Record of the week

Little Boots „Working Girl“

Little-Boots-Working-GirlLittle Boots
„Working Girl“
(Dim Mak Records) 

Ich mag ja Victoria Christina Hesketh alias Little Boots eigentlich sehr gerne: Die Mischung aus kreuzbraver english rose mit ungebremstem Hang zum Clubbing spricht mich total an. Außerdem fand ich, dass ihr letztes, von Tim Goldsworthy produziertes Album „Nocturnes“ von 2013 zu Unrecht ein bisschen untergegangen war, denn die Tracks darauf waren prima Dancefloor-Stoff, schillernde, munter pluckernde Hommagen an 70er-Disco und 90er-Elektro. Und dass Little Boots ihren KünstlerInnennamen ausgerechnet im Film „Caligula“ entdeckt haben soll, finde ich so schräg (im Sinne von unpassend und Möchtegern-tough-sein-wollen), dass ich sie rückwirkend noch mehr ins Herz schloss.

Aufgrund meiner positiven Voreingenommenheit ging ich davon aus, dass Heskeths drittes Full-Length-Album „Working Girl“ eine schlaue, augenzwinkernde Bearbeitung des Themenkomplexes Berufswelt sein würde, das zumindest eine Handvoll tanzbarer Hits bereithalten würde. Schließlich betreibt Little Boots inzwischen ein eigenes Label, ist also vollverantwortliche Business Woman, die wie eine britische Madonna oder als Update von Client oberhalb der sogenannten „glass ceiling“ tanzt und regiert, etc.pp. So dachte ich mir das. Leider trifft kaum bis nichts davon zu.

 

Schon mit dem „Intro“ inklusive Telefontuten und Anrufbeantworterspruch und dem konventionellen Cover (Business-Kostüm!) wird schmerzlich klar, dass Little Boots Klischee nach Klischee abspult und keine Akzente setzt. Weder Dolly Partons „Nine to Five“ noch „She Works Hard For the Money“ von Donna Summer – um mal zwei knackige Working Girl-Klassiker zu nennen – können Patin für dieses Album gestanden haben, allenfalls eine Coverversion vom Beatles-Song „I’m so tired“, gesungen von Baby Spice. Hesketh klingt erschöpft und ausgelaugt, die Musik wie ein fader Workout-Soundtrack, den die vom Arbeitstag sowieso schon durchgenudelte Büromaus wie automatisch abspult – keine Lust, aber muss ja, höre ich sie zwischen den Sit-ups seufzen.

„It’s so hard, it’s so hard for a working girl“, singt Hesketh im Titelstück, ja schon klar – aber was würde sie denn lieber tun? „You’ve got to play that game“, verrät sie ein paar Songs später, es gibt also keinen Ausweg aus dem „Game“. Bei „Get Things Done“ ziehen Tempo, Beats und Bass endlich an, kurz gewinnt man den Eindruck, dass die Erschöpfung davor das Vorspiel sein sollte und JETZT die Zeit des Empowerment, des hedonistischen Befreiungstanzens beginnt – doch der Text ist so resignativ, dass die Hoffnung sofort wieder schwindet. Zwischendurch, es mag bei „Business Pleasure“ oder „Heroine“ gewesen sein, kam mir kurz der Gedanke, dass Little Boots’ offensichtliche Schlappheit Methode sein könnte, also ein ironischer kapitalismuskritischer Metakommentar zur Heiligen Kuh, die die Berufstätigkeit für WesteuropäerInnen ja schließlich ist. Aber dieser Gedanke verzog sich schnell wieder, vertrieben vom allzu süßlichen Gesang und der biederen, kein bisschen wagemutigen, schablonenhaften Musik.

Auf „Working Girl“ wirkt Little Boots wie Client LB, die von Client A und Client B wegen Mut- und Kraftlosigkeit aus dem Projektteam gemobbt wurde. Hesketh sollte dringend eine Auszeit/ein Sabbatical nehmen und danach mit einem Coach über ihre Kernkompetenzen nachdenken.
Christina Mohr

 

 

Verlagssitz
Kaput - Magazin für Insolvenz & Pop | Aquinostrasse 1 | Zweites Hinterhaus, 50670 Köln | Germany
Team
Herausgeber & Chefredaktion:
Thomas Venker & Linus Volkmann
Autoren, Fotografen, Kontakt
Advertising
Kaput - Magazin für Insolvenz & Pop
marketing@kaput-mag.com
Impressum – Legal Disclosure
Urheberrecht /
Inhaltliche Verantwortung / Rechtswirksamkeit
Kaput Supporter
Kaput – Magazin für Insolvenz & Pop dankt seinen Supporter_innen!