Florian Hecker „Resynthesizers“ / R.M. Schindler’s Fitzpatrick-Leland House

Florian Hecker „Resynthesizers“

 

„Resynthesizers“, die erste Soloausstellung von Florian Hecker in Los Angeles, ist noch bis zum 13. März im R.M. Schindler’s Fitzpatrick-Leland House zu sehen, das an der Kreuzung Laurel Canyon Boulevard und Mulholland Drive geradezu über Los Angeles schwebt. Ein Ort, der bereits für sich eine einzigartige Aura kreiert, in dem er einen trotz des so nah vorbeirauschenden Verkehrs in eine Art Vakuum verpackt.

Ideale Vorraussetzungen für „Resynthesizers“, mit dem Hecker ein additives Narrativ aus Sounds, Düften und Texten transportiert, das in Zusammenarbeit mit Alberto de Campo, Axel Roebel, Marc vom Ende, Philip Kraft und Robin Mackay entstanden ist. Obwohl die Verhältnisse eigentlich klar sind und Hecker primär ein Musiker ist, so vermittelt die Ausstellung doch eine Augenhöhe der Eindrücke.

Florian Hecker hinterfragt mit „Resynthesizers“ – und darüber hinaus in seinen Arbeiten, viele Kaput-Leser:innen kennen ihn sicherlich durch seine Veröffentlichungen auf PAN und bei Edition Mego – unsere Wahrnehmungsprozesse.
Es wäre interessant zu wissen, wie er selbst als Besucher die Ausstellung rezipiert. Ob er das Gefühl hat, dass die Mehrheit am Ende mit einer ähnlichen Lesart rausgeht wie er, oder ob er denkt, dass es da drastische Unterschiede gibt, die soweit reichen, dass einzelnen Bestandteil (vielleicht wie in einem Dubmix) individuell fast keine Rolle spielen? Also dass manche Besucher:innen primär die Sounds rezipieren, andere die Düfte oder die Texte – oder eben auch das Haus und die Umgebung?

Genug der Spekulationen, zurück in das House on the Hill. Für „Resynthesizers“ hat Hecker auf drei Ebenen Soundsysteme, Duftspender und e-ink-Displays (auf denen Texte wiedergegeben werden) verteilt. Eine Anordnung, die so stimmig wirkt, dass man sich kein Element in anderer Positionierung vorstellen könnte. Selbst von Außen, also wenn man das House verlässt und drum herum schleicht und somit die Sinneseindrücke ausblendet, strahlt das Setting eine Zen-artige Harmonie aus.

Parallel zum Empfinden vor Ort bekommen die Besucher:innen am Ende ein Set-Up aus einer Textbeilage sowie Proben der drei in der Ausstellung erfahrbaren Düfte mit. Interessanterweise habe ich persönlich erst dank dieser die drei Düfte so richtig zu greifen bekommen. Konkret handelt es sich dabei um „Vanillin“ (das im 19. Jahrhundert von Deutschen Wissenschaftler:innen generiert wurde und als erstes Parfum überhaupt gilt), „Calone“ (eine Art frischer Seeduft) und „Flowerpool“ (ein gerade erst kreierter antiseptischer Duft).
Der Text von Marc von Ende und Philip Kraft in der Textbeilage zur Ausstellung spricht davon, dass Sounds und Düfte uns Menschen Orientierung in Räumen geben. Legt also nahe – um die eben in den Raum geworfene Frage wieder aufzugreifen –, dass Florian Hecker davon ausgeht, dass es zumindest sich ähnelnde Wahrnehmungsmuster gibt.
Von Ende und Kraft zitieren zudem eine faszinierende Passage von Andy Warhol, wo dieser seine Geruchswahrnehmung von New York reflektiert. Faszinierend insofern, als dass man sich selbst sofort die gleiche Frage stellt:
Was ist mein New York Duft?
Was ist mein Los Angeles Duft?

Meine Antwort zeugt wohl von der eigene Neigung zum Foodie oder meinem aktuellen Hunger, jedenfalls rieche ich Pizza und schmecke Burrito und Mezcal in meinem Mund.

Vielleicht ist das aber auch nicht so interessant wie die Frage, welchen Sound man mit einer Stadt verbindet? In New York ist es, da führt kein Weg und Verdrängungswille dran vorbei, diese spezielle Verkehrsgeräuschkulisse, wie man sie nur in Manhattan auf sich Eindröhnen fühlt. In Los Angeles, da kann und will ich die vergangenen Monate nicht abschütteln: das Flirren von Stadt und Küste von den Hügeln in den Pacific Palisades.

Die Textpassagen in der Ausstellung verweisen – so legt es zumindest der Ausstellungstitel „Resynthesizer“ nahe – auf ein Gimp-Plug-in zur Textsynthese, also auf ein Tool, um auf Basis von Texten neue Texten zu generieren, vergleichbar mit AI-basierten Klangentwicklungs-Softwarelösungen. Wobei die Texte, die man auf den e-ink-Displays lesen kann, Bestandteil eines Libretto des Britischen Philosophen Robin Mackay sind, das das Zusammenspiel von Duftchemie, Architektur und Soundproduktion reflektiert.

Man muss den beiden Kurator:innen der Ausstellung, Ellie Lee und Matt Connolly von Equitable Vitrines, dankbar sein, dass sie den großen organisatorischen Aufwand hinter dieser Ausstellung nicht gescheut haben. Wir verdanken Ihnen sowie natürlich Florian Hecker und seinen Kollaborationspartner:innen eine beeindruckende Ausstellung.
Thomas Venker

Florian Hecker „Resynthesizers“
R.M. Schindler’s Fitzpatrick-Leland House 8078 Woodrow Wilson Drive Los Angeles, CA 90046
Noch bis 13. März 2022

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