Radiojournalismus – Interview

Mrs Pepsteins Welt: 25 Jahre auf Sendung!

Katja Röckel alias Mrs. Pepstein an der Seite von Yoshi Linus Volkmann 

 

Seit 25 Jahren auf Sendung: Als Katja Röckel alias Mrs. Pepstein 1999 zum ersten Mal im Studio saß, war nicht abzusehen, was für eine dauerhafte Karriere in diesem Moment ihren Anfang nahm. Kurz darauf ergab sich ein freier Sendeplatz bei Radio Blau, Mrs. Pepstein übernahm gerne und fügte der damals aus fast nur Männern bestehenden Redaktion eine engagierte Feministin hinzu.

Anfangs sendete Radio Blau gerade mal vier Stunden in der Woche, ausgerechnet sonntags zwischen 17.00 und 21.00, als alle Leute Lindenstraße und Tatort guckten. Doch Gutes setzt sich durch, Radio Blau bekam mehr Sendezeit und Mrs. Pepstein einen festen Platz: Inzwischen ist sie alle vier Wochen mit ihrer zweistündigen Sendung „Mrs. Pepsteins Welt“ zu hören, interviewt Gäste und spielt coole Musik „ohne Ranking und ohne Nerdgelaber“, wie in der Programmankündigung zu lesen ist.

Radio Blau sei die perfekte Praxisanwendung für ihre Ausbildung zur Medienpädagogin gewesen, so Röckel, die fast immer live sendet. Die bisherige Gästeliste von „Mrs. Pepsteins Welt“ liest sich wie ein Who’s Who der deutschen Indiepopszene: Finna, Bernadette La Hengst, Jens Friebe, Thomas Meinecke, Barbara Morgenstern, Dendemann und viele mehr begaben sich zum Talk mit Katja Röckel ins Radio Blau-Studio. Röckel schätzt die Freiheit, die Radio Blau bietet, sie ist unabhängig in dem was sie tut und sendet: Das kann eine Sendung über den Familienalltag sein, Interviews zu psychischer Belastung oder ein Doppelinterview mit Stefanie Sargnagel und Christiane Rösinger. Es ist ihr ein Anliegen, die Leute zu empowern, selbst aktiv zu werden, so Röckel, die auch hin und wieder als DJ in Aktion tritt.

Am 16. November werden das 25-jährige Jubiläum von „Mrs. Pepsteins Welt“ und Röckels runder Geburtstag groß gefeiert: Im Werk II treten Lena Stöhrfaktor, Finna, Bernadette La Hengst und Kapa Tult auf, moderiert von Arne Linde und Linus Volkmann. Bei der anschließenden Party legen Jens Friebe, Myriam Brüger und Christina Mohr auf.

Hallo Mrs Pepstein, wir treffen uns heute am Frankfurter Hauptbahnhof! Ich freue mich total, dass wir uns hier sehen. Unkonventionelles Interviewambiente, ganz schön viel los. Aber das gefällt mir gut!
Erste Frage: Du als jahrzehntelange Radiolegende in Zeiten allgegenwärtiger Podcasts: Was hält dich beim Radio?

Katja Röckel: Dass ich live ins Studio gehen kann und dass das, was dann passiert, nicht mehr rückholbar ist. Das ist einfach das beste Gefühl! Meine Interviews kann man ja mittlerweile auch als Podcast hören, ich glaube, das machen tatsächlich fast mehr Leute, als die Sendung mit Musik nachzuhören. Für mich macht es live im Studio einfach Spaß, und natürlich liegt es auch an der Musik. In Podcasts kannst du keine Musik spielen, es gibt nur Wortbeiträge. Und es kommt es mir schon so vor, dass Podcasts ein bisschen inflationär geworden sind und das Radio dadurch ins Hintertreffen gerät. Das Radio als Medium ist ja schon oft totgesagt worden, aber ich empfinde das nicht so. Es lebt immer noch!

