Die Heiterkeit

“Im besten Fall bist Du der Diener deines Songs”

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Die Heiterkeit im Gespräch mit Lars Fleischmann (Photo: Lars Fleischmann)

Als 2012 das erste Album “Herz aus Gold” von Die Heiterkeit erschien und die drei Frauen in einem Club spielten, mit dem ich peripher etwas zu tun hatte, war mir der Hype um die Band zu groß. Mit Mitte 20 sind die Distinktionswerkzeuge eben meistens noch zu stumpf. Nun, knapp vier Jahre später, sieht das anders aus, die Band hat mich als Fan gewonnen.
Auch intern hat sich seitdem einiges bei Die Heiterkeit getan: Aus dem Trio ist ein Quartett geworden.  So schwingt mittlerweile der Messer-
Schlagzeuger Philipp Wulf auch bei ihnen die Drumsticks und Sonja Deffner, die schon seit längerem live die Synthesizer bedient, macht das jetzt „hauptberuflich“. Und dann kam kurz nach den Albumaufnahmen noch Hanitra Wagner dazu, die  als Mitglied der Band Oracles bekannt sein sollte. Sie ersetzt Rabea Erradi, die man noch auf der Platte hört. Alleine Stella Sommer ist aus der Urbesetzung geblieben.

„Pop & Tod I“ und „Pop & Tod II“ heißen wirkungsmächtig die neuen Alben, die mir seit Wochen die Nerven rauben. Als ich sie das erste Mal hörte, schockte es gar. Dementsprechend froh bin ich, dass wir uns nun zum Gespräch treffen. Nach einem langen Probentag warten Sommer, Wagner und Wulf bei letzterem in der Küche auf mich, man trinkt Sekt und Grapefruitsaft, während ich mich noch (ausgehungert) in der Bahn aus Köln in der Warteschleife befinde. Dann endlich sitze ich – völlig außer Atem und derangiert – den dreien gegenüber. Man einigt sich schnell zu beginnen, aber vorher solle ich doch noch ein Bier trinken. Man möchte ungefähr im selben Zustand aufeinandertreffen. Das Bier schießt sofort in den Kopf.

Hanitra: Möchtest du eine peruanische Zigarette?
Ich vertrage keine Filterzigaretten, davon bekomme ich Migräne. Dank dir.
Hanitra: Oh, ich habe auch Migräne. Ich bin die Migränepatientin bei Die Heiterkeit.
Stella: Nicht nur das …
Hanitra: Ja, stimmt. Allergikerin auch noch: Tierhaar, alles was Kerne hat wie Äpfel. Manchmal Tomaten, oder auch Nüsse.
Dann steht wohl so einiges bei euch auf dem Rider, was nicht geht?
Hanitra: Nicht nur das. Ich kann kein Strobo ab. Bei Oracles steht das auch auf dem Rider.
Philipp: Nun ja. Die Heiterkeit ist ja glücklicherweise keine Stroboband.
Hanitra: Oracles ja auch nicht. Aber als wir 2014 Support bei The Libertines in Kopenhagen gespielt haben, hat der Lichtmann beim Soundcheck Strobo getestet und ich bin weggesackt. Und später beim Konzert haben die Ultra-Strobo gemacht und Dennis Jüngel musste mich halb raustragen.
„Music when the lights go out“?
(Stille)

Ja, der Witz war ein wenig blöd. Aber damit sind wir mitten im Thema: Hanitra, du bist jetzt die Neue an Bord. Wie kam es dazu?
Hanitra: Musst du eigentlich die beiden anderen fragen.
Philipp: Sonja und ich hatten unabhängig voneinander sofort an Hanitra gedacht, als es hieß, die Bassistinnen-Position zu besetzen.
Hanitra: Und Sonja kam dann auf mich zu. Und dann haben wir später eine Stunde zusammengespielt. Und das hat gepasst.
Stella: Es ging ja nicht nur um den Bass, sondern vor allen Dingen auch um den Gesang. Ein Großteil ist ja dreistimmig.
Gemeinhin wird das aber sicherlich als genderspezifische Strategie empfunden und rezipiert werden.
Philipp: Erstmal ist das ja strategisch ziemlich dumm, das Bandmitglied von einer anderen Band anzuwerben, die dieses Jahr selbst noch ein Album rausbringt.

