“Scham ist ein Druckmittel” – Neufundland im Mammut-Portrait
Das ging schnell. Nur eineinhalb Jahre nach dem Debüt wagen sich Neufundland an ein Konzeptalbum, das keines sein will, aber das Versprechen auf ein großes Ganzes dennoch einlöst. Dahinter stehen junge und – ganz im Sinne des Feuilletons – moderne Männer, deren Gedanken sich bei jedem Satz zu überschlagen scheinen. So viel zu sagen, so wenig Zeit. Im Interview mit Daniel Ibald wird der eigentliche Anlass des Treffens zugunsten von Gesprächen über Politik, Feminismus und das Recht auf Trägheit auch mal in der zweiten Reihe geparkt. Diskurs vor Promotion. Diese Haltung ist es, die das neue Album so gut dastehen lässt – und die den folgenden Artikel über „Scham“ so (pardon) unverschämt lang werden ließ. Text: Daniel Ibald, Fotos: Yella Hawk Photography
Ich bin auf dem Weg ins Büro des Clubbahnhof Ehrenfeld, aus einem Auto plärrt Mark Forster. Oh oh oh oh. Und die Chöre singen für dich. Gleich treffe ich die Kölner Band Neufundland, genauer gesagt ihre beiden Sänger und Texter, Fabian Langer und Fabian Mohn, um mit ihnen über ihr neues Album „Scham“ zu sprechen. Ein Album, randvoll mit Zitaten und Referenzen, Gesellschaftskritik und Zeitgeschichte. Für Leute, die an sich selbst und ihre Hörer gewisse Ansprüche in Sachen Konzentrationsfähigkeit stellen, muss die Mark-Forsterisierung der hiesigen Musiklandschaft die reine Hölle sein. Wie sehr nervt das Regiment der Banalitäten, wenn man selbst um künstlerische Relevanz bemüht ist? Fabian Langer wiegelt ab: „Wir müssen vorher darüber sprechen was Kunst ist. Wenn man immer alles als Kunst bezeichnet fragt man sich schon, warum das alles nichts aussagt. Aber es wird seinen Grund haben, warum ein Studiengang an der Popakademie ‚Popmusik-Design‘ heißt. Da geht es darum, wie designe ich den besten Song, der leicht verständlich ist und inhaltlich trotzdem berührt. Design hat den Anspruch, im besten Fall funktional zu sein und nicht im Weg zu stehen. Und das ist bei dieser Musik der Fall“.
Kollegen-Bashing gibt es also schon mal nicht. Sympathisch. Dabei wäre Fremdscham doch so passend, immerhin haben die fünf Kölner der Scham in all ihren Facetten ein ganzes Album gewidmet. Fabian Mohn holt zur Erklärung etwas weiter aus: “Es ist auf keinen Fall als Konzeptalbum gedacht, auf dem sich nun jeder Titel auf verschiedene Art und Weise mit dem Thema auseinandersetzen muss. Wir haben die Platte geschrieben und nach etwas gesucht, das alles irgendwie labelt und dabei sind wir auf das Phänomen der Scham gestoßen. Wenn man will kann man sehr viele Songs darauf beziehen. Man kann das alles auch ohne dieses Konzept hören, aber wenn man es doch tut, stößt das bedeutungsmäßig nochmal ein paar Türen auf. Scham ist in unserer Gesellschaft ein zentraler Punkt.“
Es ist auf jeden Fall ein komplexes Thema und ein ebensolches Gefühl. Wer sich schämt, behält Würde und Menschlichkeit, unterwirft sich aber auch den ungeschriebenen Gesetzen unserer Zeit. Höher, schneller, weiter. Schande über die, nicht nicht mithalten können oder wollen. Erfolgreicher, besser, effektiver. Und dabei auf dem täglichen Selfie bitte jung und frisch aussehen. Pics or it didn’t happen.