Du sprichst in deiner Sendung nicht nur mit Musikerinnen. In einer deiner letzten Sendungen war eine Person zu Gast, die sehr schwer erkrankt ist. Wie kann man sich darauf vorbereiten? Wie baut man in so kurzer Zeit ein Vertrauensverhältnis auf?

Ich habe es schon mindestens zweimal verpasst, mit Menschen zu sprechen, von denen ich wusste, dass sie krank sind. Zum Beispiel bei Francoise Cactus wusste ich wirklich nicht, wie schwer krank sie war, obwohl ich kurz vorher ein Interview mit ihr gemacht hatte. Das habe ich bereut, und denke, wir müssen mehr über Krankheit und Tod reden. Ich finde es total wichtig, sich damit zu beschäftigen. Ich weiß, dass viele Menschen Berührungsängste haben. Ich habe die nicht so sehr, auch weil ich eine Pflegeausbildung habe. Ich war dabei, als meine Oma gestorben ist. Das habe ich mal in einer Sendung erzählt, und bei Fluky, der Person, die ich jetzt gerade interviewt habe, war es so, dass ich auf Insta gesehen habe, dass sie total offen damit umgeht. Das ist auch ein Grund, warum ich diese Sendung so gerne mache und warum ich nicht immer nur Musiker:innen interviewe. Also ich stell mich manchmal ein bisschen naiv hin und frage, „Wieso ist das so? Warum hast du das so gemacht? Wie fühlst du dich dabei?“ Ich lerne jedes Mal dazu, zum Beispiel, dass Palliativpatient:in sein nicht bedeutet, dass man im Hospiz lebt und mit Schmerzmitteln vollgepumpt wird.

mit Françoise Cactus

Wie sucht man für eine Sendung, die andere Leute vielleicht als schwierig empfinden, Musik aus? Oder macht man das mit dem Gast zusammen?

In diesem Fall haben wir es zusammen gemacht, eigentlich hat Fluky die Songs komplett alleine ausgesucht. Es gab einen Track, den wollte ich aus verschiedenen Gründen nicht in der Sendung haben, die nichts mit Fluky zu tun hatten. Aber dann haben wir uns noch auf einen anderen Song geeinigt. Ich mache dieses Format sowieso nicht mehr so oft, dass die Leute Musik mitbringen, sondern meistens geht es um die Musik der Menschen, die zu Gast sind. Ich spiele nicht viel Musik von männlichen Artists, weil es mein Anspruch ist FLINTA*-Artists zu unterstützen. deswegen soll die Jungsmusik anderswo laufen. In meiner Sendung laufen zu 95 % Flinta*-Artists, weil ich es wichtig finde, denen einen Raum zu geben. Fluky hatte einige männliche Artists dabei. Es gibt persönliche Verbindungen von Fluky zu dieser Musik und wer bin ich denn, das zu verbieten? Aber wenn ich jemanden einlade und die Person soll Lieblingsmusik mitbringen, dann sag ich halt vorher was dazu.

mit Brezel Göring (Photo: Steffi Loos)

Wie bist du überhaupt zum Radio gekommen?

Ich wollte schon immer Radio machen. Als ich nach Leipzig zum Studium ging, hatte ich schon den Plan, später Radiojournalistin zu werden. Ich hatte aber keine Ahnung, wie man das wird und habe dann in Leipzig kurz bei Mephisto eingecheckt. Das ist das Leipziger Uni-Radio. Das war aber recht hierarchisch organisiert und ich konnte erstmal wenig selbst ausprobieren. Dort habe ich jemand kennengelernt, der bei Radio Blau war: Das hat damals nur vier Stunden in der Woche sonntags gesendet und ich habe relativ schnell einen Sendeplatz bekommen, und ich habe den mit dem Senden einfach angefangen, nach dem Motto „Learning-by-doing“. So bin ich in diese Community hineingewachsen und bin auch schon in den ersten Jahren zu Vernetzungsveranstaltungen gefahren, wo andere Leute von freien Radios waren. Zur gleichen Zeit habe ich angefangen als Medienpädagogin zu arbieten und musste dann eh ich alles lernen, z.B. Schneiden mit der Bandmaschine. Wir hatten dann zwar bald auch einen Rechner mit einem Schnittprogramm, aber das hat auch immer voll lange gedauert, bis der Rechner mit dem „rechen“ fertig war. Ich habe alles von der Pike auf gelernt, aber an der Uni habe ich keine radiojournalistischen Seminare belegt. Ich hab´ es mir anderswo abgeguckt und selber überlegt, wie ich es machen könnte.