Ja, klar. Aber ich wollte gerade in den Themenbereich „Feminismus“ überführen – aber natürlich nicht so Themenbereich mäßig. Ich habe auf der Fahrt in „Lass uns über die Hamburger Schule reden“ gelesen, was du mir ja empfohlen hattest.
Philipp: Empfohlen? Ich meinte doch nur, dass es das gibt. Ich hatte Rezensionen gelesen. Generell eine gute Taktik: Über Bücher reden, zu denen man nur eine Rezension gelesen hat. Oder auf die Verfilmung warten.
Es ist ausgezeichnet, solltest du mal lesen. Auf jeden Fall ist mir da klar geworden, dass wir nicht um das Thema rumkommen. Gerade da es in dem Buch Stimmen gibt, die erklären, dass man erst mit Abstand gemerkt hat, jetzt kommt meine Wortwahl, was das für ein schlimmer Männerverein damals war.
Stella: Ich glaube, das fällt einem immer erst im Nachhinein auf. Bei uns war es bei der ersten Platte auch so. Da zielten alle Fragen darauf ab, dass wir eine Frauenband sind und so. Wir haben den ganzen Themenbereich dann einfach versucht abzublocken. Ja, und beim zweiten Album haben wir dann gemerkt, was das für ein Riesenunterschied in der Rezeption ist und dass das immer noch als erstes erwähnt wird. Selbst beim dritten Album kommt dann: „ist keine reine Frauenband mehr“. Was sind wir denn dann? Eine unreine Frauenband oder was?
Vor allem für sogenannte poplinke Journalisten ist „Frauenband“ eine Projektionsfläche, die das und das zu erfüllen hat. Man konnte das gut bei Schnipo Schranke beobachten, wo alle schockiert waren, dass die sich in dem Interview mit Spiegel online nicht vor den Karren haben spannen lassen.
Stella: Das ist bei Spiegel Online immer so. Bei unserem Artikel gab es da auch 40, 50 Leserkommentare unter dem Artikel. Gerade wenn man gar nichts zum Thema Feminismus sagt, ist das wie ein Freifahrschein zum Fertigmachen. Allerdings ist das ja generell das Problem von Leserkommentaren im Internet: man kann machen, was man will, es gibt immer genügend Trottel, die meinen, das dann kommentieren zu müssen.
Das funktioniert das ja gleich auf zwei Ebenen. Für Verfechter von Rockismen und deren “Frauen können nichts”.
Stella: Wenn Frauen drei Akkorde spielen, können sie es nicht besser. Wenn Männer drei Akkorde spielen, ist das ein Statement, weil die natürlich viel besser spielen könnten.
Wenn man diese unverbesserlichen Leute einfach mal außen vor lässt,  und sich den vermeintlich aufgeklärten zuwendet, dann empfinde ich das mit Verlaub als noch dämlicher. Denn da findet immer so eine Überkompensation statt. Da wird anstatt von allen eben vor allem von Frauen verlangt, dass sie Feminismus einlösen.
Stella: Ich weiß gar nicht, ob es um Feminismus oder Einlösen geht. Das sind zu einem großen Teil auch festgefahrene Strukturen und knallhartes Schubladendenken. Das gibt’s aber ja auch für Männer. Und wenn du da in die Schubladen nicht reinpasst, dann wirst du, wenn du Pech hast, erst mal gar nicht rezipiert. Oder du wirst rezipiert wie etwa Dagobert, wo die Leute dann aber so beschäftigt damit sind, sich zu fragen, ob der das ernst meint, dass die komplett vergessen über die Musik oder was anderes Interessantes zu schreiben. Und wenn du als Frau nicht in einer Riot Grrrl-Band bist oder verletzlich über eine Akustikgitarre säuselst, dann hast du halt auch ein Problem.
Philipp: Oder du wirst eine Lichtgestalt.
Was heißt das ganz konkret? Was sind denn die Erfahrungen, die man macht?
Stella: Ich würde am liebsten gar nicht über Feminismus reden, das geht aber auch nicht. Ich werde seit sechs Jahren damit konfrontiert. Und es ändert sich halt nicht. Als wären wir keine „normale Band“, wo nicht jedes Mal das Geschlecht in den Vordergrund gerückt wird.

