Caribou „Suddenly“ (Merge / City Slang)
Caribou
„Suddenly“
(City Slang)
Man kommt nicht umher, den Geist von Arthur Russel herbeizuzitieren, wenn man das neue Album von Dan Snaith einordnen möchte. Sowohl „Sister“, die zarte, skizzenhafte Songgeste zu Beginn von „Suddenly“, als auch „You and I“, das zweite Stück, bereits als Single vorab veröffentlicht, kontrastieren und verweben gleich zu Beginn in bester Russel-Schule folkistische Songwriter-Idiosynkratie und Dance-Euphorie. Zugegeben, bei Dan Snaith darf es gerne auch mal eine deutliche Spur cheesiger zugehen als bei Russel, aber sind wir nicht alle Kinder unserer Zeit und der dazugehörigen Haltungskulturen? Disco ist eben nicht gleich Club, und Festivalbühnen sind sowieso noch mal eine ganz andere Form der Sozialität – und so dokumentieren Tracks wie „Home“ und „Never Come Back zum einen, dass Snaith zwei Dekaden später geboren wurde, und zum anderen wie seine Freunde Kieran Hebden (Four Tet) und Sam Shepherd (Floating Points) eine Generation von Produzenten angehört, die neben den kleinen sophisacteden Dance Floors eben auch ein Zelt oder Feld bespielen können. Antipole wie das jazzig-verspielte „Sunny’ s Time“ oder das sich lässig über gerade mal drei Minuten dreimal neu erfindende „Lime“, das Sunday-House-, Boogie- und HipHop-Ästhetiken vereint, zeugen diesbezüglich von der Freude an der dekonstruktivistischen Collage des eigenen Klangbaus und einem zwinkernden Augegen des vorhandenen Mainstreampublikums.
„Auch wenn Dan Snaith sechs Jahre auf sein siebtes Album hat warten lassen, so lag dies nicht an Faulheit und zu wenig Material, das Gegenteil ist der Fall: von 900 Songideen ist die Rede und von einer Wartezeit, die persönlichen Veränderungen nach dem Liebesalbum „Our Love“ geschuldet sei. Man kann also sagen, dass selbst die offensichtlichsten Soul-/Popmanifestierungen auf „Suddenly“ erst von Snaith für sich fühlbar gemacht werden mussten, bevor sie in ihrer popistischen Klarheit rausgegeben werden konnten. Man vergisst eben leicht, wie schwer die Leichtigkeit oft erkauft ist. Hierzu passt das traurig-schöne Schlussstück „Cloud Song“, in dem Snaith sich als „broken“ outet, und als unfähig den Weg zu ihr zu sehen.
Thomas Venker