Caterina Barbieri „Fantas Variations“
Caterina Barbieri
„Fantas Variations“
(Edition Mego)
Man kann sagen, dass es das Schicksal einerseits gut gemeint hat mit Caterina Barbieri, andererseits aber auch nicht. Gut insofern als dass das nervige Enfant Terrible Covid-19 sich erst dann so richtig in Szene zu setzen wusste, als die italienische Komponistin und Musikerin die Welle der Begeisterung, die ihr 2019 veröffentlichtes Album „Ecstatic Computation“ ausgelöst hatte, einmal um die Welt genommen hatte. Schlecht insofern, als dass die Welt noch lange nicht genug hatte von den avantgardistisch-futuristischen Klangentwürfen und Barbieri im vergangenen Jahr nahtlos hätte weiter touren können.
So aber nutze sie die Zeit und gab „Fantas“, das epische Eröffnungsstück von „Ecstatic Computation“, in die Hände von acht ähnlich ambitioniert an der Verknüpfung von Neuer Musik, Klangkunst und Songformat rüttelnden Künstler:innen. Es handelt sich bei „Fantas Variations“ insofern nicht um eine Sammlung von Remixen, sondern um eine – das wird durch die Wortwahl „Variations“ kenntlich gemacht – von Caterina Barbieri dirigierte interpretative Aufführung in acht Akten.
Zu Beginn befreien Evelyn Saylor, Lyra Pramuk, Annie Garlid und Stine Janvin das Stück von jeglichen Ballast und arrangieren es als „Fantas Variation for Voices“ kristallklar neu, so bewegend jenseitig, dass man sofort an die leeren Zivilisationsbilder in den Filmen von Michelangelo Antonioni denken muss. Benedik Giske fügt mit „Fantas for Saxophone and Voice“ danach das hinzu, was er besonders gut kann: sein idiosynkratisch wildes und trauriges Saxophonspiel.
Weitere Orchesterpositionen nehmen ein: Kali Malone (nachdenklich „for two organs“), Walter Zanetti (sehnsuchtsvoll „for Electric Guitar“), Jay Mitta (mit „Singeli Fantas“ nah am Wahnsinn), Baseck (der mit „Fantas Hardcore“ bösartig provoziert), Carlo Maria (revitalisierend und „resynthesized for 808 and 202“) sowie am Ende für eine „Fantas Morbida“ Kara-Lis Coverdale, bei der sich das Zupfen der Saiten und das Klopfen der Klaviertasten begegnen ohne sich aufeinander einlassen zu können, was einen an die traurigsten Stellen in den Filmen von Ingmar Bergman denken lässt, wenn alles gesagt und die Zeit zum Sterben gekommen ist.
Mit „Fantas Variations“ ist Caterina Barbieri eine fantastisches Nebenwerk zu „Ecstatic Computation“ gelungen.
Thomas Venker