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Die Heiterkeit im Gespräch mit Lars Fleischmann (Photo: Lars Fleischmann)

Wobei der Meta-Diskurs darüber, dass sich in der Rezeption nichts ändert, ja wertvoll sein könnte. Zum Beispiel versteht man ja auch nicht, warum seit 30 Jahren bei deutschsprachigen Frauenstimmen, die dunkler gefärbt sind, immer als Referenz Nico gebracht wird – als gäbe es keine Alternative.
Stella: Ja. Nico oder Christiane Rösinger und die Lassie Singers. Dabei klingen wir doch gar nicht wie die Lassie Singers. Oder wir werden mit der „anderen Band“, Schnipo Schranke, in einen Topf geworfen. Dabei klingen wir ja nun mal gar nicht wie Schnipo Schranke und haben auch sonst  echt wenig mit denen gemein. Ich denke, dass sowohl die Leute, die sowas schreiben, als auch die, die sowas lesen, doch echt selber sofort checken müssten, dass das einfach totaler Unsinn ist. Noch viel schlimmer ist aber, dass wir in den letzten Jahren immer wieder gefragt wurden, wer denn die Lieder schreibe. Ob wir das seien oder der Produzent oder sogar Andreas Spechtl von Ja, Panik. Als wären wir gecastet. Das ist erschreckend.
Das hört wohl nie auf. Selbst Björk geht das noch so.
Philipp: Schlimm sind auch diese Machofeministen, die Frauen ganz genau erklären können, auf welche Weise sie diskriminiert werden. Männern ist vor allem ihre Diskurshoheit sehr wichtig. Da eine solche Stellvertreterpolitik ziemlich ätzend ist, ist es auch nicht so leicht, den angemessenen Ton für das Thema zu finden. Es ist ja lobenswert zu sagen, dass das Geschlecht keine Rolle spielen sollte, aber das ist nunmal nicht gesellschaftliche Realität.

Bei dir Hanitra ist es ja so, dass du da auch noch aus einer gemischten Band Eindrücke mit reinbringst.
Hanitra: Wenn ich Leuten erzähle, dass ich mit Jungs zusammen spiele, da kommt häufiger die Frage, ob ich die Frontfrau bin. Das stelle ich dann klar, aber da muss es so ein vorgefertigtes Bild geben.
Äußert sich das noch anderweitig?
Hanitra: Ein Klassiker ist, dass wir irgendwo ankommen, und die Leute von dem Veranstaltungsort denken, ich sei die Freundin von einem der Jungs. Im Zweifel bekomme ich dann kein Backstage-Bändchen. Alles schon passiert.
Stella: Tobias Levin hat mich nach unserem Geburtstagskonzert gefragt, ob ich glaube, dass Die Heiterkeit größer wär, wenn wir eine Typenband wären. Da habe ich dann mal drüber nachgedacht. Der Hype zur ersten Platte wäre kleiner gewesen. Das ist immer eine Nachricht wert: „NEUE DEUTSCHE FRAUENBAND“. Aber alles danach, wenn du in der Schublade Frauenband bist, fällt dann kleiner aus. Das wird dann mit der ersten Meldung abgefrühstückt alles.
Philipp: Ich habe das ja von Außen beobachtet. Um den Hype zur ersten Platte kam man ja nicht herum. Umgehauen hat’s mich aber erst so wirklich, als das „Daddy’s Girl“-Video zum zweiten Album herauskam. Ich weiß, dass es da vielen um mich herum auch so ging, Leute, die auch Musik machen und so. In der öffentlichen Wahrnehmung ging es aber ziemlich unter. Das fand ich sehr verwunderlich.
Stella: Das ist das Ding: Die Heiterkeit werden vor allem Musiker und Journalisten gehört.

Es wird deutlich: zu dem Thema gibt es viel zu reden. Zumal wir nicht in der Enge eines klassischen Interviews agieren, sondern ein offenes Gespräch bei Bier und vielen Zigaretten führen. Und so öffne ich erstmal das nächste Bier und versuche mich tollpatschig an einer Art Überleitung.

