Interview

Soulful Shack – „Ich möchte dabei noch mal hervorheben, dass wir dabei keine Northern-Soul-Kopie anstrebten“

Der Soulful Shack gilt als Mutter aller Partyreihen und war zwischen 1985 und 1995 fest im Kölner Nachtleben etabliert. Anlässlich des vierzigsten Jubiläums wollen es die verbliebenen Mitbegründer Olaf Karnik und Frank Schäfer noch einmal wissen und laden am 27.9. zum Soulful Shack in den Kölner Stadtgarten ein.

Nach dreißig Jahren findet im Stadtgarten, eurer alten Wirkungsstätte, noch einmal der Soulful Shack statt. Abgesehen davon, dass die Geschichte des Soulful Shack 2025 zum vierzigsten Mal jährt – gibt es noch weitere Gründe für diese Wiederaufführung?

Olaf Karnik: Der Hauptgrund ist, dass wir nicht dokumentiert sind. Heutzutage erscheinen zahlreiche Rückblicke in Form von Büchern, Radiosendungen und Ähnlichem. In dem Zusammenhang ist uns aufgefallen, dass es nichts gibt über den Soulful Shack. Man hat nie daran gearbeitet, eine Webseite zu machen, weil es scheinbar niemanden interessiert hat. Jetzt hat sich das aber geändert, und es entstand die Idee, eine Publikation zu initiieren, die den Soulful Shack dokumentiert. Anhand von visuellem Material, Listen, es gibt Fotos, all das wird angereichert mit Texten und Nachrufen auf Gerald Hündgen und Wilfried Rütten. Diese Publikation soll dann präsentiert werden auf der Veranstaltung am 27.9.

Spielte es auch eine Rolle, dass der Soulful Shack in dem vieldiskutierten Buch „Wir waren hochgemute Nichtskönner“ nicht erwähnt wurde? Olaf hat sich ja entsprechend in den sozialen Medien dazu geäußert.

OK: Das war nicht der Grund. Es geht uns darum, dass wir nicht dokumentiert sind, was schade ist. Wenn es niemand anders macht, nimmt man die Sache selbst in die Hand. Das von dir erwähnte Buch hätte eine Dokumentation des Shacks gar nicht leisten können, da wäre der Shack vielleicht mit einem Satz erwähnt worden. Ich habe seit einem Jahr auch wieder damit angefangen, mich verstärkt für Soul zu interessieren und habe auch die aktuelle Szene im Zuge eines Radiofeatures für den SWR in den Blick genommen. Dadurch wurde klar, dass es einerseits eine Herausforderung wäre, noch einmal an die Vergangenheit zu erinnern und unser Jubiläum zu feiern. Dabei geht es uns auch darum, unseren spezifischen Ansatz zu betonen, der die unterschiedlichsten Spielarten von Soul in sich vereint.

Wir kamt ihr in 80ern auf die Idee, eine Veranstaltungsreihe ins Leben zu rufen, die sich ganz auf Soul konzentriert?

Frank Schäfer: Es war fast zwangsläufig. Wir interessierten uns alle für Soulmusik. Olaf, Gerald und Wilfried Rütten waren bei der Spex, hinzu kamen Michael Kerkmann und ich selber. Clara Drechsler und Gerald Hündgen waren dann 1984 in England, um für eine Spex-Reportage zu Northern Soul zu recherchieren. Im Anschluss daran kam die Idee auf, dass wir etwas Vergleichbares hier organisieren könnten.

Hatte die Begeisterung für Soul auch damit zu tun, dass die Mainstream Pop-Musik noch mehr im Zeichen von Soul stand?

OK: Das habe ich auf dem Weg zu diesem Treffen auch noch mal überlegt. Nachdem das große Postpunk-Abenteuer vorbei war, lief es ab 1982 auf Soul und Synthpop hinaus. Synthpop hat mich nicht so interessiert, und selbst im Mainstream gab es großartige Soulballaden, etwa „Careless Whisper“.Sogar „Do You Really Want To Hurt Me?“, obwohl es sich an Reggae-Strukturen orientiert, ist vom Song her eigentlich eine Soulballade. Von Style Council oder Orange Juice gar nicht erst zu reden.

FS: Mir fällt noch Soft Cells Version von „Tainted Love“ ein.

OK: Es lief also alles in die Richtung Soul. Vor diesem Hintergrund hatten wir eigentlich mit dem Soulful Shack von Anfang an Erfolg. Ich möchte dabei noch mal hervorheben, dass wir dabei keine Northern-Soul-Kopie anstrebten. Oder?

