Gregor Hotz (Musikfonds) – Interview zum  Haushaltsentwurf der Bundesregierung für 2025

“Ich empfinde die Kulturpolitik auf Bundesebene zurzeit als eher konzeptlos”

Die Bundesregierung hat mit ihrem Haushaltsentwurf  für 2025 die bundesdeutsche Kulturszene massiv vor den Kopf gestoßen. Es drohen heftige Etatkürzungen, Kürzungen, die  absolut konträr zu den formulierten Ambitionen und Versprechen der Vorjahre stehen. 

Interview mit dem Geschäftsführer des Musikfonds  Gregor Hotz 

 

Gregor, du repräsentierst als Geschäftsführer des Musikfonds einen der sechs Bundeskulturfonds (Deutscher Literaturfonds, Deutscher Übersetzerfonds, Fonds Darstellende Künste, Fonds Soziokultur, Musikfonds, Stiftung Kunstfonds), die massiv von den Kürzungen, die im Haushaltsentwurf der Bundesregierung für 2025 vorgesehen sind, betroffen wären.
Zunächst einmal die Frage an dich: wie überraschend kam diese Vorlage für Euch?

Gregor Hotz

Gregor Hotz: Da der Gesamtetat der BKM (Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien der Bundesrepublik Deutschland; Anm. d. Red.)nicht gekürzt, sondern leicht erhöht wurde, hat uns das Ausmaß der geplanten Kürzungen schon ziemlich überrascht. Dass der Etat des Musikfonds in 2024 nicht ganz fortgeschrieben werden würde, war aufgrund der allgemeinen Sparmaßnahmen abzusehen, aber mit einer 45 prozentigen Kürzung haben wir absolut nicht gerechnet – weil sie konträr zum im Koalitionsvertrag formulierten Ziel steht, die freie Szene zu stärken.

Der Protest ist groß – aktuell haben 30.053 Menschen die Petition gegen die Kürzungen unterschrieben.
Wie schätzt du die Chancen ein, dass es nochmals zu Änderunegn für den Haushaltsentwurf kommt?

Das kann ich nicht wirklich einschätzen, auch wenn die SPD-Fraktion des Bundestags sich in ihrer PM vom 15. August sehr deutlich für die freie Szene positioniert. Ich empfinde die Kulturpolitik auf Bundesebene zurzeit als eher konzeptlos…aber ich halte es durchaus für möglich, dass die Parlamentarier:innen eine Korrektur des Haushaltsentwurfs bewirken können. Die Frage ist dann: wieviel legen sie drauf?

Und wie könnten / sollten diese aussehen?

Die Ansätze der Bundesfonds in 2024 (Musikfonds: 5,25 Mio) sollten fortgeschrieben werden, das ist unsere Forderung. Die in diesem Jahr erfolgte Aufstockung beruhte auf der Anmeldung unserer Bedarfe bei der BKM – der Musikfonds hatte einen Bedarf in Höhe von 8 Mio angemeldet – 5,25 Mio haben wir, oder besser gesagt die experimentelle Musikszene, bekommen. Damit kann man arbeiten, aber viel mehr als eine Förderquote von 15% erreichen wir damit nicht.

Reeperbahn

Die Kürzungen betreffen nicht nur die sechs Bundeskulturfonds, sondern große Teile der kulturelle Infratruktur.
Das kann im Idealfall zu mehr Solidarität untereinander führen, leider besteht aber auch die Chance, dass die Ellenbogen gegeneinander ausgefahren werden. WIe schätzt du die Entwicklingsdynamik für den Kulturbetrieb ein?

Ich bedaure, dass es es schon uns sechs Bundesfonds nicht gelang, uns geeint hinter die von Heinrich Horwitz lancierte Petition zu stellen. Das hat verschiedene Gründe, auf die ich hier nicht eingehen möchte. Meiner Meinung nach wäre wichtig gewesen, dass alle sechs Bundesfonds gemeinsam mit dem Bündnis internationaler Produktionshäuser die Petition unterstützen. Meine Erfahrung ist leider die, dass es in prekären Konstellationen immer wieder zu Ellenbogen-Käpfen kommt, obwohl es klar ist, dass wir gemeinsam stärker wären. Der allgemeine Rechtsruck in Politik und Gesellschaft ist so stark, dass sich die freiheitlichen, demokratischen Kräfte des Kulturbetriebs gegenseitig unterstützen müssen – alles andere ist meiner Ansicht nach fahrläßig.

Wie hat man sich generell das Zusammenspiel zwischen politischen Betrieb und den ausführenden Kulturinstitutionen vorzustellen? Empfindest du es als Dialog miteinander oder eher als Setzungsprozess (im Sinne dass die Politik eben Entscheidungen fällt, die ihr umsetzen müsst)?

Das ist schon ein Dialog, ich habe sowohl zur BKM als auch zu den kulturpolitischen Sprecher:innen der Bundestagsparteien einen guten Draht.

Weder die Politik noch die BKM trifft Entscheidungen, die der Musikfonds umsetzen muss – der Musikfonds ist ein rechtlich unabhängiger, gemeinnütziger Verein. Als solcher sind wir zwar zu 100% von der BKM finanziert, aber die BKM diktiert uns nichts. Wenn es den Spielraum gibt, wie es in diesem Jahr der Fall war, dann besprechen wir neue Förderprogramme gemeinsam. Das Absurde ist, dass wir die neuen Förderprogramme (also das Stipendienprogramm und die langfristigere Förderung von Ensembles und Bands), nächstes Jahr schon wieder einstampfen werden wenn es beim jetzigen HH-Entwurf bleibt.