„Wir haben viel darüber gesprochen“, sagt Langer, „für uns ist Scham eher ein Druckmittel. Ein gesellschaftliches Regulativ. Es geht sehr oft um die Art Scham, der man sich gar nicht bewusst ist. Wenn du beispielsweise Schönheitsfilter auf dem Handy benutzt, haben ja im Vorfeld schon irgendwelche Leute für dich entschieden wie du eigentlich besser aussehen würdest. In diesem Moment merkt man gar nicht, dass man der Scham schon vorgreift. Das ist ein Moment, in dem viele unserer Texte anschlussfähig werden: Was passiert hier gerade mit mir, auch wenn ich gar nicht drauf zeigen kann? Ich gehe nicht gerne in Clubs. Man fühlt sich schon schlecht, wenn man irgendwo nicht hingehen will, weil deine Peer-Group sagt: so genießt du dein Leben richtig, so fühlt es sich gut an für dich! Dabei geht es doch eher darum, das in die Insta-Story zu ballern: hier ist es schön und da ist es geil. Das passiert überall und mit dieser Scham macht man die Leute platt. Wenn man sich schämt, dass man nicht genug Geld hat oder die falschen Klamotten. Oder dass man, wenn man nicht rausgeht, auch nicht mehr stattfindet.“
Mohn ergänzt: „Man schämt sich, den falschen Job zu haben. Oder keinen Job zu haben. Diese Leute werden unsichtbar und ziehen sich zurück. Wer sich zu schämen hat, soll dann bitte auch verschwinden. Das ist natürlich kein von uns entdecktes Phänomen, es gibt viele soziologische Studien dazu. Scham greift in den kleinsten Mikrokosmos deines Lebens ein und da ist immer die Frage: Wie kann ich verhindern, mich zu schämen?“ Wahrscheinliche Antwort: vergiss es. Wofür kann und soll man sich heute nicht alles schämen, von zu viel Hüftgold über zu wenig Follower bis hin zu den zu tiefen Falten. Falten, die man vielleicht gar nicht hätte, würde man sich nicht ständig schämen.
„Scham ist die Ozonschicht des Individuums. Sie liegt wie eine Hülle um die Würde. Wir bemerken sie erst, wenn es zu spät und die Verletzung schon erfolgt ist“ Prof. Dr. Jens Roselt, Theaterwissenschaftler
Manchmal ist verschwinden aber auch pure Absicht. Unsichtbarkeit ist wahrscheinlich der beste Schutz. „In einem unbekannten Land, zu irgendeiner Zeit, wollen wir verschwinden, unauffindbar sein“ heißt es in der aktuellen, dritten Auskopplung „Disteln“. Das klingt wie eine Ode an die Nutzlosigkeit, Wunsch und Erlaubnis zugleich, in einer durchgetakteten Welt uneffektiv sein zu dürfen. Kann man tatsächlich einfach gar nichts tun und darauf auch noch stolz sein? Mohn nickt zustimmend: „Da sind wir wieder beim Thema. Gerade in Deutschland ist scheinbar das Schlimmste, das dir passieren kann, dass du nutzlos bist. Es gibt hier dieses preussische Arbeitsethos und schon die Vorstellung, zu sagen ‚ich mache gerade nichts‘ – und zwar nicht im Sinne von Yoga, um anschließend noch besser im Job zu performen, sondern im Sinne von ‚ich will gerade einfach nutzlos sein‘ – ist ein richtiges Tabu. Im Song geht es um Wehrhaftigkeit, darum, sich gegen die Leute zu behaupten, die dir sagen, du musst deine 70 Stunden in der Woche arbeiten weil du sonst kein guter Deutscher bist.“
Unkraut vergeht nicht. Unkraut stört. Und es kommt immer wieder zurück, selbst wenn es ausgerissen wird. Die Saat lauert im Untergrund. Widerstandsfähigkeit zeichnet bekanntlich nicht nur Disteln aus, auch der Mensch trägt sie in sich. In Zeiten, in denen Politik und öffentliche Wahrnehmung zunehmend von rechts unterwandert werden, braucht es diese Wehrhaftigkeit so sehr wie schon lange nicht mehr. Im Jahr 1997 sprach der damalige Bundespräsident Roman Herzog in seiner Rede im Berliner Adlon seinen wohl berühmtesten Satz: „Durch Deutschland muss ein Ruck gehen“. 