FS Ja, stimmt. Außerdem hatte man die entsprechenden Platten gar nicht. Ab cicra 1982 ging es los mit Compilations auf den Labels Kent und Charly. Ansonsten gab es außer Motown-Reissues nichts, was man in den Läden kaufen konnte. LPs von Curtis Mayfield in Deutschland zu bekommen, war damals komplett unmöglich.

Wer war zu Beginn im Team?

OK: Gerald Hündgen, Wilfried Rütten, Michael Kerkmann, Frank und ich.

Im Pressetext heißt es, dass dem Soulful Shack die Absicht zu Grunde lag, dem Theoretisieren über Musik (wie in Spex) eine Praxis in Form von Tanzen zur Seite zu stellen.

OK: Es gab schon sehr früh, ab 1984, Spex-Partys, die im Alten Wartesaal stattfanden. Da haben Gerald Hündgen, Dirk Scheuring und ich angefangen aufzulegen. Damit war der Weg eigentlich bereitet. Was im Pressetext jetzt nicht drinsteht: die erste Veranstaltung, die wir organisiert haben, hieß noch nicht Soulful Shack, sondern „Soul In-Crowd Cologne“. Den Namen fanden wir aber zu elitär. Frank meint, es war Dirk Scheuring, der auf die Idee kam, die Reihe in Soulful Shack umzubenennen – nach dem gleichnamigen Stück von Smokey Robinson & The Miracles.

Aber spielte ein Hang zum Elitären nicht immer eine Rolle beim Soulful Shack? Im Pressetext ist die Rede von „didaktisch orientierter Programmgestaltung“.

FS: Im Prinzip war das so, aber es gab keine Alternative dazu. Nicht nur in Bezug auf Soul. Es gab auch keine Wave- oder Punkparties. Was es gab, waren Discos, wo das lief, was in den Charts war. Das soll nicht heißen, dass keine guten DJs in den Discos existiert hätten, nur waren diese nicht als Figuren präsent, weil es die Leute nicht interessierte. Man hätte genau so gut ein Radio laufen lassen können.

Also kann man sagen, dass ihr das Auflegen personalisiert oder individualisiert habt?

FS: Zumindest was Köln angeht, hat es sich so verhalten, glaube ich.
OK: Man kann schon sagen, dass der Soulful Shack zu den Vorreitern der Clubkultur gezählt werden muss – in dem Sinne, dass ein Ansatz und ein Style im Vordergrund steht. Im Gegensatz zur Disco, wo es eher um Boy meets Girl geht, man tanzt zwar, ab und zu läuft ein gutes Stück, aber eher selten. Für uns war von vornherein klar: nur Soul, kein Hip Hop. Es gab viele Diskussionen darüber, was wir spielen. Was ist erlaubt, was nicht. Das hat geholfen, den Geschmack zu schärfen. Wir haben das Auflegen sehr ernst genommen. Dazu gehörten regelmäßige Treffen, bei denen alles, was mit dem Shack zu tun hatte, besprochen wurde.
FS: Das ging dann weiter mit den Programmheften, die später dazu kamen, als wir bereits im Stadtgarten gastierten.

Wie festgelegt war der musikalische Ablauf beim Auflegen?

OK: Das Warm Up und das letzte Set von Gerald waren die beiden einzigen Programmpunkte, die dem Prinzip Freestyle gehorchten. Ab 22 Uhr gab es n Dreißigminuten- Einheiten unterteilt Motown, Girlgroup, Phillysound, Southern Soul oder Norman-Whitfield-Produktionen usw.

Das könnte man als Außenstehender auch als nerdig bezeichnen, obwohl es natürlich von Liebhabertum zeugt.

OK: Es war der Versuch, den Leuten Soul näher zu bringen. Wir haben auch die Programme gehabt, die Informationen lieferten zu den Stilen oder

Genres, die bei uns liefen. Man wollte die Leute erziehen.

FS: Ich würde eher sagen, man wollte den Leuten etwas erklären.
OK: Okay, erziehen ist vielleicht ein bisschen übertrieben.
FS: Für Außenstehende war es manchmal schwer zu verstehen, was auf einer Soulful-Shack-Veranstaltung passierte. Wer normalerweise in Discos ging, musste erst einmal damit klarkommen, bei uns Stücke zu hören, die völlig unbekannt waren. Viele Leute konnten es zunächst gar nicht einordnen, wie ihnen geschah.

Könnt ihr erzählen, welche Locations der Soulful Shack durchlaufen hat?

