Mariami: Musik als Leuchtturm des Liberalismus
Am kommenden Freitag, den 1. März findet im Jaki in Köln die nächste Brutalism Party statt. Mit dabei sind Budino und Giorgi Pipia, zudem wir es ein Back-to-Back von Sedaction und Mariami geben.
Mariami war so nett im Vorfeld ein paar kapute Fragen zu beantworten.
Mariami, Seda (Sedaction) und du legen im Jaki back-to-back auf.Was schätzst du an ihr als Person und als Dj am meisten?
Mariami: Seda und ich kennen uns noch nicht lang und haben uns immer wieder mal auf einer Party gesehen. So haben wir uns dann auch irgendwann kennengelernt. Ihre Präsenz ist schnell spürbar, da sie eine wirklich positive Ausstrahlung hat und ihre Energie ansteckend ist. Ich finde es besonders inspirierend, sie als DJ zu erleben, da sie mit ihrem authentischen Sound überzeugt. Auch ihre Wurzeln kommen durch ihre Musik zum Ausdruck.
Inwieweit wirkt sich die Anwesenheit einer anderen Person auf die Art und Weise, wie du auflegt aus?
Normalerweise spiele ich nur Techno, aber neben dem 4/4 reicht meine musikalische Bandbreite von breaky, edgy und progressive bis zu Internet-Musik und Hyperpop. Sedas Sets sind ebenfalls sehr vielseitig und genreübergreifend. Das B2B gibt uns (vor allem mir) die Möglichkeit, diese Vielfalt voll auszuschöpfen. Diese Diversität spiegelt sich stark in meiner Musikauswahl wider. Das, was ich normalerweise auflege, wird komplett neu interpretiert, und dieses Mal setze ich die Tracks in den Fokus, die eher selten gespielt werden.
Mariami, du stammst aus Georgien, lebst aktuell in Köln.
Zunächst würde mich interessieren, wie wichtig du deine georgische Herkunft für deine Musiksozialisation empfindest?
Würdest du sagen, dass dein georgischer Hintergrund sich auch in deiner Herangehensweise an elektronische Musik wiederspiegelt? Wenn ja: inwieweit?
In den letzten Jahren hat die elektronische Musik eine entscheidende Rolle bei der Förderung sozialer Veränderungen in Georgien gespielt. Sie hat nicht nur Georgien vielen Menschen vorgestellt, sondern auch die Wahrnehmung von Tbilisi umgeformt und es zu einem unerwarteten Hotspot in der elektronischen Musikszene gemacht. Eine solche Entwicklung wäre für die Georgier*innen vor einem Jahrzehnt undenkbar gewesen.
Die Musik hat sich als Hauptgrund erwiesen, um soziale Probleme wie Homophobie und Konservatismus anzugehen. Gleichzeitig diente sie als Mittel zur Selbstentfaltung und als Leuchtturm des Liberalismus. Diese radikale Veränderung bei meiner Rückkehr nach Georgien war einschneidend. Die Transformation von den Bedingungen, unter denen ich das Land verlassen hatte, zur Atmosphäre, die ich vorfand, präsentierte ein besseres Land.
Inspiriert von diesem Hintergrund und den Veränderungen wollte ich die neu gefundene Energie meiner Stadt aufnehmen. Auch wenn ich nicht mehr dort lebe, bleibt meine Verbindung zu meinen Wurzeln durch meinen Beruf und die Musik, die zu einem integralen Bestandteil meiner Identität geworden ist, erhalten.
Um es kurz grob zu erklären: Musik ist geschichtlich immer sehr präsentz für alle Georgier gewesen. Historisch gesehen zogen Georgier sogar mit Liedern in den Krieg. Musik ist auch ein integraler Bestandteil unserer Tischkultur, sowohl bei traurigen als auch bei festlichen Anlässen. Wie ein Spiegel reflektiert die Musik die Geschichte Georgiens, spirituelle Bestrebungen und moralische Integrität.
Darüber hinaus war die Volksmusik mit jeder wirtschaftlichen und sozialen Aktivität eines Georgiers verbunden. Ob während Kriegen, harter Arbeit, Krankheit, Freude oder Trauer – Lieder spielten eine entscheidende Rolle. Sie waren die Kraft, die Mut und Stärke in Zeiten der Not. Aus diesem Grund pflegte der Georgier seinen musikalischen Ausdruck sorgfältig. All das hatte unbewusst einen großen Einfluss, und ich wurde von Kindheit an stark durch Musik geprägt, wie alle anderen Georgier auch.
Der Umzug nach Deutschland war sozial/persönlich sicherlich sehr einschneidend. Was ist dir am nachhaltigsten als Veränderung in Erinnerung geblieben?