10 Jahre später wird der NSU in Köln eine Nagelbombe zünden, noch einmal 10 Jahre danach wird die AfD in den deutschen Bundestag einziehen. Der Ruck kam wohl leider von der falschen Seite. Im Song „Eine Nagelbombe später“ zeigen Neufundland auf ein Thema, zu dem Popmusik viel zu oft scheinbar einfach nichts zu sagen hat. Es herrscht das große Schweigen. „Ich glaube, dass der Rechtsruck uns allen gerade klarmacht, dass viele unserer Freiheiten nicht so selbstverständlich sind“, sagt Langer. „Da explodiert 10 Minuten von der Haustür entfernt diese Bombe und mir ist das als Thema gar nicht eingefallen, weil man Popmusik oft in Schranken denkt und glaubt, es sei gar nicht möglich, über so etwas zu singen.“ Mohn ergänzt: „Als Kölner Band kann man sich dazu auch mal positionieren und das als Thema öffnen.“
Stimmt. Nach Gesprächen über die Definition von Kunst und den Wunsch, sowohl nutzlos als auch sperrig im Weg stehen zu dürfen stellt sich die Frage, welche Botschaft ein Künstler in die Welt tragen kann, will oder muss. Muss auch eine Message haben, wer Reichweite besitzt oder ist das in Zeiten von „berühmt sein“ als von Influencern vorgelebter Berufswunsch einfach ein Relikt aus den Glanzzeiten eines Hannes Wader? „Ich finde den Ansatz schön, wenn man sich beim Musikmachen sagt: Wir wollen den Leuten wieder mehr zutrauen“, sagt Mohn. „Wir wollen etwas anbieten. Was man damit macht, kann sich ja jeder selbst überlegen. Uns geht es darum, überhaupt mal wieder jemandem zuzutrauen, dass es in einem Song nicht nur darum geht, eine schöne Nacht miteinander verbracht zu haben. Auch bei vielen Indie-Bands, bei denen man einen linken Hintergrund erwartet, geht es ja am Ende dann doch um nichts“.
Vielleicht haben wir alle uns an dieses Nichts einfach längst gewöhnt. Am letzten Maiwochenende war man geneigt, beim Stichwort „Wahl“ gleich noch „für Europa“ zu ergänzen, damit das Gegenüber auch weiß, dass man nicht etwa das große Finale von Heidi Klum und ihren Meedchen meint. In die allgemeine Bräsigkeit mischt sich nur noch selten so etwas wie Unmut oder gar Protest. Wie subversiv kann ein Popsong da überhaupt noch sein? Mit „Viva la Korrosion“ geben Neufundland eine neue Antwort.
„Alle unsere Mollys auf die Asylanten,
all die Expertise, Dauerkrise, alle diese Fachmutanten,
Alle unsere Schulden, all das sich-gedulden,
alles wertlos, alles fliegt hoch“ “Viva La Korrosion“
Gesellschaftskritik in einem Popsong? Tapfer. Fabian Langer weiß, wie groß die Windmühlen sind: „Dafür fehlt heute die subkulturelle Einbindung. In Subkulturen konnte Pop immer sehr subversiv sein, weil es dort eine Szene gab in der die Leute noch anderen gesellschaftlichen Input bekamen. Punk zum Beispiel. Ich glaube, das fehlt heute. Im Mainstream hat Musik als Prinzip den Wert verloren. Aber ich glaube schon, dass man sich dieses Medium nehmen und schauen kann, was man damit noch erzählen kann. Natürlich merken wir auch, dass man als Indie-Band in einer Echokammer steht und den immer gleichen Leuten nochmal erzählt: übrigens – Viva la Korrosion!“ Fabian lacht. Die Vorstellung seiner Band als moderne Don Quijotes ist aber gar nicht soweit hergeholt. „Es ist ja trotzdem keine vergebliche Liebesmüh. Wenn sich ein paar Teens darauf einlassen und sich dadurch mit etwas anderem beschäftigen, wäre das doch schön.“
Grund zu kritischer Reflexion gäbe es allemal und es ist genug für alle da. Über die Schlechtigkeit der Welt jammern viele; am lautesten jammern die, die sich eigentlich glücklich schätzen sollten und genau das verlernt haben. Wir sind Teil des freien und reichen Westens. Wir sind die, denen das Leben mit Premium-Starterkit und 24-Stunden-Service-Hotline geliefert wurde. Just in case. Doch im Netz kotzt ein steig wachsender Mob seinen als Verzweiflung getarnten Frust raus, jeden Tag, immer hemmungsloser, immer grenzenloser. Frustriert wovon eigentlich? Zwischen Xenophobie, Homophobie, Gender- und #MeToo-Debatte scheint eine bestimmte Gruppe erst die Bodenhaftung und dann den Anstand verloren zu haben. Definieren kann man sie fast immer gleich.