FS: Es fing an in der Salznuss in der Südstadt, die Location, die heute das Tsunami ist. Da fand der Soulful Shack etwa sieben Mal statt. Im Frühjahr 1986 sind wir auf die Uni Mensa ausgewichen. Im Sommer gastierten wir zwei Mal im Luxor und im Herbst gab es zwei Termine im Stollwerk.
OK: Das war eine Art Odyssee. Wir mussten ständig neue Locations suchen, bis sich die Möglichkeit mit dem Stadtgarten ergab, wo wir dann heimisch wurden. Es lief sehr schnell so gut, dass der Laden immer richtig voll war. 800 bis 900 Gäste begrüßen zu dürfen, war keine Seltenheit.

Habt ihr auch Wünsche zugelassen?

OK: Das DJ-Pult war oben, von daher gab es schon eine räumliche Distanz…es kam hin und wieder vor, dass sich jemand Lieder wünschte, aber das war die Ausnahme. Außerdem gab es die Programmhefte, die jeder Gast an der Kasse bekommen hat. Das heißt, der Ablauf des Abends war dem Publikum bekannt. Wer ins Theater geht, weiß auch, dass man sich nicht Othello wünschen kann, wenn King Lear auf dem Programm steht.
FS: Einmal hat sich jemand Tyrone Davis gewünscht, und genau in dem Moment lief ohnehin gerade ein Stück von ihm.

Naja, aber lieber Tyrone Davis als „Sex Machine“.

OK: Genau, es war völlig klar, dass „Sex Machine“ auf dem Soulful Shack nie laufen würde. Ich mag das Stück, aber der Soulful Shack war nicht der Ort dafür. Das galt für Michael Jackson, Prince ebenso. Wir wollten unbekannte Musik, die wir super fanden, bekannter machen.

Es ging also schon darum, sich abzugrenzen?

FS: Das passte auch einfach nicht. Ich hätte es schwierig gefunden, Michael Jackson ins Programm zu integrieren, jedenfalls die Hits, um die es dann gegangen wäre.
OK: Man hätte natürlich etwas aus der 70er Motownzeit Jacksons spielen können, aber das hätten die Leute vielleicht gar nicht erkannt. Der Wunsch nach Michael Jackson wäre gleichbedeutend damit gewesen, seine Musik aus der damaligen Gegenwart aufzulegen. Obwohl es sich um schwarze Popmusik handelte, passte es ästhetisch nicht in unser Konzept.

Es gibt das Gerücht, dass auf dem Soulful Shack auch Stücke liefen, die nicht offensichtlich tanzbar waren, dass euch das Tanzdiktat egal war. Stimmt das?

FS: Eigentlich kaum, höchstens wenn es darum ging, von einem Programmpunkt zum nächsten überzuleiten. Im Southern Soul gibt es natürlich Stücke, die eher balladesk sind. Aber ich wäre nie auf die Idee gekommen, irgendetwas aufzulegen, das überhaupt nicht tanzbar ist.
OK: Das kann ich bezeugen. Bis auf das Warm-Up oder die letzte Viertelstunde, wo Gerald vielleicht mal eine Ballade eingestreut hat, kam es nicht vor. Und man muss sich vor Augen führen: je voller das Haus ist und je mehr Zuspruch man bekommt, desto eher ist man bereit, auch mal ein Wagnis einzugehen. Man muss nicht brettern, sondern kann auch mid-tempo spielen.

Ist es denn so, dass im Laufe der Zeit Sixties Soul immer mehr in den Hintergrund gerückt ist? Im Programmheft zum letzten Soulful Shack Weekender im Herbst 1995 tauchen in den Playlists der DJs kaum noch Sixties Soul Stücke auf.

FS: Das kam vor. Weil es auch so viele neue Sachen gab.
OK: Es lief viel Seventies, Rare Groove, 80er Soul, sogar ganz zeitgemäßer Soul aus den 90ern.
FS: Damals war ja der zeitliche Abstand gar nicht so groß. Man muss sich vorstellen, dass in den mittleren Achtzigern, als wir anfingen, ein Spätsechziger Stück erst etwa 15 Jahre alt war. Und die 70er waren dann natürlich noch aktueller.

Ihr hattet also immer den Anspruch, aktuelle Soulstücke zu spielen?

OK: Von Anfang an, auf jeden Fall. Es war uns zwar klar, dass es da bis auf einige Ausnahmen wie Luther Vandross oder Oliver Cheathams „Get Down Saturday Night“ Vieles gab, was qualitativ nicht an die 60er oder 70er heranreichte. Aber vor allem Gerald Hündgen hat immer darauf bestanden, dass auch diese Phase Teil des Ganzen ist und auch laufen muss.

