Christoph Voy auf 4- Tage-Trip nach Nostalgia
Sanfter Einstieg am Samstag, Dose Jack Daniels Cola, Nerven gestärkt für die ungeliebte Zitadelle. Spandau ist nicht Berlin.
Große Überraschung: Wunderbares Publikum, fanatisch frenetische Stimmung. Später, alles voll. Trotzdem gelangt man in den Moshpit vor der Bühne ohne sich wie ein Arsch zu benehmen.
Zurück gespult. Erste Band The Meffs, England. Punk Rock. Fein. Danke. Danach Condefendants, mit einer Version des coolen, skatenden USA Onkels als Frontman. Ein Sideproject von Get Dead. Hardcore mit Rock und Ska Einschlag. Sam Kings Stimme bringt alles ins Rollen. San Francisco Bay Area.
Ade Spandau, hallo Tempelhof: BIKINI KILL
Ganz anderer Vibe. Mega Styling Everyone. Alle Queer, alle inklusiv, alle Cool. Alle da. Sau entspannte Vorband: TROPICAL FUCK STORM. Psycho Rock. Dann Bikini Kill. Cool, professioneller Punk-Postrock.
Danach erklären mir auf dem Parkplatz: TROPICAL FUCK STORM die tödlich australische Tierwelt: 7 Meter Krokodile und Kängurus, die Hunde ins Wasser locken um sie zu ersäufen. Grusel.
Zweiter Tag: NOFX.
Selbe fantastische Stimmung wie am Vortag, kein Wunder ca. 30% die selben Leute.
Zum Einstieg die Circle Jerks, Legende Keith Morris (u.a. OFF) als Frontman, Joey Castillo (unter anderen Danzig) an den Drums, Zander Schloss (u.a. The Weirdos) am Bass und Greg Hetson (u.a. Bad Religion) an der Gitarre. Hardcore Mosh Time.
Finale. Alle VIP Fans auf die Bühne, die können die Show riechen. Bühne voll. Ich unten im Graben. Es gibt Bier und Wasser auf den Kopf wenn es von der Bühne oder auf die Bühne geworfen wird. Denke dann immer an das Comics Love & Rockets, wo es bei einem Panel heißt: „ If you were real hardcore you throw a full bottle“….is ja nicht mehr mit Glassflaschen. Gut.
Fat Mike, Gesang, Bass und Showeinlagen. Erik Sandin, Drums. Eric Melvin, Guitarre. El Hefe,
Gitarre. Das allerletzte Konzert von NOFX in Europa. Soviele Jahre, soviele Hits. Feiern, easy.
Und am Ende? Tränen. Tränen bei den Fans.
4. Tag: BODYCOUNT
Zwei Tage später. Wieder Spandau. Das Publikumm setzte sich zusammen aus ein paar der NOFX
Gäste mit bösen Blick verkleidet, Kindern der 90 ziger mit Fan Shirts, ein / zwei türkischen
Rapproduzenten(?), die alle jeweils mit Begleitung. Dazu noch Metalfans und eine neuen oder
ganz alte (schon vergessenen) Art von Hooligans. Marke: der schwarzen Block hat die Hertha
Frösche umgestylt.
Die Zitadelle war entspannt gefüllt. Die Stimmung war angenehm passiv-agressiv so wie auf einem
Mötorhead Konzert (leider nicht mehr nacherlebbar). Allerdings ohne die einheitliche
Kleidungswand nicht so eindrucksvoll. ICE-T war gut, seine Band war gut. Mein erster Gedanke:
Niemals hat er auf dem ersten Body Count Album so klar und kraftvoll geklungen. Seine Band bei
diesem Auftritt bestand aus Ernie C (Gründungsmitglied), Juan of the Dead, Will „Ill Will“ Dorsey,
Little Ice, Vincent Price und Sean E Sean.
Dem 4- Tage-Trip nach Nostalgia fehlt natürlich der bittere Beigeschmack nicht. ICE-T, fragt liebevoll welchen Männern schon eine Pussy gewachsen ist? Und danach wird behauptet der Begriff “toxische Männlichkeit ” ist nur erfunden worden um Männer zu kastrieren. Passender Song, „Manslaughter“.
Das Publikum bei Bikini Kill. Stylish as Fuck und Queer as possible. Wunderschöne Menschen und toll gekleidet. Wirken aber leider so steif und unempathisch wie die Debütantinnen auf dem Wiener Opernball.
Das direkte Gegenteil bei NOFX, „Insanely Alive”, um Wolfgang Tillmans zu zitieren. Aufmerksam,
zufrieden und besoffen. Wundervoller inklusiver Moshpit mit wirklichem Wahnsinn. Aber wer sich
die Mühe machte die Hochrechnung der Europawahlen zu checken, wusste das Punk auch
immer tiefe Verzweiflung und unbändige Wut beinhaltet.
Text: Christoph Voy
Zugaben:
– NOFX über Bikini Kill: ”Kill Rock Stars” from the album “So Long and Thanks for All the Shoes” (1996) – written about Katheleen Hanna – referencing her by name (“Kill the rockstars? How ironic, Kathleen. You’ve been crowned the newest queen”)
– Bikini Kill, Kathleen Hanna über NOFX: Le Tigre. On their debut album (1999), the first track, “DECEPTACON” is an open hate letter to Fat Mike: “You’re just a parrot and you’re screaming and you’re shouting” refers to Mike’s snotty vocals. “You bought a new van the first year of your band” is a truth that seems to irritate Kathleen. “Your lyrics are dumb like a linoleum floor” is a reference to NOFX’s song Linoleum.