„Männlich, blass, hetero“ war der erste Vorbote des Albums. Eine mutige Wahl. Und natürlich ein Statement: „Die Provokation ist uns bewußt, wir sind fünf weiße Männer im Pop-Business, wir sind quasi ‚Das Problem‘“. Fabian Mohn malt die Anführungszeichen in die Luft. Darf man aus einer privilegierten Position heraus überhaupt mit Ironie an ein Thema wie zum beispielsweise Gleichstellung herangehen? Privilegien vs. Fairness? „Es ist uns, denke ich, ganz gut gelungen, nicht mit dem Finger auf andere zu zeigen“ führt er aus, „Darum war es uns wichtig, selbst in dem Video aufzutauchen und zu sagen: Ja, es geht auch um uns selber“. Langer ergänzt: „Hier stehen nicht fünf White Dudes, die dir jetzt den Feminismus erklären. Wir sagen nur: das Thema gibt es übrigens auch und da müssten wir mal drüber reden. Egal auf welchem Festival wir spielen, ich seh nur Typen. Wenn ich das bemerke, möchte ich auch die Gelegenheit haben, das in unsere Arbeit hineinzutragen“. Mohn fügt hinzu: „Man denkt ja immer, eigentlich sind alle auf der gleichen Seite. Und dann sprichst du mit einem Produzenten und der sagt: ‚Mädchen interessieren sich nicht für Instrumente, die haben keinen Bock drauf, Gitarre oder Schlagzeug zu spielen.‘ Und dann denk ich mir: Vielleicht stehen wir doch nicht auf der selben Seite“. Gefahr erkannt, Gefahr gebannt.
Szenenwechsel. Immerhin geht es eigentlich um ein neues Album. Gerade einmal 18 Monate liegen zwischen dem Debüt „Wir werden niemals fertig sein“ und „Scham“, das ist selbst für das schnelllebige Musikgeschäft nicht viel Zeit. „Schon bei der letzten Tour saßen wir alle mit unseren Laptops auf dem Schoß im Tourbus und haben an neuen Songs gearbeitet“ erklärt Mohn. „Es fühlte sich geil an, das erste Album abgehakt zu haben. Beim Debüt hat man ja auch Songs dabei, die man schon seit Jahren mit sich herum trägt. Darum wollten wir nur noch neue Songs raus ballern, es sollte alles flott gehen und nicht unser klassisches Neufundland-Problem werden, wo wir drei Jahre über eine Hook nachdenken“.
Das Album als Format wurde schon so oft totgesagt, dass man längst nicht mehr mitzählt. Es geht um den Song, es geht um die Schlagzahl, es geht um den möglichst direkten Draht zum Fan. Dank Spotify und YouTube waren Releases unabhängig vom Promo-Plan der Labels nie so einfach wie heute. Hat sich das Album also tatsächlich überlebt? „Das ist schon noch ein bisschen die Kür“, findet Langer, „es ist die spannendere Aufgabe, zu fragen: Wie bindet man denn jetzt 12 Songs mit einem roten Faden zusammen, damit nicht alles auseinander fällt? Gleichzeitig auf einer musikalischen, textlichen und emotionalen Ebene. Diese Herausforderung finde ich reizvoll“. Mohn hat noch einen ganz praktischen, wenn auch schmunzelnd vorgebrachten Nervenkitzel parat: „Schreib mal 12 Texte, wo du dich nicht danach vor dir selber schämst“. Word.