Für mich stellt sich eher die Frage, wie das Zusammenspiel zwischen der BKM und der Politik aussieht. Normalerweise setzt eine Verwaltung ja die Beschlüsse eines Parlaments um, das scheint momentan nicht der Fall zu sein – denn die kulturpolitischen Sprecher:innen der Ampelkoalition wollen die freie Szene gestärkt sehen.

In der Stellungnahme der sechs Bundeskulturfonds zum Haushaltsentwurf ist die Rede davon, dass die Regierungsparteien mit dem Bundeshaushalt 2024 “das Ziel des Koalitionsvertrags, die Bundeskulturfonds als Innovationstreiber nachhaltig zu stärken, eingelöst“ hatte. “Die deutlichen Erhöhungen der Fördermittel sollten in der Folge des auslaufenden NEUSTART KULTUR-Programms durch verstetigte Regelförderungen sowie neue Fördermodule die freie Kunst- und Kulturszene weiter substanziell unterstützen.“
Um den Kontext und die Entwicklung zu verstehen, kannst du mal eine grobe Übersicht geben, wie sich in Eurem konkreten Fall der Etat über die letzten fünf Jahre (also von Prä-Pandemie über die Sonderprogramme bis jetzt) entwickelt hat?

Ich habe Mitte 2017 meine Arbeit als Geschäftsführer des Musikfonds begonnen, damals mit einem Jahresetat in Höhe von 1,1 Mio. 2018/2019 wurde auf 2 Mio erhöht. Von da an operierten wir bis zum Beginn der Corona-Hilfsprogramme mit einem Jahresetat in Höhe von 2 Mio. Während der Pandemie haben wir Sondermittel in Höhe von 41 Mio an die Szene weitergeleitet. Diese Sondermittel wurden bis Mitte 2023 ausgeschüttet.
Der reguläre Etat des Musikfonds ging in 2023 wieder auf die 2 Mio von vor der Pandemie zurück, allerdings erhielt der Musikfonds in 2023 zusätzlich 1 Mio aus dem Programm BULE+ (aus dem Landwirtschaftsministerium). Damit haben wir das Programm muh[sic] durchgeführt, wir konnten im letzten Jahr 40 Projekte ausschließlich im ländlichen Raum fördern. Tatsache ist, und ich sage dies weil die BKM es anders darstellt: In 2023 konnte der Musikfonds mehr Programm-Mittel ausschütten als aktuell für 2025 geplant ist. 2023 konnten wir Mittel in Höhe von 3 Mio weiterleiten, in 2025 sollen es 2,9 Mio sein.

Ihr sprecht in Eurer Stellungsnahme auch an, dass in der Folge der Etaterhöhung 2024 “erst neue Förderlinien und Programme, teils auch im Zusammenspiel mit Ländern und Kommunen oder Akteuren des kulturellen Lebens, entwickelt und erstmalig ausgeschrieben wurden oder sogar aktuell noch erarbeitet werden“ und dass „die Bundeskulturfonds aktiv und konstruktiv bei der Einführung und Durchsetzung in der Freien Szene von Honoraruntergrenzen, den Nachhaltigkeits- und Awareness-Empfehlungen der Kulturförderung der BKM“ mitgewirkt haben.
In anderen Worten kritisiert ihr, dass die Stränge hier absolut nicht zusammen passen: einerseits weniger Geld, andererseits höhere Ansprüche.
Für außenstehende Beobachter:innen mutet das Szenario schon sehr Kafka-esk an. Wie fühlt es sich innerhalb der Administration an?

Es fühlt sich natürlich nicht gut an, ich persönlich empfinde die fehlende Wertschätzung der szenenahen Fördertätigkeit der Bundesfonds. Offensichtlich wird die Bedeutung der freien Szene in der Politik und der Verwaltung nicht wirklich verstanden – man schmückt sich zwar immer wieder gerne mit den Lorbeeren der freien Szene, aber finanziell dafür etwas tun? Passiert nicht.

Dabei sprechen wir über Peanuts! Die BKM hat circa 2,2 Milliarden, der Gesamthaushalt des Bundes ist circa 480 Milliarden schwer – das sind also weniger als 0,5 Prozent für die Kultur. Und von den 2,2 Milliarden der BKM würden alle sechs Bundesfonds zusammen ohne Kürzung 32 Mio bekommen, also etwas weniger als 1,5 Prozent des Gesamtetats der BKM, das spricht doch eine deutlich Sprache…

Was bedeutet es konkret für Eure Arbeit beim Musikfonds, wenn der Haushaltsentwurf 2025 genau so kommt, wie er vorgelegt wurde?

Wie oben erwähnt, bedeutet es, dass wir zurückgehen auf die reine Projektförderung, relativ bürokratisch und unflexibel – also das was die Szene am wenigsten braucht. Es würde im nächsten Jahr zwei große und vier kleine Förderrunden geben, mit einer Förderquote von voraussichtlich unter 10 Prozent.

Gibt es sonst noch etwas, was du mit den Kaput Leser:innen teilen möchtest?

Unterschreibt die Petition!

 

Anmerkung: der Autor gehört aktuell der Jury des Musikfonds an. 

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