Gibt es ein Archiv all deiner Sendungen?

Die Sendungen der letzten zehn Jahre sind online. Auf einer Plattform von freien Radios gibt es ein paar noch ältere Sachen und ich habe einen Stapel CDs und Kassetten. Gerade wühle ich mich durch das Jahr ´99 und im Oktober gibt es dazu eine Radiosendung mit Archivmaterial. Aber ich habe leider kein sortiertes Archiv, ich habe mir nie die Zeit dafür genommen.

mit Katja Ebstein

Hast du einen Überblick, wie viele Musikerinnen du in deiner Sendung bisher hattest?

In 25 Jahren? Ich hab vorhin kurz überlegt, ob du mich so was fragen würdest. Dann habe ich gedacht, dass ich lieber nicht darüber nachdenke. Es gibt einige, die ich mehrmals interviewt haben, wo man so schon ein cooles Archiv nur für diese Musikerinnen machen könnte. Es sind auf jeden Fall über hundert, schätze ich.

Christiane Rösinger war solo und mit Britta oft zu Gast. Jedes Buch von Christiane, jede Platte und ein Theaterstück wurden in Mrs. Pepsteins Welt besprochen. An ihrem 50ten Geburtstag war ich als DJ eingeladen, da haben wir uns (Christina und Katja) ja auch kennen gelernt!

Und klar, Stereo Total nehmen einen großen Raum im Pepsteinherz ein. Im Februar ´99 war Francoise meine erste offizielle Gästin! Lustigerweise hört man mich während der Sendung im Hintergrund nur kichern und ich spreche gar nicht. Nach dem Tod von Francoise habe ich ein sehr langes Gespräch mit Brezel geführt. Ich war sehr froh, dass er mir dieses Vertrauen entgegen gebracht hat.

Mit Phoebe Kreutz bin ich auch seit vielen Jahren im engen Kontakt, leider haben wir uns lange schon nicht mehr persönlich zum Interview getroffen. Aber dank Online-Tools geht das jetzt auch easy übers Netz.

Der Öffentlich-Rechtliche Rundfunk muss einen Bildungsauftrag erfüllen. Hast du in deinem Rahmen auch das Gefühl, einen Bildungsauftrag zu haben?

Ob ich das jetzt so als Auftrag sehen würde? Irgendwie schon. Es ist ein Ziel von mir, den Leuten was mitzugeben. Also was ich zum Beispiel am Schluss der Sendung mit Fluky gesagt habe, „Hey Leute, es ist einfach wichtig, sich mit dem Thema zu beschäftigen. Macht es ruhig, ist auch nicht schlimm, redet auch mit Menschen die krank sind.“ Es gibt immer wieder Feedback, dass Leute sagen, „cool, die Musik kannte ich noch nicht, oder das war ein besonders schönes Gespräch“. Das meiste Feedback bekomme ich eigentlich immer zu Sendungen, die nicht so viel mit Musik zu tun haben. Neue Musik ist oft verknüpft mit Reviews, da redet man wirklich fast ausschließlich über die Platte. Wenn du Menschen aus einem anderen Kontext zu Gast hast, konzentriert sich das Gespräch anders. Ich sag ja manchmal scherzhaft, „Liebe Pepsteingemeinde“, das kommt von meiner katholischen Vergangenheit.
Aber man würde ja nicht ins Radio oder generell in die Medien gehen, wenn man nicht denkt, man hätte was zu sagen. Missionarisch sollte es aber auf keinen Fall sein, es ist sozusagen ein „freiwilliges Bildungsangebot“. Und tatsächlich lerne ich ja auch immer noch was dazu!

mit Mine

Du hast mal gesagt, du wärest anfangs nicht explizit feministisch ausgerichtet gewesen. Kannst du dazu was sagen?