Olaf, du hast ja die Reportage über die aktuelle Soulszene gemacht. Wie würdest du diese mit der damaligen vergleichen?

FS: Es gab damals in Deutschland keine Soulszene.
OK: Würde ich auch so sagen. Vielleicht gab es kleine Soulszenen in den Metropolen, aber sie waren nicht vernetzt. Es existierte kein Forum, das eine Szene hätte kenntlich machen können. Was es gab, waren einzelne Gruppen, die etwa von Nürnberg zum Soulful Shack gepilgert sind. Statt einer Szene, gab es interessierte Leute, denen bewusst war, dass bei uns kein Heavy Metal, aber auch keine allzu bekannten James-Brown-Stücke gespielt werden.
FS: Am Anfang existierten auch nicht die Single-Nerds, die heute die Soul-Szene beherrschen. Wenn man Glück hatte, tauchten vereinzelt mailorder-Listen aus England auf, wo wir auch mal Singles bestellt haben.

Habt ihr dann zu einem bestimmten Zeitpunkt auch nur noch rare 7“es gespielt?

OK: Wir haben eigentlich immer das gespielt, was wir gut fanden. Es wird in der Publikation einen längeren Text dazu geben, wie es sich mit Raritäten verhält. Frank hat eben gesagt, dass es am Anfang Compilations und Motown-Reissues und Sachen, die man auf dem Flohmarkt gekauft hat, gab. Wir haben früher manchmal pro Woche vierzig Platten gekauft, weil sie so günstig waren.
FS: Ich war einmal mit einem Freund in Mönchengladbach, um ins Museum zu gehen. Ich hatte noch etwas Zeit bis das Museum aufmachte und bin dann in einen Trödelladen gegangen, wo auf zwei Tischen Schallplatten standen. Ich bin an dem Tag zwei Mal die Strecke Köln-Mönchengladbach und wieder zurück gefahren, weil der Platz im Kofferraum nicht ausreichte. Es war ein Angebot, das man nicht ablehnen konnte – 10 Platten für 5 Mark!
OK: So war das. Es änderten sich plötzlich auch die Schwerpunkte. Rare Groove etablierte sich, also musste man Platten dieser Spielart finden. Zusätzlich kamen immer mehr Neuerscheinungen heraus. Ab den frühen 90ern taten sich dann Möglichkeiten auf, über Fanzines, etwa „Voices From The Shadows“, Platten in England zu bestellen, und da haben Gerald, Frank und ich immer Sammelbestellungen aufgegeben, weil wir auch ständig neues, interessantes Material zum Auflegen brauchten. Tatsächlich handelte es sich hier dann um Platten, die Außenstehende nicht einfach so kaufen konnten. Es ging aber nicht darum, Platten nur deshalb zu spielen, weil sie rar sind. Die Eigenschaft des Raren war kein Selbstzweck. Aber man konnte irgendwann nicht mehr zu Saturn gehen und das kaufen, was man wollte. Auch Groove Attack hat zunächst hauptsächlich Hip Hop verkauft, Soul- und Funk-Reissues kamen erst später.

Ist es wichtig, dass die Veranstaltung am 27.9. wieder im Stadtgarten stattfindet?

FS: Die Frage wäre gewesen, wo sonst.
OK: Da man ja nicht gut einschätzen kann, wie viele Leute kommen, gab es die Überlegung, die Veranstaltung nach unten ins Jaki zu verlegen. Das passte aber nicht, weil es am Wochenende im Jaki Parties mit elektronischer Tanzmusik gibt. Gregor vom Stadtgarten hat dann vorgeschlagen, doch die Idee mit dem großen Raum beizubehalten.

Was für ein Publikum erwartet ihr?

OK: Im Laufe der Jahrzehnte sind natürlich immer mehr Freunde und Bekannte dazu gekommen, bei mir an die hundert, bei Frank sicherlich ebenso – wenn die zu 80 Prozent kämen, wäre es schon schön. Außerdem hoffen wir, dass unsere jüngeren Gast-DJs Malayka und Twit One noch Leute ziehen.

Müsst ihr anlässlich des Allnighters eure alten Platten raussuchen? Oder legt ihr mit einem Stick auf?

FS: Das ist eine interessante Frage. Wir haben letztes Jahr im Oktober eine Shack-Veranstaltung in München gemacht.
OK: Nein, wir haben keinen Shack in München gemacht, wir waren als Shack beim „Soulfood Allnighter“ eingeladen.
FS: Ja, okay. Jedenfalls haben wir dann da Shack-Klassiker gespielt. Zu dem Zweck bin ich vorher ans Plattenregal gegangen. Und obwohl ich die Soulplatten seit fast 30 Jahren nicht mehr angefasst habe, brauchte ich keine fünf Minuten bis die Plattentasche voll war.