Ich habe noch ein paar Themen auf dem Schirm. Wollen wir einfach mal über Kirche reden?
Philipp: Ja, geil, interessant. Da hatte ich mit Stella auch schon drüber geredet.
Ist das eine religiöse oder eine anti-religiöse Platte?
Stella: Von meiner Warte aus: Beides. Philipp, was meinst du?
Philipp: Ich bin ja auch nur erster Rezipient. Da habe ich dich ja gefragt, ob du religiös erzogen bist. Dass du im Alltag jetzt nicht … das habe ich ja auch gemerkt. Aber zum Beispiel: „Gott dieser Kammer, Jesus…“
Stella: Aber im Englischen benutzt man doch auch einfach. „God“ oder „Jesus“.
Philipp: Nicht einfach! Ich nehme das schon ernst. „Running Up That Hill“ von Kate Bush zum Beispiel, das sorgt bei mir schon immer für eine gewisse Irritation.
Stella: Lars, meinst du jetzt die eine Stelle oder vom Sound her kirchlich?
Erst mal in ihrer Grundkonstitution. Ich lese da fehlendes Heilsversprechen und fehlenden Trost heraus. Ich versteif mich jetzt nicht auf den Begriff „satanisch“, aber ich finde den passend. Ich frag mich halt, ob das gezielt religiös ist.
Stella: Gezielt ist bei der Platte nichts. Ich habe sehr viel geschrieben und habe dann die 30 besten Songs an die anderen weitergeleitet. Ich war selbst überrascht, welche Wendung das Ganze dann genommen hat.
Philipp: Bevor ich selbst eingestiegen bin, habe ich mit Sonja viel über Musikmachen geschrieben. Dabei meinte sie, dass es durch die neue Dreistimmigkeit recht gospelhaft klänge, was ihr gerade macht. Der Gedanke hat mir von Anfang an ganz gut gefallen. Dass es kein Heilsversprechen, da stimme ich dir zu. Aber ist das im Umkehrschluss dann gleich religiös bzw. satanisch?
Stella: Ich hatte das auch gar nicht auf wenige Worte bezogen. Aber lustigerweise haben wir diese Worte auch in die Auslaufrille einritzen lassen: „Gott dieser Kammer, Jesus dieses Lochs, ich weiß nicht, woher es kommt, ich weiß nur, dass es sterben muss“.
Aber die Gretchenfrage drängt sich ja dann doch auf.
Stella: Zu Gott habe ich kein Verhältnis. Als ich die Zeile geschrieben habe, musste ich dann doch unter starkem Zeitdruck schreiben. Es war knapp vor Studiozeit und dann haben sich die Blätter teilweise selbst gefüllt. Es geht bei dem Satz eher um Kreativität und dieses Abarbeiten an sich selber. Und ich finde, dass dieser eine Satz auch die beiden Platten am besten auf den Punkt bringt.
Philipp: Das hat sich ja auch für die Popmusik als ein sehr fruchtbares Thema erwiesen. Man horcht ja auf, wenn religiöse Worte benutzt werden.
Stella: Im deutschsprachigen Pop gibt’s das glaub ich aber weniger.
Philipp: Das stimmt. Ich denke da natürlich sofort an Leonard Cohen, bei dem die alttestamentarischen Referenzen im Sinne ihrer Parabelhaftigkeit eingesetzt werden. Das finde ich schon spannend.
Also geht’s eher um Metaphysik?
Stella: Das ist vielleicht das, was ich meinte, wenn ich über Kreativität schreibe oder rede.
Philipp: Ich musste bei besagter Zeile vor allem an den ziemlich zentralen Satz aus Walter Benjamins „Einbahnstraße“ denken: „Das Werk ist die Totenmaske der Konzeption.“ Da geht es eigentlich um die Aufwertung des Fragments und um den künstlerischen Prozess, der höher geschätzt wird als das Fertigstellen. Interessant fand ich aber, wie auch hier die Notwendigkeit des Sterbens für die Hervorbringung von Kunst betont wird.
Oder ist die Frage, ob das immer noch ein kultureller Fundus ist, aus dem man sich einfach bedient? Aus dem man heraus Musik schreibt?
Stella: Ich schreib vornehmlich aus mir selbst heraus. Und damit dann auch gleichzeitig irgendwie aus allem anderen, was man sich so tagtäglich reinzieht.
Jetzt sind wir gar nicht auf die Musik selbst, auf die „religiösen Gesänge“ eingegangen. Ich finde das gar nicht so aufgeladen.
Stella: Nö.
Ich find‘ das klingt erst mal sehr geil. Da bin ich vielleicht simpel.
Stella: Nö. Ist geil.
Hanitra: Supergeil.
Philipp: Wäre ja auch viel zu schade, nicht auszunutzen, dass es da drei Leute gibt, die einfach wirklich singen können. Ich wiederum treffe keinen Ton.

