Le Cercle Rouge mit Eva Reiter, Hanno Leichtmann & David Moss

Musiker:innen im roten Kreis

Für den zweiten Teil seiner “Le Cercle Rouge”-Reihe hat Hanno Leichtmann für den 13. Januar  die in Wien lebende Gambistin, Multiinstrumentalistin Eva Reiter (Mitglied des ICTUS Ensemble) sowie den Berliner Vokalisten David Moss in das Konzerthaus Berlin (Werner-Otto-Saal) eingeladen.

Eva Reiter hat für die Mehrkanalinstallation von  Hanno Leichtmann im Vorfeld  Viola da Gamba, diverse Paetzold Flöten und Stimme eingespielt und wird in ebendieser live mit ihm mit Viola da Gamba und einer Paetzoldkontrabassblocklöte zu hören sein. David Moss hat für die Installation Schlagzeug und Perkussionsklänge  eingespielt und wird live mit Stimme und Elektronik zu erleben sein.

Hanno Leichtmann war so freundlich, kaput im Vorfeld ein paar Fragen zu beantworten. 

 

Hanno, zu Gast sind bei deiner „Kompositionsreihe“ im Konzerthaus Berlin diesmal David Moss und Eva Reiter – kannst du erläutern, wie es zu genau dieser Besetzung kam?

Hanno Leichtmann: Ich hatte ursprünglich vier einzelne Abende beziehungsweise Tage geplant, mit jeweils einer Klanginstallation von mir die aber exklusiv auf aufgenommenen Klängen bestimmter Musiker*innen basiert, und einem/r Performer*in, der ab und an in die Installation hineingeht und in/mit der Installationsmusik spielt; also eher improvisatorisch, on the fly. Die Coronaregelungen und zu wenige freie Termine im Konzerthaus haben mich dann gezwungen umzudisponieren und aus den Installationstagen zwei Doppelkonzerte/Installationshybride zu organisieren.

Aus meiner Erfahrung mit der Archivarbeit wusste ich schon, dass ich mit Aufnahmen mit Perkussion, präpariertem Klavier und Performern, die mehrere Instrumente spielen können, die Installationsmusik vielfältiger gestalten könnte als zum Beispiel nur mit einem Saxophon oder einer Geige.
Sowohl David Moss als auch Eva Reiter spielen mehrere Instrumente und beherrschen auch mannigfaltige, sehr besondere Spieltechniken, die eine enorme Klangvielfalt ermöglichen. Die Auswahl der Musiker*innen hat sich bewährt und auch innerhalb der Reihe ist es sehr unterschiedlich von den Ergebnissen her geworden.

Bei der Ausgabe zuvor hattest du Dirk Rothbrust und Magda Mayas eingeladen, wie hat sich der Abend denn für dich angefühlt?

Das lief alles ganz super. Es waren ja meine ersten Kompositionen nach diesem Prinzip und es hat sich bewahrheitet, dass Pekussion und präpariertes Klavier sehr dankbare „Archive“ sind. Gerade bei modernen klassischer Perkussion sind die Möglichkeiten ja schier unendlich, da galt es eher einzugrenzen.
Es gab allerdings einen Wermutstropfen am Konzertabend: Dirk Rothbrust musste aus familiären Gründen das Konzert recht kurzfristig absagen, aber ich hatte das große Glück, dass Burkhard Beins (Berliner Perkussionist der Improvisierten Musik) kurzfristig einspringen konnte. Er hattte innerhalb weniger Tage einen super Livepart zur 4 Kanal Installation aus den Klängen von Dirk Rothbrust erarbeitet – das war ganz große Klasse und hat sehr gut funktioniert! Den Livepart von Dirk Rothbrust habe ich vor ein paar Wochen in Köln nochmal nachträglich aufgenommen. Somit ist diese Arbeit jetzt auch komplett eingespielt und aufgenommen und zur Veröffentlichung beziehungsweise weiteren Aufführungen bereit.