Kann man da einige Stücke nennen?

OK: Das sind zu viele. Ich besitze von ehemals 2000 Soulplatten noch 200 und habe in den letzten anderthalb Jahren wieder Neues hinzugekauft. Insofern kann ich viele Platten, die ich früher gespielt habe, heute schon aus dem Grund nicht mehr auflegen, dass ich sie gar nicht mehr besitze. Dabei habe ich einige Platten, die zu meinen Klassikern zählten, noch mal neu besorgt. Hinzu kommen dann auch Neuentdeckungen, die dafür sorgen, dass es keine Veranstaltung wird, die nur in der Vergangenheit schwelgt. Ich möchte zum Abschluss noch betonen, dass sich an unserer musikalischen Ausrichtung nichts ändern wird. Nur weil es aktuell wieder eine Hinwendung zu Sixties Soul gibt, heißt das nicht, dass wir uns dieser Entwicklung anschließen.
FS: Es ist ja auch anstrengend. Man kann sich doch nicht sechs Stunden lang Northern Soul anhören. Als wir in München waren, habe ich festgestellt, dass oftmals einer raren Platte der Vorzug gegenüber einer guten gegeben wird.
OK: Das liegt daran, dass es heute den Raritätenbonus gibt. Man möchte etwas Besonders bieten, und da ist man 30 Jahre nachdem wir aufgehört haben in Liga D angekommen.

Ich glaube aber, dass es durchaus immer noch Entdeckungen gibt, die wirklich gut sind.

OK: Also Vieles, was erschwinglich ist, brauche ich nicht.
FS: Aber es war bei uns doch schon so, dass man nach neuen Stücken gesucht hat. Wir hätten natürlich auch zehn Jahre lang Chicago Soul spielen können. Man sucht aber weiter und kommt irgendwann an dem Punkt an, wo man merkt, dass es schwierig wird. Das äußert sich darin, dass man mal ein Stück spielt, weil es anders klingt, obwohl man es selber gar nicht so toll findet.

Vielleicht kann man sich darauf einigen zu sagen, dass die Qualität des Stücks wichtig ist, unabhängig davon, ob es rar ist.

OK: Was ich noch sagen wollte, ist im Grunde ein übergreifender Punkt, es betrifft das Plattenkaufen in Zeiten des Internets allgemein. Es geht darum, wie sich die Allverfügbarkeit von Platten heutzutage auswirkt. Der Unterschied von heutigen Szenen zu früher ist der, dass man früher angefangen hat mit verfügbaren Standards und Klassikern. Zuerst kamen Motown und Stax und danach Northern Soul. Von dem Etablierten ausgehend, hat sich der Geschmack also verfeinert. Heute findet man Soul-Fans, die 2000 Rare-Soul-Singles besitzen, aber keine einzige Temptationsplatte, keine Stevie-Wonder- oder Marvin-Gaye-Platte, vielleicht nicht mal eine Curtis-Mayfield- und erst recht keine Al-Green-Platte, und da hört es dann für mich auf. Deswegen haben wir auch keine Probleme damit, Stücke von den Genannten aufzulegen. Die Qualität entscheidet.

Habt ihr euch zur Zeit des Soulful Shack ausschließlich für Soul interessiert?

OK: Ich kann mich noch ganz genau daran erinnern, wie es dazu kam, dazu muss ich ein bisschen weiter ausholen. Ich habe mir letztes Jahr zum zweiten Mal „The Painted Word“ von den TV Personalities gekauft. Als ich die Platte wiederhörte, war ich total gerührt von einigen Stücken. Da fiel mir der Besuch eines TV Personalities-Konzerts in Bochum im Jahr 1985 ein, das einfach grauenvoll war. Ich habe die Musik damals als unglaublich jammerig empfunden. Das war die Initialzündung für den Entschluss, keine „weiße“ Musik mehr zu hören, keinen Synthpop, kein Indie. Zum Soul kamen dann Jazz, Hip Hop, House und ein bisschen Techno. Reggae und Dub hatte ich durch den starken Bezug zu Postpunk bereits vor Soul entdeckt. Diese Konzentration auf schwarze Musik hat dazu geführt, dass ich keine einzige Sonic-Youth-Platte, keine SST-Platte besitze. Ab Mitte der 90er hat sich das dann wieder geändert.
FS: Bei mir war es ähnlich. Die Begeisterung für britische Popmusik wurde irgendwann verdrängt von Soul, Hip Hop und House.

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