Danielle DePicciotto & Friends – Silke Super

Silke Super „Ich singe zu gern lauthals beim Autofahren Songs mit“

Es gibt Menschen, die beschäftigen sich so lange und ausführlich mit Musik, dass sie durch und durch davon getränkt sind. Interessanterweise sind dies nicht unbedingt Musiker:innen, denn diese befassen sich hauptsächlich mit ihrer eigenen Arbeit und das ist auch gut so. Kümmert man sich zu sehr um die Kompositionen anderer, kann es leicht passieren, dass die persönliche Stimme verblasst. Sammler:innen, Moderator:innen, Journalist:innen oder DJs umgeben sich aber ununterbrochen mit der Gesamtheit unserer Musikgeschichte und eignen sich dadurch ein ganz anderes Wissen an.

Dies wird bei der Radio- und Fernseh-Moderatorin Silke Super deutlich. Seit Mitte der 1980er Jahre setzt sie sich mit Klang auseinander. Erst als Sängerin bei den Bands If Idaho Falls und Beat in Time, später als A&R bei Phonogram und Urban, danach als MTV Musikchefin. Wie steil diese Karriere war, kann man höchstwahrscheinlich nur verstehen, wenn man damals dabei war und weiß, wie wichtig MTV für die gesamte Musikszene in den 80er und 90er Jahren war.

Später wurde Silke Super VIVA Chefin und noch später arbeitete sie für Warner Musik als Video-Commissionerin. Interessanterweise flaute das Musikvideobusiness Ende der 90er Jahre ab, etwas, was ich nie verstanden habe, denn ich liebe es immer noch gute Musikvideos anzuschauen. Und so wechselte Silke zum Radio und moderiert bis heute viele erfolgreiche Sendungen, ob beim ZDF oder Radio 1. Sie hat eine so beeindruckende Musikkenntnis, dass sie als Eventmoderatorin und Hörbuchleserin international gefragt ist und regelmäßig zu Workshops, Seminaren, Vorträgen und Panels (unter anderem auf der Popkomm., der c/o pop sowie bei zu der Popakademie) eingeladen wird.

Silke Super ist ein wandelndes Musiklexikon und ich bin etwas von Ihr eingeschüchtert. Sie hat Musikgeschichte gelebt und viele ikonischen Musiker:innen interviewt. Es wird oft unterschätzt, wie wichtig diese Arbeit für Musiker:innen ist, denn wenn es keinen Hype in den Medien gibt, hört keiner deine Musik; und nur wenn die Journalist:innen, Label-Chef:innen, Festival-Kurator:innen und Moderator:innen guten Geschmack haben, wird letztlich gute Kunst gefördert.

Deswegen ist es mir eine große Ehre, Silke Super hier heute vorstellen zu dürfen, denn wie Ihr Name es schon ausdrückt: sie ist super!

Danielle de Picciotto: Silke, du hattest einen ziemlich schnellen und kometenhaften Aufstieg bei Viva und MTV. Ich kann mich noch gut an die Zeit erinnern. Diese Sender waren extrem wichtig für mich. Was war für dich das interessante darin zu arbeiten und denkst du ein Format wie MTV damals könnte wiederkommen? Sind Musikvideos heute noch zeitgemäss?

Silke Super (Photo: Jim Rakete)

Silke Super: Wow, eine komplexe Frage. Rückblickend war es ein Privileg und eine wunderbare, ganz besondere Zeit. Damals war es einfach eine Menge Spaß in Kombination mit einem Haufen Arbeit jenseits geregelter Arbeitszeiten mit unfassbar crazy, inspirierenden Leuten. Die Übergange waren fließend beziehungsweise mein Job und Privatleben irgendwie untrennbar verwoben. Das wirklich Interessante war und bleibt für mich bis heute die Möglichkeit, im Bereich meiner großen Liebe, der Musik, etwas bewegen zu können und tolle Songs und Talente voranzubringen. Ich würde rein theoretisch kein Musik-TV-Revival ausschließen wollen, aber so sehr wie sich die komplette Musikindustrie seit den 90ern verändert hat, müsste so ein Musikfernsehen heute wohl auch deutlich anders funktionieren. Das Musikvideo selber hat sich vom klinisch-tot-sein Mitte der 00er-Jahre erstaunlich gut erholt, erfüllt aber heute ganz andere Zwecke.

Du beschäftigst dich seit Mitte der 80ern mit Musik. Was bedeutet sie für dich persönlich?

Musik war und ist mein Leben. Ich hab schon als Kind mein Radio morgens vom Bett aus angemacht und als letztes abends im Dunkeln ausgeschaltet. Die Medien und Musikstyles haben sich verändert beziehunsgweise weiterentwickelt über die Jahre, aber ein Leben ohne Musik ist für mich schlicht nicht vorstellbar und wäre auch furchtbar langweilig. Ich singe zu gern lauthals beim Autofahren Songs mit und tanze auch für mein Leben gern und nächtelang.