Bier Nummer zwei ist leer. „Sollen wir eine Pause machen?“, frag ich die anderen. „Nee. Ist ein geiler Flow, ich find gerade alles interessant“, antwortet Wulf. „Dann muss ich dir aber das letzte Bier klauen.“-„Ja, mach doch.“-„Dann bin ich aber richtig platt.“-„Geil“. Ich öffne das dritte Bier, halb im Saft, halb kraftlos. Das kann ja noch lustig werden, denke ich.

Gibt es eigentlich manifeste Referenzen, die man anbringen kann? Oder was waren denn die Sachen, die euch bei der Platte inspiriert haben?
Philipp: Anders als bei meiner anderen Band wird bei Die Heiterkeit nicht in musikalischen Referenzen gedacht. Höchstens im Nachhinein. Zum Beispiel, dass man an einer Stelle einen Peter Hook-Bass rausgehört hat. Das ist dann aber natürlich als Kompliment gemeint.
Stella: Ja, stimmt. Wobei du ja schon so bist, dass du zumindest manchmal versuchst, uns vorher zu erklären, was du vorhast und woran du da denkst.
Philipp: Ja, wahrscheinlich aus Gewohnheit – oder aus anfänglicher Unsicherheit darüber, was ihr euch denn so vorstellt. Ich vergesse auch manchmal, dass Schlagzeugreferenzen für andere nicht gerade besonders greifbar sind.
Stella: Wir sagen dann immer: „Jaja, mach einfach“.
Philipp: Zum Glück! Die Situation ist bei Die Heiterkeit aber ja eh eine ganz andere. Mit der ganz klaren Songwriterin Stella Sommer, deren Songs dann Referenz sind.
Jetzt haben wir immer noch keine Referenz.
Philipp: Stella sagt immer, dass sie außer Bob Dylan und Elvis nichts hört.
Stella: Ich kenne schon viel Kram, ich höre den nur nicht. Also ich hör mir das meistens einmal an und dann weiß ich halt Bescheid. Aber ich höre tatsächlich selten so zur Entspannung oder aus Bock Musik.
Ich finde, dass man das hört. Also dass da viel versteckt ist, oder nur als Erinnerung durchscheint.
Stella: Kann sein. Ich denke immer, dass man im besten Fall der Diener eines Songs ist. Jeder Satz kann ja irgendwie schon ein Song sein. Und als Songwriterin bin ich halt der Umschlagplatz, wo alles, was reingegangen ist und aufgesogen wurde, auch wieder raus möchte.
Du bist dir im Klaren darüber, dass ich schreiben werde, dass du dich als Medium siehst.
Stella: Das befürchte ich. Dabei geht’s mir ja echt in erster Linie um den Song als etwas, was man im besten Fall findet. Im Gegensatz zum Song als etwas, was man irgendwie erarbeitet. Ich weiß nicht mehr, von wem das stammt, vielleicht Keith Richards: „Songs sind kleine Schmetterlinge im All, die man einfach greifen muss.” Man muss die Sachen nur zusammenbringen, es ist ja alles schon da.
Und wie weit konstruierst du im Nachhinein? 
Stella: Ich denke nie, ich muss jetzt einen Song schreiben – eher gar nicht.