Anfang war es vielleicht so, dann hatte ich das Gefühl, dass ich was vermitteln möchte. Man hat jetzt was zu erzählen. Ich habe mich schon immer für Musik interessiert und hatte einfach Bock, Musik im Radio zu spielen. Damit bin ich aufgewachsen. Dass Menschen Musik präsentieren, hat mir immer gefallen. Dann habe ich meistens Männer interviewt und dachte so, „Hä?“
Komisch eigentlich. Bevor ich Radio gemacht habe, hatte ich schon einen emanzipatorischen Anspruch und hatte mit dem Thema Feminismus zu tun, aber ich hab das gar nicht so wahrgenommen. Ich war zum Beispiel in einer Mädchengruppe, habe als Jugendliche selber eine Gruppe geleitet. Ich war Ministrantin, und habe darauf gepocht, dass es mehr Mädchen als Messdiener gibt und so weiter.
Parallel zu meinen Radioanfängen gab es hierzulande ein paar Riot-Grrrl-Ableger und das war natürlich auch ein Thema im Diskurs, oder ein Thema in der Intro und in den Kreisen, in denen wir uns bewegt haben, später auch die Ladyfeste. Und dann war für mich klar, dass es viel interessanter für mich ist, Interviews mit Frauen zu machen. Männer werden sowieso schon überall promotet.

Hattest du auch Interviewpartnerinnen, die nicht über Feminismus reden wollen?

Manchmal ist das Thema ein bisschen kontrovers. Ich habe eher die Erfahrung gemacht, dass Musikerinnen halt nicht aufs Frausein & Musikmachen reduziert werden wollen. Oder sagen wir so, sie wollen lieber über ihre Musik reden!
Also dass Du als Frau nicht darüber sprechen willst, wie es ist, „als Frau Musik zu machen“. Das ist wirklich nervig, vor allem, weil man ja den Feminismus sozusagen praktisch vorlebt. Ich erinnere mich an ein Interview mit Mary Ocher, da haben wir am Ende festgestellt „Huch, wir haben ja gar nicht über Feminismus gesprochen“. Das fanden wir in dem Fall richtig so. Aber ich bin selbst Feministin, war ich schon immer, und selbstverständlich ist es meine Radiosendung auch.

mit Anja Rützel

Kaput: Apropos, dein Jubiläum: Im November feierst du Deinen eigenen runden Geburtstag und 25 Jahre als Sendungsmacherin. Was erwartet die Leute auf der Party und wo findet sie statt?

Die Party findet in Leipzig statt, im Werk 2, einem Veranstaltungsort im berühmten Stadtteil Connewitz. Den Ort mag ich sehr gerne, ich habe sehr viele Konzerte dort gesehen, und ich habe ein sehr gutes Verhältnis zu den Menschen, die dort arbeiten und als ich vor einem Jahr gefragt habe, ob sie mich unterstützen, gab es sofort eine positive Antwort!
Vom Programm her habe ich versucht etwas Generationenübergreifendes hinzubekommen: Bernadette La Hengst ist ja eine der Musikerinnen, die mich schon lange begleiten, Kapa Tult ist eine jüngere Leipziger Band, von der wir noch viel hören werden in den nächsten Jahren. Dazu kommen zwei meiner Lieblingsrapperinnen: Lena Stoehrfaktor und Finna. Mit beiden habe ich auch sehr intensive Interviews zum Thema Leben mit psychischen Belastungen gemacht und die haben sich da mir gegenüber auch sehr, sehr geöffnet.
Geadelt wird das Bühnenprogramm dann noch mit einem exzellenten Moderator:innen-Duo und einem legendären DJ-Trio! (*zwinker)

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