Du kennst dich bestimmt besser in Musik Genres und Richtungen aus als die meisten. Was war für dich eine der interessantesten Entwicklungen seit den 90er Jahren?

Das mag sein, aber ich persönlich denke eigentlich gar nicht in Genres, das limitiert nur … ich feiere eher die teilweise schon erfreulich gelungenen Bestrebungen, Frauen mehr Raum im gesamten Kosmos der Musik einzuräumen, vor und hinter den Kulissen. Das Thema war nämlich natürlich schon in den 90ern akut, aber inzwischen bewegt sich endlich wirklich was.

Das stimmt, Frauen in der Musik war lange Zeit ein sehr schwieriges Thema und da tut sich tatsächlich endlich etwas. Darüber bin auch ich persönlich sehr glücklich! Es gibt unglaublich viele tolle junge Musikerinnen,. die extrem innovative Musik komponieren, abgesehen von denen, die es schon seit Dekaden machen.
Welche Musik repräsentiert für dich am ehesten die Jetzt- Zeit?

Unmöglich, das zu sagen. Musik ist irre vielschichtig und ja auch immer eine Frage des persönlichen Geschmacks. Musik hat früher auch die Rolle der Abgrenzung beziehungsweise Zugehörigkeit zu bestimmten Gruppen gehabt. Eine bestimmte Band gutfinden war auch ein Statement über die eigene Persönlichkeit. Meine Tochter und ihre Freund:innen sind da viel eklektischer, Stile und Jahrzehnte werden gemischt und komplett aus ihrem Kontext gelöst. Das empfinde ich als typische Eigenschaft der Musik der Jetzt-Zeit, die ich tagesabhängig für ok bis grauenhaft befinde.

Ich habe während der Pandemie das Radio lieben gelernt. Ich muss gestehen, vorher ist es eher an mir vorbei gerauscht, aber seit 2022 bin ich süchtig. Du bist seit 2005 einer der wichtigsten Stimmen dort. Was ist für dich am interessantesten im Medium Radio?

Radio ist spannend, weil es ein Medium ist, in dem man oftmals direkt auf Unerwartetes reagieren muss. Unvergessen ist zum Beispiel die Ausstellungskuratorin, die während meines Live-Interviews vor Aufregung ohnmächtig geworden ist. In Bezug auf Musik ist das Radio unerreicht, denn vom Entdecken eines spannenden Songs bis zum Auflegen in der Sendung, also dem Teilen mit dem Publikum, brauchts nur wenige Sekunden. Fernsehen ist da absolut im Nachteil, da braucht man eben immer Bild UND Ton. Ich liebe die Unmittelbarkeit des Radios, gerade für Musik.

Im Radio gibt es auch die Möglichkeit über jede Form der Kultur zu sprechen. Was sind für dich die momentan interessantesten Themen?

Gleichberechtigung in allen Bereichen sowie Erhaltung der vielfältigen Musik- und Kreativszene in Berlin inklusive der nötigen Freiräume. Kultur, auch Subkultur, kostet Geld und ist ein existentieller Bestandteil unseres Lebens. Die Menschen, die das ermöglichen sollten schon in der Lage sein, damit ihren Lebensunterhalt bestreiten zu können. Das braucht ein Schritthalten mit Entwicklungen und Gegebenheiten, wie uns zuletzt Corona eindringlich und vor allem den kreativ arbeitenden mit aller Härte gerade bewiesen hat.

Ja stimmt, die Wohnungs- und Studionot in Berlin ist schon sehr groß, die Preise haben sich ins unermessliche gesteigert.
Was denkst du über KI in der Musik? Es gibt große Ängste, dass sie Musiker:innen endgültig ersetzen werden und dadurch überhaupt kein Geld mehr verdient werden kann in dem Metier.

Vermutlich wird man KI, wie jede neue Techologie, nicht aufhalten können. Zum Glück sind Menschen neugierig. Ich würde mir wünschen, das wir uns von ihr inspirieren lassen, aber unsere eigene Kreativität darüber nicht vergessen.

Ich muss oft daran denken als die CD den Markt erobert hat und viele dachten, sie wären eine ernsthafte Gefahr für den Musikmarkt. Ich hoffe mit KI wird es ähnlich und dass, wie du anregst, kreativ damit umgegangen werden kann.
Was sind deine persönlichen Pläne und Wünsche für die Zukunft?

Que sera sera. Gesundheit ist wichtig, das meiste andere ist nur eine Herausforderung, die gemeistert werden will.

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