Swell Maps „The John Peel Sessions” (Mute/PIAS)

Swell Maps
„The John Peel Sessions”
(Mute/PIAS)
Erstmals sind die Swell Maps-Sessions beim berühmten Indie-DJ John Peel nun zusammengestellt als Album erhältlich. Das rote Vinyl erschien zum diesjährigen Record Store Day, nun gibt es die 13 Songs aus 1978-1980 auch als Album auf CD und komplett digital.
So unterschiedliche Musiker*innen wie Sonic Youth, Pavement, Coco Rosie, Deerhunter, Stereolab, Kurt Cobain, Lemonheads oder Tobias Levin bezogen sich auf diese britische Art Post Punk-Band, die eigentlich weit mehr als eine Band war und nur drei schnelle, rauschhafte Jahre zugegen war. Davor gab es sie als Experiment im jugendlichen Freundeskreis, stark geprägt von Jowe Head (später u.a. Palookas, Television Personalities, Angel Racing Food), Nikki Sudden (Jacobites mit Dave Kusworth, Rowland S. Howard, Phil Shoenfelt, Freddy Lynxx, Jeff Dahl, Hugo Race) und dessen Bruder Epic Soundtracks (Jacobites, Crime & The City Solution, These Immortal Souls, Red Krayola, Evan Dando, Kevin Junior/Chamber Strings). Jowe und Nikki waren die Außenseiter an derselben Schule, Epic der jüngere Bruder. Dazu gesellten sich diverse wechselnde Mitglieder wie vor allem Biggles Books, Phones Sportsman und Golden Cockrill. Und alle hießen eigentlich natürlich anders und stießen ständig auf neue Instrumente, Ideen und produktive Widerstände, womit das Experiment Swell Maps begann.
Jowe Head schrieb mir zum Grundkonzept der kurzlebigen Band und langlebigen Wirkungen sowie zu seiner Rolle bis heute: „In my view, Swell Maps is more than just a band; it represents a kind of attitude, with certain qualities: independence, diversity, unpredictability, spontaneity, experimentation. If I am, as you suggest, a ‚kind of personal interface‘ between the past present and future of Swell Maps, then I humbly accept this role as a kind of catalyst. It is not an ego trip! Also, a band should be greater than the sum of its parts, so we can view this as an organic evolution of Swell Maps, where the ‚planets‘ aligned together at the right time. It has been worth the wait, I think.“
Eine ganze Zeitlang war es ziemlich ruhig um das Erbe der Swell Maps geworden, hier und da spielte Nikki mal den einen oder anderen Song wie vor allem seinen Mini-Hit „Midget Submarines“ live solo. Leider sind Epic 1997 und Nikki 2006 verstorben. Auf Epics Tribute-Shows in London und Berlin taten sich damals die Swell Maps wieder zusammen und spielten für und ohne ihn. Mittlerweile sind über all die Jahre zahlreiche Re-Issues aufgetaucht, alte Rough Trade-Singles viel wert geworden und die Swell Maps wieder in vielerlei Munde und Ohren. Letztes Jahr zum Record Store Day ist zudem das phantastische Album „Daga Daga Daga“ von Soundtracks & Heads auf „Glass Modern“ gewissermaßen posthum erschienen.
So hat sich „Mute Records“ nunmehr zur Veröffentlichung dieser schrägen und doch treibenden, dieser sehr punky und doch zu verspielten, dieser alles in allem absolut unspießigen, eklektizistischen und damit eher post-punkigen Songs entschieden. Und damit einigen Medienwirbel verursacht. Schön, das. Beim (erneuten oder auch ersten) Anhören der alten, aber nicht veralteten Songs fällt es nämlich leicht, den D.I.Y.-Spirit ihrer kurzen, rumpeligen Jahre zu erfassen, eigene Konzepte und Gestaltungen, eigenes Label, ihr ‚Projekt‘ zwischen Elternhäusern in Solihull/Birmingham, Plattenladenjobs bei „Rough Trade“ in London, Anti-Kunst-Kunst und wilden Konzerterlebnissen. So wurde John Peel zu ihrem Fan und unterstützte durch damals so wichtiges reichhaltiges Airplay Singles und Hits sowie eben Sessions-Versionen von „Vertical Slum/Forest Fire“, „International Rescue“ oder ihre einst erste, 1977 selbst verlegte Single „Read about Seymour“. Das Instrumental „Big Empty Field“ ist prä-postrocky deluxe, „Bleep and Booster Come round for Tea/Secret Island“ eine entrückte Pianominiatur mit anschließender schlechter, ostentativ gelangweilter Laune, umgekehrt, also erst tolles Nervengesäge, dann Epics seltsam berührendes Pianofigürchen bei „Helicopter Spies/Raincoat’s Room“, die Trias „Full Moon/BLAM!!/Full Moon (Reprise)“, hier in einem gut sechsminütigen Stück zusammengeschmolzen, verdichtet ihre Vorlieben für Krautrock (unbestritten ihre Liebe für Can, Faust, Neu!, Van der Graaf Generator usw.), Glam, Punk, Krach, Quatsch und Found Footage-Instrumente. Für mich funky Post Punk at its best inklusive Saxophon und Top-Song der imaginären Jahrtausend-Post Punk- oder Indie-Disco-Compilation.
Neben all den Rereleases und Anspielungen hat sich nach längerer Pause das einzig aktive Urmitglied Jowe Head vor ein paar Jahren entschieden, die Band weiterzuführen, er sieht sich dabei allerdings nicht nur als Verwalter oder Schnittstelle: „Firstly, it is super to have these radio sessions released, at last! Together, they offer an interesting perspective of the development of the band over three years. There are some early versions of familiar songs, and different arrangements of other pieces, to show that the band were always experimenting. Secondly, I am still very proud of the records that I made with the original band. Because Epic and Nikki are no longer with us, I feel some responsibility to keep the band’s name alive, and try to produce some new recordings that offer a valid continuum between past and present. The current incarnation of Swell Maps features very talented musicians, and we perform the original material in a respectful and joyful manner. We have also been working on some new recordings; some of this material had been written by Epic, Nikki, John and David and me, but we split up before it could be developed for the recording process. I have since developed this material with the present incarnation of Swell Maps, so it is ready to be heard.“
Für die neue Variante namens Swell Maps C21 konnte Jowe sogar David Barrington (Phones Sportsman) und John Cockrill (Golden Cockrill) ‚reaktivieren‘.
Auch fertig zum (Wieder-)hören sind die unerhörten 13 Songs der ersten Swell Maps bei John Peel. Und all ihr anderer guter und vor allem so innovativer Stoff. Ich erinnere ihre ungeheure Kraft beim Epic-Tribute in London. Das alles ist wieder da. Und sollte unbedingt von Jüngeren entdeckt werden. Also danke, Jowe! Und R.I.P. Nikki und Epic.