Der Umzug nach Deutschland hat mein Leben in sozialer und persönlicher Hinsicht stark beeinflusst. Es gab viele Veränderungen auf einmal. Nicht nur war unsere Wohnung plötzlich viel kleiner, auch meine Freunde waren nicht hier, und ich habe sie jeden Tag vermisst. Die Anpassung an eine neue Sprache sowie die Notwendigkeit, zum zweiten Mal das Abitur abzulegen, waren ebenfalls sehr herausfordernd für mich.
Die Anerkennung meines georgischen Abschlusses wurde nicht gewährt, daher musste ich mich in einer für mich fremden Umgebung erneut in den schulischen Kontext einfinden. Diese Erfahrungen haben mich jedoch vor Herausforderungen gestellt, die meine Perspektive und Lebenssituation nachhaltig verändert haben.
Die Erfahrung, als Geflüchteter in Deutschland zu leben und den damit verbundenen Status zu tragen, bringt strukturelle, systemische sowie behördliche Diskriminierungen mit sich. Diese Herausforderung bedeutete eine große Veränderung in meinem Leben. Sie hat mich dazu veranlasst, verstärkt im sozialen Bereich zu arbeiten, neben meiner Leidenschaft für Musik und DJing. Diese zusätzliche Dimension in meinem Leben hat nicht nur meine persönliche Entwicklung geprägt, sondern auch meinen Fokus auf gesellschaftliche Belange und soziale Gerechtigkeit geschärft. Zusätzlich dazu schreibe ich gerade meinen Bachelor und hoffe, bald als Sozialarbeiterin tätig zu sein. So sehe ich mich in naher Zukunft in einer feministischen Beratungsstelle für Migrantinnen.
Kannst du dich erinnern, wann ihr das erste Mal mit dem Gedanken gespielt habt, back to back aufzulegen?
Gab es ein signifikantes Erlebnis, das den Wunsch geweckt hat? Wie leicht / wie schwer ist es dir gefallen den Wunsch anzugehen und umzusetzen?
Das Ausbalancieren zwischen DJing, Vollzeitarbeit oder Studium ist im Allgemeinen eine Herausforderung und macht es schwer, Zeit für bereichernde Aktivitäten zu finden. Wenig Zeit spielt immer eine bedeutende Rolle dabei, neue Dinge auszuprobieren und den Wunsch danach in die Tat umzusetzen. Als ich Sedas Story sah, in der sie den Track “Ya Bnayyya” von Omar Souleyman spielte, habe ich sie sofort kontaktiert. Ich wollte auch diesen Teil meines Musikgeschmacks erkunden, neben dem üblichen 4/4 Techno. Seitdem sind viele Monate vergangen. Wir hatten sogar vor, uns auf einen Kaffee zu treffen, aber die Zeit und alles, was in unserem Leben außerhalb der Wochenenden passiert, hat es nie möglich gemacht. Dennoch hatten wir immer das Gefühl, dass es gut klappen könnte… Am 1. März fiel dann alles einfach zur rechten Zeit an den richtigen Ort, um uns zu verbinden, und auch meine Brutalism-Kollegen fanden die Idee gut. Also hieß es Seda b2b Mariami :))
Du legst wie bereits abgesprochen im Rahmen von Brutalism auf. Was verbindet du mit dem Kollektiv und den anderen Protagonist:innen?
Ich bin seit sechs Jahren mit Brutalism (Marlon, Max & Lomi) verbunden. Seit 2021 bin ich auch Teil davon. Ich bin mit diesen Menschen quasi gewachsen. Sie haben eine bedeutende Rolle dabei gespielt, sowohl meine Präsenz in der Musikszene als auch meine persönliche Entwicklung in Köln zu formen. Die hier geknüpften Bindungen waren meine ersten Freundschaften, die die Hoffnung aufkommen ließen, dass ich auch an einem anderen Ort, nach meiner Heimatstadt Tiflis, dazugehören könnte. Es hat Zeit gebraucht, aber jetzt fühle ich mich dank dieser Menschen nicht nur wohl, sondern auch zu Hause.
Du legst am Freitag neben Seda zusammen mit Budino und Giorgi Pipia auf. Auch hier würde mich interessieren, was du an den beiden am meisten schätzt.
Ich habe Giorgi zum ersten Mal in Berlin während unseres Left Bank Showcase in Zur Klappe getroffen. Er ist Resident des Left Bank Clubs in Tbilisi und hostet regelmäßige Shows auf Rinse FM. Uns verbindet unsere Left Bank Agency und unsere Agentin Makuna, die auch meine beste Freundin ist. Er scheut sich nicht vor Experimenten, was sich in der Vielfalt seiner Sets widerspiegelt, und das schätze ich am meisten an ihm. Außerdem freue ich mich sehr auf Budino. Es wird das erste Mal sein, dass ich ihr Set live höre.
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Brutalism feat. Budino, Giorgi Pipia, Sedaction b2b Mariami
Jaki, Köln, FR, 01.03.2024, ab 23:30 Uhr