2024 – Das Jahr in Insolvenz & Pop

Verträumt, gespenstisch und sehr feminin – 2024 mit Danielle de Picciotto

Danielle de Picciotto (Photo: Sylvia Steinhäuser)

2024 wird leider als das Jahr in die Kaput-Geschichte eingehen, in der die Verhältnisse im Bundesdeutschen Kultur(Haushalts)betrieb dazu geführt haben, dass wir wirklich niemanden mehr den 2014 seismographisch feinfüllig und von DIY-Kultur geschult gewählten Magazinuntertitel “Insolvenz & Pop” erklären mussten. Standen damals zunächst primär Lebenserwartung und Altersvorsorge auf der Agenda (siehe unsere Interviews mit Gudrun Gut & Hans-Joachim Irmler) sowie Frank Spilker), also die “Längsfolgen” von einem Leben mit (Pop)musik, geht es nun explizit um das Überleben im Kulturalltag.
Umso mehr danken wir auch 2024 unseren Autorinnen und Fotograph:innen für die Mitarbeit am Kaput-Experiment. Und freuen uns, dass sie wie jedes Jahr Ihre Highlights mit uns und Euch teilen. ❤️

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1) Lieblings Konzert – Kim Gorden im Festsaal Kreuzberg
Diese Frau hat mehr Power mit 71 Jahren als die meisten 20 jährigen. Das Konzert war das beeindruckendste seit Jahren. Ihre Mädchenband explodierte non stop und Kim war zugleich elegant und aufmüpfig. Ihre Stimme erinnert an Suicide, Ihre Band an Iggy Pop und Ihr Look an Maison Margiela und doch war alles einzigartig und individuell. I love her!

2) Lieblings Performance – “Krieg” von Käthe Kruse mit Edda Kruse Rosset
Ich bin ja schon lange Fan von Käthe Kruse. Ihre fantastische Performance Kunst fing bei der Tödlichen Doris in den 80gern an und entwickelt sich bis heute stetig weiter. Dieses Jahr hat sie eine neues Projekt konzipiert und aufgeführt. Auch ein Album dazu aufgenommen. Dabei geht es um Krieg. Käthe zählt alle Kriege der Menschheitsgeschichte seit Anbeginn auf, ihre Tochter Edda Kruse Rosset trommelt dazu. Die Performance und das Doppelalbum sind hypnotisierend und tief beeindruckend.

3) Lieblingsautorin – Ali Smith
Ich habe dieses Jahr Ali Smith entdeckt. Der Schreibstil der Schottin hat mich dermassen aus der Bahn geworfen, dass ich das Buch “Companion Piece” gleich zweimal lesen musste. Es ist wie eine Collage, in der Vergangenheit , Gegenwart und Zukunft ununterbrochen ihre Stellung ändern und sich austauschen. Es werden Gegenwartsthemen wie die Pandemie oder Krieg, mit Gedichten oder alten Riten verglichen, ersetzt und erklärt. Sie untersucht und seziert Sprache und Wörter, spielt mit Ihnen, jongliert und verwirft. Ich habe selten eine so intelligente, in die Tiefe gehende und trotzdem spielerische Schreibart erlebt.In ihrem Buch “Gliff”, 2024 erschienen geht es darum, ” wie wir Bedeutung schaffen und wie wir bedeutungslos gemacht werden”.

4) Lieblings Band – HTRK
Die Musik von HTRK ist verträumt, gespenstisch und sehr feminin. Gleichzeitig sind die Sounds sehr futuristisch. Ihre Musik wäre der perfekter Soundtrack für einen Sofia Coppola Film. Egal welchen.
Ich freue mich immer wenn sie etwas neues herausbringen. Dieses Jahr war es zwar nur ein Remix “Dream Symbol” von Lorraine James, aber auch der war gut. Alles im HTRK Umkreis ist elegante Avantgarde.

5) Lieblings Ausstellung – Conor Walton

In der Fine Art Berlin lief von 12.09.-24.10.2024 eine Ausstellung des Irischen Künstlers Conor Walton. Seine Ölgemälde erinnerten mich an Caravaggio, sehr realistische Figuren, wunderschöne Farben und feine surrealistische Themen in die man sich stundenlang vertiefen konnte. Sehr empfehlenswert. Während der Ausstellungsdauer malte er aufwendige Portraits der Besucher:innen – eine schöne Art das Publikum in die künstliche Welt mit einzufangen.

6) Lieblings Poetin – Maroula Blades
Maroula Blades, eine Engländerin die in Berlin lebt, arbeitet seit Jahren unentwegt an Poesie. Dieses Jahr wurden ihre Worte von Mukoli Magazine,“DU BIST AM ZUG”,DiBiase Poetry Contest,Abridged 0-100,Syncopation Literary Journal and B Cubed Press veröffentlicht. Ihre Poesie spricht über Soziale Themen, Diskriminierung und Rassismus aber auch über die traurige Schönheit unserer Welt. Maroula hat außerdem einen eigenen Poesie Lehrkurs entwickelt, den sie an Schulen unterrichtet.

7) Lieblings Serie – “True Detective – Night Country”
Die geheimnisvolle, eiskalte Atmo in dieser vierten Staffel von True Detective war nervenaufreibend spannend. Die Story und Musik gut und alle Schauspieler*innen exzellent, vor allem Kali Reis war beeindruckend. Ich hoffe sie wird jetzt öfters auftauchen.

8) Lieblings Album  – “Rampen APM” von Einstürzende Neubauten
Es ist faszinierend wie sich diese Band immer wieder, seit 40 Jahren, neu erfindet. Ihr neues Album basiert auf Improvisationen und ist experimentell, intelligent und frech. Ich liebe ungewöhnliche Sounds und auf diesem Album kann man
reibende, schnarrende und kreischende Geräusche hören. Die Spiellust dieser Musiker ist beeindruckend und inspirierend.

9) Lieblings Film – “The Zone of Interest”
Dieser Film ist meiner Meinung nach der beste Horrorfilm der jemals gemacht wurde. Vor allem weil man das Verbrechen nicht sieht, die Schreie kaum hört und der Horror um so schlimmer glasklar zu spüren ist.
Die Perfektion der Ausstattung, des Dialogs, der Choreography ist unübertroffen. Ich hätte es mir gerne mehrmals angeschaut um die vielen Details genauer zu betrachten aber das Thema ist zu hart um als schöngeistiges Entertainment zu dienen und ich musste erstmal nach Luft schnappen als es vorbei war. Das mit einem solchem Understatement ein solches Vergehen so perfekt vermittelt werden kann, beweist mal wieder was für eine unglaubliche Kraft und Relevanz Kunst doch hat.

10) Lieblings Festival – Fusion Festival

Ich habe dieses Jahr zum dritten mal mit meiner Band hackedepicciotto auf dem Fusion Festival gespielt und war wieder extrem beeindruckt mit welcher Liebe und Hingabe dieses Festival ausgeführt wird.
Trotz der riesigen Masse an Menschen, waren alle Teilhabende entspannt und freundlich.Die Organisatoren und die vielen Freiwilligen Helfer waren gelassen und extrem hilfsbereit, auch professionell und gut in Ihrer Arbeit. Ich habe mich als Künstler super versorgt und aufgehoben gefühlt und konnte deswegen vor dem vollen Saal und großen Publikum auch entspannt spielen. Dafür würde ich mich hier gerne nochmals bedanken.

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