Nun also das große, das gefürchtete, das schwierige zweite Album. Die Naivität des Debüts ist weg, bei Musik wie Musikern: „Man ist abgeklärter was die Branche angeht“, sagt Langer, „und, ganz böse gesagt, auch angesichts der Überlegung, wie groß man als Indie werden kann. Man sieht schnell, dass alles was außerhalb von Majors stattfindet, kein Geld verdient. Wenn man sich dann fragt, warum mache ich das eigentlich, wird relativ schnell klar, dass man etwas sagen wollen muss. Ansonsten könnte ich auch zu Hause chillen. Es ist uns klar, dass wir davon jetzt keine 100.000 Kopien verkaufen. Uns ist aber auch klar, dass wir vor Leuten spielen und etwas damit sagen können. Und wollen. Ich glaube, wir haben heute alle sehr viel weniger Angst“. Schon Wir Sind Helden erkannten: Wir müssen nur wollen. Am Ende muss man also doch wieder ran und irgendwas tun, irgendwas machen, irgendwas wollen. Auch den großen Hit? „Das ist die Frage“ sagt Langer, „in Deutschland machen ja Leute diese Hits, die sind halt ultra scheiße. Aber das muss ja nicht zwangsläufig so sein.“ Ist es nicht das, was die Leute wollen? Einfachheit. Mühelosigkeit. Musik als Komfortzone? „Das ist ein generelles Missverständnis“, erklärt Langer, „da ist Musik nicht anders als Literatur. Musikhören muss man auch lernen. Sie fordert, dass man sich mit ihr auseinandersetzt. Dann kann man auch komplizierte Musik hören und Freude daran haben. Die Leute tun so, als sei Musik das intuitivste auf der Welt und wenn ich etwas spüre, habe ich schon das volle Musikerlebnis. Aber du setzt dich ja auch nicht hin, liest ‚Krieg und Frieden‘ und denkst dir: Ach, das war doch jetzt mal witzig.“ Er muss lachen. Kann man Menschen also dazu erziehen, auch Musik zu mögen die ihnen nicht in den Schoß fällt? Langer nickt: „Zumindest soll man nicht davon ausgehen, dass das kein Mensch rafft. So doof sind die Leute nicht. Wie viele Leute einem immer sagen: Ach, das ist aber eine ganz schön komplizierte Platte, soviel Inhalt“, und ich denke mir dann immer: Ja. Genau.“ Er grinst. Überhaupt wird bei Neufundland gern und viel und über die richtigen Dinge gelacht. Das Album mag kein Bubblegum-Pop sein, eine bierernste Angelegenheit ist es allerdings ebenso wenig. Von zeitlosem und durchaus leichtfüßigem Songwriting verstehen die Jungs etwas, gleiches gilt für die Produktion, die Fabian Langer – selbst unter anderem für AnnenMayKantereit ein erfahrender Produzent – sich hier mit Tillman Ostendarp geteilt hat. Üblicherweise sitzt der bei dem Schweizer Singer-Songwriter Faber an den Drums und gibt sich als DJ Real Madrid seiner Liebe zu elektronischer Musik hin. Wie gut das passt, erklärt Langer so: „Wir wollten jemand, der sich mit Arrangements auskennt und uns hilft, die Songs zu Ende zu denken, der mit diesem Indie-Ding aber ansonsten nichts zu tun hat. Wir haben Faber auf der Tour supportet und Tillman, der bislang nicht produziert hatte, meinte dann besoffen zu mir ‚es wär doch geil, wenn mal eine Band zu mir sagt: Du weißt zwar nicht, wie man ein Studio bedient, aber wir machen das jetzt mit dir‘. Und ich dachte mir: ich weiß genau wer diese Band ist“. Beide lachen laut.
Diese Mischung aus Gelassenheit und Risikobereitschaft hört man dem Album an. „Scham“ ist erwachsener als sein Vorgänger, wirkt entspannt und selbstbewusst. Der Wille, Dinge anders zu machen als bisher und sich zu entwickeln, hat sich bezahlt gemacht. Scham wurde eine waschechte coming-of-age-Platte. Bekanntlich ist deutsche Kost auf dem Musikmarkt nach wie vor schwer im Trend und ebenso bekanntlich wird die Qualität bei steigender Nachfrage nicht unbedingt besser. Hingeschludertes vom Grabbeltisch für die Massen sind unser täglich Brot, „Scham“ ist das kunstvoll drapierte Dessert, mit dem man den faden Geschmack mal für eine Weile los wird. Fabian Mohn grinst breit: „Naja. Und ein Paar Refrains gibt’s ja trotzdem“.
Schämt euch. Es lohnt sich.
Text: Daniel Ibald. Daniel liebt Musik, Hunde und Gin Tonic. Bis er herausgefunden hat wie man diese Dinge zu einem Broterwerb kombiniert, pendelt er als Redakteur zwischen Web und Fernsehen. Wer ihn nerven will, fragt beim Auflegen einfach nach Deutschrap. Wer ihn genervt hat, muss entweder sehr schnell laufen oder sehr lecker kochen können.