Wie sah die Arbeit im Studio aus? Ihr habt ja auch zum zweiten Mal mit Moses Schneider aufgenommen.
Philipp: Es ist sehr gemütlich …
Stella: Entspannt.
Philipp: Und gleichzeitig hat man die ganze Zeit das Gefühl, richtig viel zu schaffen und auch sehr viel Zeit zu haben.
Stella: Ich vertraue Moses total. Sobald man Moses ins Boot holt, ist immer klar, dass man die bestmögliche Platte machen wird, die man in dem Augenblick machen kann.
Noch mal kurz zum Stichwort “entspannt” nachgefragt?
Stella: Moses merkt genau, wann eine Band nicht mehr kann. Deswegen ist es nie stressig. Die andere Platte haben wir in fünf Tagen aufgenommen. Diesmal hatten wir zwei Wochen für zwei Platten. In der ersten Woche hatten wir dann trotzdem schon fast 18 Stücke fertig. Und in der zweiten Woche haben wir dann noch alles gemacht was man nicht einfach so live aufnehmen konnte.
Klingt nach Traumbedingungen.
Philipp: Alles, was unangenehm ist, hält er sehr kurz. Soundcheck in drei Stunden. Sonst trittst du einen ganzen Nachmittag nur die Bassdrum. Und hast dann vielleicht gar nicht mehr so Bock.
Stella: Ein Wahnsinnstyp.
Du hast ja gerade schon angesprochen, dass es zwei Alben sind. Wie distinkt sind die denn anzusehen? Oder ist das ein klassisches Doppelalbum?
Stella: Es sind zwei Alben. Es war klar, dass wir zweimal Anfang und zweimal Ende haben, und es gibt zwei Spannungsbögen.

Wir können auch über die Platten reden. Haben wir bislang irgendwie gar nicht. Aber man neigt dann auch Schlüssel zu liefern. Wie ist es eigentlich mit dem Namen? Sollen wir das klären?
Stella: Nee, oder?
Nee. Ich find’s auch besser wenn man keine Analyse mit der Band macht. Viel interessanter ist, was ihr meint, wie die ankommt.
Stella: Werden wahrscheinlich die gleichen Leute wie vorher gut finden. Vielleicht ein paar mehr.
Philipp: Wenn man eine Platte rausbringt, bietet man sie den Leuten an. Sonst könnte man es auch sein lassen. Das ist eine komische Attitüde zu sagen, man macht die nur für sich. Dass Leute das Angebot dann auch zurückweisen, ist ja vorprogrammiert, aber da ich tatsächlich sehr zufrieden bin, tut das nicht so weh, schätze ich.
Stella: Wir kennen das ja schon mit der Resonanz. Musiker und Journalisten.
Kann man dann davon leben, als artist’s artist?
Stella: Am ehesten ich als Songwriterin. Wir müssen aber natürlich erst mal die Produktion abbezahlen. Das geht über die GEMA. Aber so, unter normalen Bedingungen nicht, ohne dass da jemand kommt und sagt „Ich schenk dir das“.
Philipp: Ich bin ja in zwei Bands … reicht auch nicht im geringsten. Aber es ist ja schon geil, dass überhaupt jemand unsere Platten rausbringt und uns mit unseren Wünschen ernst nimmt. Und wir werden Buback wohl nicht ruinieren.
Wenn da jemand kommt? Ist ja so ein Thema, dass unter anderem von Seliger angestoßen wurde: Grundförderung für Musiker.
Philipp: Da soll man dann mindestens 50 Konzerte im Jahr vorweisen, oder?
Stella: Ist halt die Frage, wo man im deutschsprachigen Raum 50 Konzerte spielen soll. Da tut man sich als kleinere Band ja auch keinen Gefallen mit.
Philipp: Natürlich wäre das zunächst mal reizvoll, statt eines 9-to-5-Jobs morgens direkt in den Proberaum zu gehen. Man könnte ja auch viel besser werden dadurch. Ich finde überhaupt die Vorstellung, einer geregelten Arbeit nachzugehen äußerst grässlich.
Stella: Ja natürlich wär das besser. Viel besser.

Gute letzte Worte. Sollen wir noch weiterziehen? Und für alle anderen noch der neue Clip: 

 

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