F.S.K.: Topsy-Turvy (Buback)
„It’s a topsy-turvy world“, die Welt steht kopf: Der Titel des neuen Albums von F.S.K. passt scheinbar perfekt zur derzeitigen Situation. Der Opener „Das Parlament der Dinge“, auf Bruno Latours gleichnamiges Buch über politische Ökologie verweisend, lässt sich durchaus als Kommentar zur Zeit verstehen. Auch das letzte Stück, „Digital Benin“ hat ganz klar aktuelle Bezüge, es geht um Raubkunst, koloniale Erblast, die nicht wie im zitierten Kinderlied als „geklaute Kokosnüsse“ marginalisiert werden darf.
Die Band um das Künstler:innenpaar Michaela Mélian und Thomas Meinecke bezieht sich im 43. (!) Jahr ihres Bestehens aber auch auf das dialektische große Ganze, Selbstreferenzen inklusive: So gibt es auf dem Album „Teilnehmende Beobachtung“ von 1981 einen Song namens „Kaufhalle“ – 2023 nehmen F.S.K. das Thema in „Kaufhalle Revisited“ wieder auf. „Stirn zeigen“ dreht sich um verschiedene Arten, einen Pony zu tragen – Dialektik des Hairstyling sozusagen, vielleicht ein Verweis auf „Mode und Verzweiflung“, das 1978 von Meinecke mitbegründete Magazin? „Amorbach“, ein Stück über die Urlaubsgepflogenheiten der Familie Adorno, hat seinen Vorläufer in „Odenwald“ vom 1998er-Album „Tel Aviv“.
Seit jeher verstehen und präsentieren sich F.S.K. als Band, die sich dem Rockismus widersetzt – trotz oder gerade wegen ihrer formal traditionellen Besetzung. Mélian, Meinecke, Justin Hoffmann, Carl Oesterhelt und Wilfried Petzi liegt wenig an instrumenteller oder vokalistischer Meisterschaft, sie eignen sich Stile und Formen an. Die Texte sind essayistisch-literarisch oder lexikalisch-informativ, Spoken Word fernab von mitsingbaren Popschemata, der Sound im besten Sinne Pastiche: F.S.K. experimentierten im Lauf der Jahre mit Country, Techno, Polka und Postrock. „Topsy-Turvy“ badet in jazzigem Ambiente, huldigt afrikanischer Musik, sehr entspannt und doch voller Spannung. So beginnt der über sechs Minuten lange Track „Claude Lanzmann (und sein Bruder)“ mit einer mehr gesprochenen als gesungenen Ode an den französischen Filmemacher („Shoah“), in der es auch um Francoise Hardy und Jacques Dutronc geht. Nach ungefähr zwei Minuten hört der Text auf, die Musik mäandert weiter, vielleicht, damit Sprecher (und die Hörer:innen) in der Bibliothek nach zusätzlichen Informationen zu Lanzmann suchen können. Offene Musik, die zur Interpretation, zur Abschweifung oder Vertiefung einlädt – so lässt sich auch das Instrumental „Home Office“ verstehen. Was passiert eigentlich zuhause, am Schreib- oder Küchentisch? Sitzt man konzentriert an der Arbeit oder läuft man ziellos durch die Wohnung?
F.S.K. denken klanglich nach: der Drumbeat hält einen herzschlagähnlichen Takt, Klavier und Gitarren stoßen hinzu, mal harmonisch, mal dissonant-assoziativ. Dass Dinge, Meinungen, Gefühle, ja, selbst sogenannte Tatsachen nie eindeutig sein können, sondern von oben, unten, links und rechts gesehen und gespürt werden – davon handelt dieses Album. Oder auch nicht. It’s a topsy-turvy world.