experte, äußerte: „Wer mitbekam, wie wenig systematisch Holger mit den Ergebnissen seiner Arbeit umging, kann sich vorstellen, was für eine Arbeit so eine Edition macht.“ Damit hat er Recht, wir mussten viel recherchieren und das nicht nur digital. Also passt der Begriff Detektivarbeit ganz gut. Vielleicht mache ich mal eine Kulturdetektei auf eines Tages … Mir war aber wichtig, dass Holger sich mit der Box würde identifizieren können, und irgendwelche Titel- und Zeitangaben waren ihm ziemlich egal. Es ging eher um Soundqualität und eine hohe Wertigkeit in der Haptik, das stand im Vordergrund. Fehler haben wir hoffentlich trotzdem keine gemacht …
Gibt es besondere Erlebnisse aus dem Produktionsprozess?
Ja, sicher, einige Rückmeldungen alter Wegbegleiter waren schon besonders, aber das behalte ich für mich. Besonders fand ich die Herzlichkeit, mit der die meisten Leute über Holger sprachen. Besonders war natürlich auch das Interview mit Holger, an einem Tag, an dem er nicht gut zurecht war, wie er selbst sagte. Wir hatten dann aber so viel Spaß! Auf der Aufnahme hört man die ganze Zeit, wie er die Kuchenstücke isst, die wir ihm mitgebracht haben. Er hat so viel gelacht während diesen Stunden. Das war total schön.
Zentral im Werk von Holger Czukay waren CAN – wie bist du mit diesem immer mitschwingenden Werksstrang umgegangen?
Die mussten wir aus Platzgründen außen vor lassen – Holgers Werk ist ja unfassbar umfangreich, ein kleiner Discogs-Rekord beinahe –, außerdem ist da natürlich anlässlich des diesjährigen 50. Geburtstags von Can einiges geplant, dem wir nicht in die Quere kommen wollten. Ich habe das ein wenig bedauert, weil ich großer Can-Hörer bin und die auch in meiner Band Messer eine der wenigen kleinen gemeinsamen Nenner sind. Aber wie gesagt: mit fünf LPs war es kaum möglich, Holgers Werk gerecht zu werden, Can hätten da den Rahmen endgültig gesprengt.
Hendrik, wie wichtig ist generell Kontextwissen bei der Zusammenstellung einer solchen Kompilierung? Ist man bemüht die pure Musik und nichts anderes die Auswahl leiten zu lassen oder darf, ja müssen die historische Rahmenbedingungen und spezifische Settings mit einbezogen werden?
An erster Stelle steht die Musik, auch, weil Holger so gedacht hat – das habe ich daher noch stärker als Kriterium begriffen. Aber natürlich gab es auch eine riesige Kontextrecherche, die sich in einem umfangreichen Zeitstrahl im Artwork wiederspiegelt, an dem wir dann die Tracklist aufgebaut haben. Nun kann man alle fünf Sleeves der einzelnen Platten untereinander legen und durch Holgers Werk und Leben wandern.
„Cinema“ umfasst Musik, die ursprünglich zwischen 1960 und 2014 entstanden ist. Was erzählt uns die Musik über die Entwicklung von Deutschland in dieser Zeitspanne?
Holgers Arbeitsweise hatte durch das Sampling etwas ungewollt-dokumentarisches, aber das genau zu interpretieren übersteigt wohl meine Kompetenz. Schön zu sehen ist aber, wie sich gesellschaftliche Ereignisse, die für Holger eine Rolle spielten, auch in die Musik einschrieben. Er sagte es aber selbst ganz deutlich so: Wenn ein politischer Bezug zufällig entstand, war er glücklich damit, eine bewusste Konstruktion dessen wäre ihm aber zu abgehoben gewesen. So bin ich auch damit umgegangen: zulassen, aber nicht forcieren.
Hat Holger Czukay denn die finale Box als Muster noch gesehen?
Leider nicht. Das bedauere ich sehr. Sie hätte ihm gefallen. So eine Box ist ja auch eine Ehrung und wir hatten sie eben auch als Geschenk zu seinem 80. Geburtstag gedacht, der nun das Release-Datum ist. Was mich aber tröstet: Holger hat sich für die haptische Seite der Musik nicht wirklich interessiert, ihm ging es eben mehr um Sound und nicht-materielle Sphären.
Was ist denn dein persönliches Lieblingsstück von ihm und warum? Was hast du entdeckt?
Hui, das ist natürlich schwierig zu beantworten bei einem so umfangreichen Werk. Bei Can kann ich mich da wirklich nicht entscheiden, da mag ich eigentlich alle Phasen gleich, besonders hänge ich aber an den Stücken zu Roland Klicks Film »Deadlock« vom Debüt »Soundtracks«. Auf der Box gefällt mir wahnsinnig gut das Stück von Canaxis, Holgers Projekt mit Rolf Dammers, heimlich in der Nacht produziert im Stockhausen-Studio in Köln. Das Projekt Canaxis wird auch unter verschiedenen Namen geführt und bei uns als Technical Space Composer’s Crew aufgeführt, ziemlich am Anfang der Box: »Boat Woman Song«! Das hat so einen meditativen Sog und ist absolut visionär. Die treibenden Sachen von der »Full Circle« mit Jah Wobble, insbesondere das Stück »How Much Are They?« würde ich aber als Lieblingslied nennen. Das habe ich erst spät entdeckt, unser Schlagzeuger Manuel Chittka schenkte mir die LP vor ein paar Jahren. Das hat eben so einen Post-Punk-Drive, dem ich nur schwer entkomme. Und Phew, eine japanische Künstlerin, die noch letztes Jahr ein tolles Album rausgebracht hat und die mit Holger, Conny Plank und Jaki Liebezeit in den 1980er Jahren eine richtig starke Platte aufgenommen hat – das war eine tolle Entdeckung für mich! Wir haben auch ein Stück gefunden, das aus dem Jahre 1960 stammt, vom Holger Schüring-Quintett – eine Jazz-Nummer, noch unter seinem bürgerlichen Namen und bisher unveröffentlicht. Das fühlte sich schon so an, als ob man einen Schatz aus dem tiefen Ozean birgt.
Hendrik, was hast du als Musiker aus der Beschäftigung mit dem Werk von Holger Czukay gelernt?
Wie gut es ist, Humor als Ausgangspunkt zu nehmen, egal in welche Stimmung man damit später im kreativen Prozess gerät. Und Holgers Ansatz, Musik als etwas Ganzheitliches zu begreifen, dem man nicht verkopft begegnen sollte, sondern intuitiv – ohne Gedanken an Regeln zu verschwenden. Holger war auch von sich als Musiker nicht sonderlich überzeugt, trotzdem hat er immer weiter gemacht und sich seine eigenen Wege gesucht – auch das finde ich äußerst ermutigend, wenn ich mir anschaue, zu welch großartigen Erfindungen so ein Selbstbewusstsein führen kann. Naja, und das, was er über die Spannungsverhältnisse sagt, die in kollektiven kreativen Prozessen vielleicht notwendig sind. Zu sehen, dass jemand 60 Jahre Musik macht, obwohl das eine bisweilen hochgradig irritierende Angelegenheit sein kann, macht natürlich Mut und auch Lust auf die Zukunft.