King Hannah „Big Swimmer”
King Hannah
„Big Swimmer”
(City Slang/)
King Hannah kommen aus Liverpool. Seltsam. Wenn Brit*innen sich mit den USA befassen, kann es hoch spannend werden: Die bitterböse Comedyreihe „Little Britain“ nimmt sich selbst und den großen Bruder mit schwärzestem Humor auf den Arm. The Jesus and Mary Chain schienen die desinteressiert schuheglotzend-krachigste Schottenband, die dann aber, nicht zuletzt durch die Liaison mit Mazzy Stars Hope Sandoval das weite, vermeintlich grenzenlose Land zu entdecken begannen. Und so kann das bis heute weitererzählt werden: King Hannahs neue Singles „New York, Let’s Do Nothing“ und auch „Big Swimmer“ tun das auch, wenngleich im Stil unterschiedlich: Der Titelsong ihres neuen, dritten Albums mäandert wundervoll lethargisch zwischen eben Mazzy Star/Opal-Grandezza („This Wasn’t Intentional“) und der süßesten Gebrochenheit von Galaxie 500 oder deren Weiterführungen bei Damon & Naomi oder Dean & Britta.
Die große, schere Referenz ist offenhörbar – und bei aller Unterstützung von unter anderen Sharon van Etten, Thurston Moore, Kevin Morby und Kurt Vile – wohl The Velvet Underground und speziell die knochigen Songs von Lou Reed denn die blumigeren von John Cale. „Davey Says“ komprimiert das alles und die Slacker-Attitüde in der schillernden Variante. Deutlich näher an den Cowboy Junkies als an Beth Gibbons oder sogar Annie Clark aka St. Vincent, wie andernorts konstatiert. Natürlich bleibt eine gewisse Orientierung durch etwa Produktion von Ali Chant (Aldous Harding, PJ Harvey) oder Gastsängerin Sharon van Etten absolut bemerkbar.
Doch bei allen diesen Namen und Verweisen sind King Hannah in mehrfacher Hinsicht sehr eigen und unabhängig: Sie hätten so auch schon vor über dreißig Jahren auf demselben Label oder bei der weserbergländischen Homie-Cousine „Glitterhouse“ erscheinen könne, irgendwo zwischen Gallon Drunk, Hugo Race, Jessica Pratt, Savoy Grand, Laura Gibson und doch auch manchmal sogar ein klitzekleines bisschen Mudhoney. Letztlich scheinen hier, ob nun, wie auf dem Titelsong, zwei Minuten akustisch oder dann drei Minuten verzerrt gitarrig orchestriert, Hannah Merricks Gesang im Wechsel mit Spoken Word etwa auf „Milk Boy (I Love You)“ oder „New York, Let’s Do Nothing“, ihre Texte und der sich dadurch im wahrsten Sinn des Wortes öffnende Ozean an Gedanken und Gefühlen.
Die Schwimmmetapher dient hier laut Merrick tatsächlich fürs Überleben, Weitermachen und gleichzeitig gelassenem Vorankommen, während andere drauflosspringen oder -krakeelen. King Hannah spielen nicht nur in den Sounds und Songs, sondern auch den dazugehörigen Musikclips mit Referenzen, Nostalgien, ohne je ins retromanische Gestrige abzurutschen. Dafür kraulen Merrick und Craig Whittle schon viel zu lange durch die imaginativen Ozeane um Slowcore, Americana und Dream Pop. Und ihren eigenen, erklärten Vorbildern Bill Callahan oder Slint huldigen sie denn auch noch gleich wörtlich („Suddenly Your Hand“), in der Stimmung („John Prine On The Radio“) oder klanglich („Lily Pad“).
Achtung: Einziges Deutschlandkonzert bis dato am 5.9. in Berlin.