Der kuratorische Trick ist, dass die Gäste jeweils in einem “4-Kanal-Käfig” performen, in dem von dir vorprozessierte Sounds abgespielt werden. Kenne Sie diese zuvor? Oder hat man sich das als eine Art Improvisationsmusik auf Basis deines Initialsounds vorzustellen?

Ja, genau, wobei 4-Kanal-Käfig eher humoristisch zu verstehen ist. Das Publikum wird von vier Lautsprechern umgeben. Wie gesagt, ursprünglich war es eher improvisatorisch gedacht – und ich möchte diese Idee auch wirklich noch einmal so ausprobieren beziehungsweise aufführen. Aber, ja, die Spieler bekommen die Installationsmusik etwa vier bis sechs Wochen vorher und können dann je nach Belieben mehr oder weniger festlegen, was sie bei der Performance spielen.
Magda Mayas, Burkhard Beins und dann jetzt auch Dirk Rothbrust haben sich ziemlich genau festgelegt, was sie wann spielen und haben dann in diesem für sich selbst festgelegten Rahmen improvisiert. Ich denke, dass es jetzt nicht viel anders sein wird; es macht total Sinn sich das recht genau zu überlegen, ich würde es auch so machen. Es ist ja jetzt doch eher eine Konzertsituation. Aber die Musiker*innen haben künstlerische Freiheit und können das handhaben wie sie wollen.

Die Reihe im im Konzerthaus Berlin steht in der Tradition deiner langjährigen Beschäftigung mit Klangarchiven. Zunächst einmal gefragt, wie kam es dazu? Was reizt dich an Klangarchiven generell?

Es fing an mit einem Liveset von meinem Album “unfinished portrait of youth today“. Das ist sehr runtergestrippte Loop-Musik mit zwei bis drei Layern, mehr nicht. In dem Raum war noch eine Lichtinstallation einer japanischen Künstlerin zu erleben – und während des Livesets dachte ich irgendwann: diese Musik braucht gar keinen Performer auf der Bühne, beim nächsten Mal spiele ich die Musik einfach vom Band beziehungsweise als Installation. Es war erstmal eine vage Idee. Dann lernte ich beim Madeiradig Festival Hans Joachim Roedelius kennen und schlug dem Haus der Kulturen der Welt im darauffolgenden Jahr vor zu seinem Lifelines-Geburtstagsfestival 2015 eine Installation zu machen – und zwar aus seinem gesamten Backkatalog. Das war meine erste Klanginstallation aus einem festgelegten Soundpool / Archiv. Im nächsten Jahr konnte ich dann eine sehr schöne und umfangreiche Arbeit für die Ferienkurse für Neue Musik in Darmstadt machen und zwar mit dem unglaublichen, 70 Jahre alten, damals neu digitalisierten Archiv. Seither habe ich fast jedes Jahr so eine Installation machen können, unter anderen für Sasha Waltz & Guests und zuletzt für die Donaueschinger Musiktage. Ich mag den Umstand gerne, dass ich Musik komponieren kann aus Klängen, die ich nicht selber mit einem Instrument produziert habe. Ich liebe die Arbeit mit Samples und Samplern. Und es ist auch immer wieder sehr überraschend, welche Klänge man sich jeweils zum bearbeiten aussucht – ich mache das sehr intuitiv –, das ist auch von Archiv zu Archiv sehr verschieden. Obwohl die Arbeitsweise immer sehr ähnlich ist, sind die Ergebnisse immer sehr unterschiedlich.

Oft ist es ja so, dass du nicht nur mit diesen arbeitest, sondern sie selbst erstellst? Wie hat man sich deine Vorgehensweise dabei vorzustellen?

Meistens ist es so, dass ich aus den Archiven viele einzelne für mich interessante Passagen ausfindig mache. Aus diesen Passagen schneide ich kurze bis sehr kurzes Samples heraus und schicke diese dann durch mein Modularsystem, vobei dieses mehr oder weniger als einem Komplexen Looper / Sampler Modul besteht und aus sehr vielen Modulen die dieses eine Modul ansteuern oder triggern. Vereinfacht würde ich sagen dass ich mit einem Präzisionslooper durch ein Archiv “fahre” und daraus neue Klänge erarbeite. Kein einziger Klang ist von mir mit einem Instrument oder einem Synthesizer hergestellt, es sind alles prozessierte Klänge des Archivmaterials, die dann zu einer Komposition zusammengefügt werden.

Kannst du sagen, wie es zu deiner Faszination für Archive gekommen ist?

Ich glaube, das hab ich wirklich dem Darmstädter IMD (Internationales Musikinstitut Darmstadt) zu verdanken, weil diese Aufnahmen aufnahmetechnisch und auch musikalisch sehr anspruchsvoll sind. Es machte unglaublich viel Spaß damit zu arbeiten. Aber auch kleinere Archive oder sehr spezielle Archive (zum Beispiel Sasha Waltz & Guests) sind sehr toll.

Die Aufnahmen für die von dir vorproduzierten Sounds mit Dirk Rothbrust haben in Köln stattgefunden. Wie lief das genau ab?

Jede(r) Performer+in wird von mir unter Regieanweisungen exklusiv für dieses Projekt aufgenommen. Im Fall von Dirk Rothbrust bin ich im Frühjahr 2022 nach Köln gefahren und mit dem Techniker Gerd Nesgen in die Musikfabrik Studios gegangen, wo Dirk Rothbrust unfassbare Mengen an Schlagzeuginstrumenten hat. Ich hab dann on the fly immer gesagt welche Instrumente ich gerne aufnehmen würde und er hat dann auf diesen Instrumenten improvisiert. Zusätzlich dazu hat er mir auch Instrumente vorgeschlagen, mit denen er sich gerade gerne beschäftigt oder passend fand.
Bei den anderen Musiker*innen war die Vorgehensweise mehr oder weniger dieselbe.

Nochmals zurück zum Abend im Konzerthaus Berlin, bei dem du sozusagen in Konzertform die Formate Klanginstallation, Improvisation und Arbeit mit vorbereitetem Klangmaterial installativ fusionierst. Hast du das Gefühl, dass das eine Leerstelle im Musikbetrieb ist?

Es gibt ja schon mehrere Ansätze zu diesem Thema, schon seit den 50er Jahren. Leerstelle würde ich nicht sagen. Es gibt viele Möglichkeiten live gespielte Musik mit vorgefertigter Musik zu kombinieren. Für mich entstand die Idee einfach als Weiterentwicklung meiner Archiv-Serie. Das „Archiv” hierbei ist eine lebendige Person, beziehungsweise die Klänge, die diese Person in sich abgespeichert hat, und die irgendwie abrufbar sind. Und die dann auch in der Installation „live“ anwesend ist und mit einer Komposition aus seinen eigenen Klängen konfrontiert wird.

Wie kam es eigentlich zum Namen Le Cercle Rouge?

Ursprünglich hatte ich geplant, dass die Performer*innen in der Mitte des Raumes kreisförmig aufgebaut sind und dass das Publikum sich frei im Raum um den Performer und zwischen den Lautsprechern bewegen kann. Im momentan möglichen Setting im Konzerthaus ist es eher eine klassische Konzertsituation mit Stühlen vor und seitlich der Bühne, nur dass die Lautsprecher im Quadrat um das Publikum aufgebaut sind.
Der Titel geht auf J.P. Melvilles “Le Cercle Rouge “Film zurück. Die deutsche Übersetzung lautet: “Vier im roten Kreis”.

Le Cerle Rouge II findet am 13. Januar im Konzerthaus Berlin (Werner-Otto-Saal) statt. 
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Aktuelle Informationen zu Le Cercle Rouge

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